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„Macht und lacht für mich weiter“: Dieser Aufforderung Richard Wiedamanns sind die Organisatoren des 30. Bayerischen Jazzweekends mit Bravour nachgekommen. Denn obwohl der Anfang des Jahres verstorbene Erfinder dieses genialen musikalischen Festes schmerzlich vermisst wurde, obwohl man seiner gedenkend viel über ihn sprach und obwohl das Bayerische Jazzinstitut einen Programm-Rundgang auf seinen Spuren zusammengestellt hatte, so überstrahlte der Enthusiasmus darüber, ein großartiges Erbe weitertragen zu dürfen, doch die Trauer über den erlittenen Verlust.
Kein Zweifel: Richard Wiedamann hätte seine Freude an dieser Jubiläumsausgabe des Jazzweekends gehabt und hätte sich diese auch nicht durch manch kleinere Enttäuschung oder manch ungenügend ausgesteuerte Bühne trüben lassen. Denn so recht zünden mochte das wieder aus besonders vielversprechenden Formationen zusammengestellte Auftaktprogramm außerhalb der Regensburger Altstadt nicht. „String Theory“, das Quartett rund um den zweifellos erstklassigen Geiger Christoph Mallinger, wirkte entspannter als es ihrem nicht eben bahnbrechenden Repertoire gut tat, Esra Dalfidan kam trotz Charisma in der Stimme und großem Potenzial in der Begleitband „Fidan“ über dezent balkanisierenden Ethno-Jazz nur phasenweise hinaus und „Die Herren Alexander“ bewegten sich bei ihrem zweiten Auftritt (den Auftaktabend beendete ein Sturm) mit solidem Swing und Wiener Bosheiten à la Georg Kreisler (Betonung auf „à la“) gefährlich nahe an der Grenze zur Schmunzelmusik. Deutlich frischer wirkte da das Trio des Pianisten David Helbock, der – anstatt es sich auf einem Bett aus Bass und Schlagzeug bequem zu machen – den Dialog mit zwei Multi-Instrumentalisten sucht. „Random/Control“ nennt Helbock seine Formation und die nahtlosen Übergänge zwischen anarchischem Ausufern und präzisen zweistimmigen Melodiefragmenten der beiden Bläser (aberwitzig: Johannes Bär und Andi Broger) bewegen sich an exakt diesem Schrägstrich zwischen Zufall und Kontrolle. Von etwas ziellos, aber immer unterhaltsam zwischen den Stilen changierenden Formationen auf den diversen Plätzen der Stadt zog es einen immer wieder in die Unplugged-Oase St. Oswald. Die Kirche hat sich zu jenem Ort beim Weekend entwickelt, wo die Musik am natürlichsten zu sich selbst kommt. Ideale Voraussetzungen für das Trio Natté, von komplexen, aus ungeraden rhythmischen und melodischen Perioden zusammengesetzten Ausgangspunkten in sehr freie, aber immer unangestrengt fließende Improvisationsteile auszubrechen. Selten hat man einen so klar intonierenden und phrasierenden Kontrabass gehört wie den von Constantin Herzog, seine Soli gleichen kleinen Gedichten: sparsam, klar geformt, jedes Wort an der richtigen Stelle. Mathias Mayrbäurl bläst dazu ein introvertiertes, aber jederzeit kommunikatives Tenor- und Sopransax; Brechungen, Stauchungen, aber auch pulsierende Rhythmusfelder entlockt Fabian Hönes mit feinstem Gespür für die Dramaturgie des Augenblicks seinem Drumset. Balsamisch wohltuend auch der wunderbar in sich geschlossene Auftritt von „We Will Meet Again“. Von der Aura des Kirchenraums getragen, verkündeten die vier Musiker der anwesenden Jazz-Gemeinde ein Bill-Evans-Programm voll poetischer Kraft. Vielleicht kann nur eine klavierlose, dem Vergleich mit dem übergroßen Idol also nicht direkt ausgesetzte Band eine solche Hommage gestalten. Gitarrist und Leader Bernd Huber destilliert die erste Phrase von „Very early“ zu einem ruhig in sich kreisenden Akkordintro, das schließlich Schlagzeuger Fabian Rösch (Jahrgang 1994!) als Ostinato für eine kleine rhythmische Implosion dient. Nicht weniger magisch die Arpeggien, mit denen Huber „Remembering the rain“ eröffnet und von denen aus Matthieu Bordenave als organisch sich einfügender Gast am Tenorsaxophon in eine von Steffen Müllers Bass klug interpunktierte Solohymne aufbricht. Wie zur Erleuchtung der Musiker scheint die Sonne durch den Strahlenkranz (mit Heilig-Geist-Taube) der Orgel – eine musikalisch-atmosphärische Sternstunde. Der Auftritt mit der größten Kollektivenergie gelang aber wohl den jungen Herren von „Jean Quadrat“. Mit ausschließlich selbst komponiertem Material versetzten sie sich gegenseitig in immer neue Zustände kreativer Erregung. Hauptverantwortlich ist dafür Philip Czarnecki an der Gitarre, der nicht nur die meisten Songs beisteuert, sondern mit seinen Effektgeräten den Erwartungshaltungen auch immer einen Fußklick voraus ist. Angezerrte Akkordflächen, süffige Wah-Wah-Nebel – von Czarnecki schien stets jener Impuls auszugehen, der seine Kollegen zu immer neuen Höchstleistungen animierte: Trompeter Johannes Böhmer und Saxophonist Johannes Ludwig solierten mit nie versiegendem Einfallsreichtum, Max Leiß am Bass und Julian Fau am Schlagzeug stellten die Groove-Versorgung ohne Rückgriff auf billige Floskeln sicher. Von den diesjährigen „Startbahn Jazz“ Siegern wird man wohl noch einiges hören – hoffentlich auch beim Jazzweekend, das mit seinen 30 Jahren so jung ist wie eh und je. Juan Martin Koch |
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