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Wie schwierig es ist, Musik aus der Erinnerung heraus halbwegs allgemeinverständlich zu beschreiben, das habe ich vor sechs Jahren bei meinem Textbeitrag zum im Links-Verlag erschienen Buch über die Jazzszene der DDR unter dem Titel „Freie Töne“. gemerkt. Mit dem Gitarristen Joe Sachse saß ich in seinem Geburtsort Mittweida zusammen, und wir schwelgten in längst vergangenen Zeiten, in seinen musikalischen Anfängen, die da Praxis II und Osiris heißen. Das Problem: Keine einzige Sekunde Musik ist der Nachwelt erhalten geblieben. Wir einigten uns dann auf diese Formulierung: „Um in etwa eine Vorstellung vom musikalischen Spektrum aus dieser Zeit zu geben, liegt vermutlich ein Vergleich mit Eberhard Weber und Charlie Mariano nicht ganz daneben.“ Das half natürlich nicht viel weiter, es ließ sich ja nicht mehr überprüfen. Nun endlich ist auf wundersame Weise ein ganzer Stapel historischer CDs vom DDR-Jazz der 60er- und 70er-Jahre aufgetaucht. Eine wahre Schatzkiste, die da geöffnet wurde. Der Trompeter Ulrich Weber, der selbst noch in der Manfred Schulze Formation mit Joe Sachse, Andreas Altenfelder und Manfred Hering war und aktuell im Quartett von Herman Keller spielt, hat diese geöffnet. „Die Veröffentlichungen sind sozusagen eine Art Spurensuche. In der DDR hatten wir ja so gut wie keine Möglichkeit, Platten zu veröffentlichen. Es lohnt, weil ich denke, dass wir so schlecht nicht gespielt haben“, sagt Ulrich Weber mit einigem Stolz. Das nun veröffentlichte Tonmaterial stammt zum Teil von den Musikern selbst. Zum größten Teil haben sie es von Freunden bekommen, die in den 60er und 70er Jahren einige Konzerte auf Tonband mitgeschnitten haben. „In meinem eigenen Tonstudio habe ich diese Aufnahmen nun restauriert und in eigener Regie produziert. Ohne Zeit- und Kostendruck“, sagt Weber. Ein Osiris-Konzert ist auch dabei, und was für eins! Mitgeschnitten 1978 in Schwerin, als sich zur regulären Gruppe mit Sachse, Hering, Hannes Zerbe, Christoph Winckel und Wolfram Dix noch zwei Gastmusiker einfanden: Toto Blanke und (welch Zufall!) Charlie Mariano. Weiter in Webers Katalog und überhaupt erstmals auf CD sind zwei Konzerte der Manfred Schulze Formation, aufgenommen 1973 in Groitzsch und 1976 in Geithain. Ebenfalls ausgegraben wurde ein historisches Konzert mit dem Trio Sachse, Klaus Koch und Ernst-Ludwig Petrowsky, mitgeschnitten 1983 beim Festival im ungarischen Debrecen. Petrowsky und seine Frau Uschi Brüning haben zum Katalog auch noch einiges beigesteuert, Aufnahmen, die der Rundfunk der DDR damals für eine Veröffentlichung abgelehnt hatte. Unter anderem Stücke mit dem Ensemble Studio IV, zu dem der Posaunist Hubert Katzenbeißer gehörte, von dem man längst vergessen hatte, wie großartig er auch Geige gespielt hat. Dazu gibt es noch einen besonderen Leckerbissen: Petrowsky in einem gemeinsamen Konzert mit Joachim Kühn 1966 in Mittweida. Der damals 18 Jahre alte Joe Sachse soll wohl begeisterter Zuhörer gewesen sein. Die nächste geplante Veröffentlichung schließt dann eine der schmerzlichsten Lücken in der DDR-Jazz-Geschichte. Eine CD mit Praxis II, dem Vorläufer der Manfred Schulze Formation. Für den Schreiber dieser Zeilen war das praktisch der Einstieg in den Jazz überhaupt. Was die damals gespielt haben? Vermutlich gängiger Jazzrock, oder doch etwas ganz anderes? Nachprüfen lässt sich das bald auf CD. Erhältlich sind die CDs aus der DDR-Schatzkiste zum größten Teil bei Konzerten der Musiker, dazu vertreibt Ulrich Weber noch einiges im Postversand unter eigener Regie. Seine Mailadresse: uli.weber-trompeter@-online.de Gottfried Schalow |
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