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Eine Zeitlang war Klaviersommer-Bashing en vogue, denn das Festival war in den Augen mancher Journalisten im Programm zu populär. Inzwischen aber lebt es unter dem Namen Jazzsommer fort und beweist im 20. Jahr seines Bestehens im Bayerischen Hof, das es seinen festen Platz im Münchner Kulturleben hat. Es war ein langsamer Prozess des Übergangs. Aus dem Festival, das einst im Amerikahaus mit Konzerten Friedrich Guldas angefangen hatte, war in den Neunzigern zunächst eine Großveranstaltung geworden, wo die Weltstar von Miles Davis bis Branford Marsalis in die hehren Hallen des Kulturvollzugs wie der Philharmonie geholt wurden. Doch das Münchner Publikum ist eigen, es lässt nicht alles gelten, was andernorts die Säle füllt, und so verkleinerte der Jazzsommer Ende des Jahrzehnts seinen Radius und konzentrierte sich mehr und mehr auf das Hotel Bayerischer Hof, dessen jazzbegeisterte Chefin Innegrit Volkart auch übers Jahr hinweg manches ungewöhnliche Konzert auf der Night-Club-Bühne ermöglichte. Inzwischen findet er ausschließlich in den Räumen am Promenadeplatz statt, mit dem vollen Risiko eines privaten Veranstalters, aber auch der Ehre, wenn das Programm angenommen wird und in grandiose Konzerte mündet. Für Jazz- und Latin-Fans in München ist diese persönliche Passion einer Hotelleiterin in der Tat ein besonderer Luxus. Denn nur an wenigen Orten sonst in der Welt kann man die Weltmeister ihres Fachs in derart persönlichem, unmittelbarem Ambiente erleben. Zu Eröffnung etwa präsentierten sich Trompeter Randy Brecker und Saxofonist Bill Evans unter dem Signum Soulbop Band zusammen mit den Groove-Avantgardisten Medeski, Martin & Wood als Hochdrucksolisten, die dem Urban Jazz der Gegenwart eigenwillige Textur-Qualitäten abgewannen. Das war psychedelisch ohne den Überbau des Abgehobenen, kraftvolle, herb und trancehaft improvisierende Musik mit klaren stilistischen Wurzeln im Fusion-Sound der Achtziger. Tags darauf stellte sich die Sängerin Jane Monheit mit versiertem Entertainment vor. Am folgenden Abend wiederum gab sich Ivan Lins die Ehre, Songwriter und einer der Paten des Música Popular Brasileira, auch er einer von denen, der sonst in großen Hallen zu erleben ist und diesmal seine sanften und geschmackvollen Lieder ebenso entspannt wie im Detail komplex in den Rahmen einer neuen, jungen Band stellt. Das Duo Tuck & Patti bot daraufhin Kammersoul mit reichlich Hausaufgaben für Fingerstyle-Gitarristen, nicht neu in der Anlage, aber immer wieder famos in der Durchführung. Als Abschluss schließlich packte Ivan Neville aus New Orleans die Funk-Keule aus, mischte zwei Stunden lang den Laden auf und hatte nebenbei mit der faszinierend energetischen und zugleich gelassenen Schlagzeugerin Nikki Glaspie eine echt Entdeckung in der Band. Alles in allem also ein rundes Programm im kleinen Club, mainstreamig modern und südamerikanisch niveauvoll mit einer Prise Party-Stimmung für Fortgeschrittene. Manche Künstler aber waren dann doch zu groß für den Club. Al Jarreau etwa, der alte Herr des freundlich zickigen Jazzgesangs, führte im Festsaal noch einmal durch seine geschmeidige Liederwelt, nicht mehr ganz rein in der Intonation, aber mit 71 Jahren noch immer Profi genug, um den Saal bei Laune zu halten. Ein wenig harmlos, in den zweiten Konzerthälfte aber zunehmend präsent erinnerten die Pioniere des Afro-Jazz-Crossovers Osibia an die Anfänge des Weltmusikalischen und der Latin-Prediger und Salsa-Star Ruben Blades brachte zum Finale die Fans der südamerikanischen Rhythmenwelt zum Jubeln. Alles in allem war der Jazzsommer damit ein voller Erfolg, nicht als Speerspitze der Avantgarde – dafür hat München Institutionen wie die Unterfahrt oder das jazz lines Festival – aber als Forum des profunden, qualitativen Entertainments. Ralf Dombrowski
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