Zu Zeiten des Eisernen Vorhangs war Peitz im Spreewald, kurz vor der
polnischen Grenze, ein Mekka des europäischen Avantgarde-Jazz. Organisator
Ulli Blobel, der heute den Förderverein Jazzwerkstatt Berlin-Brandenburg
leitet, erweckt das legendäre Festival zu neuem Leben und veröffentlicht
ein Buch zur Geschichte des Festivals.
JazzZeitung: Herr Blobel, Sie haben oft gesagt, in Peitz wird es keine
Jazzwerkstatt mehr geben. Warum nun doch?
Ulli Blobel: Stimmt, jahrelang hatte ich die Überzeugung: Was einmal
ruht, soll ruhen. Zumal mein Kompagnon von damals, Jimmy Metag, aus gesundheitlichen
Gründen nicht mitmachen kann. Angefangen hat es mit der Arbeit an
dem Buch, die in mir viele Erinnerungen hervorgekehrt hat. Etliche Autoren
und Musiker haben mich angesprochen, doch wieder was in Peitz zu machen.
Also habe ich die Buchveröffentlichung zum Anlass dafür genommen.
JazzZeitung: Welche Bedeutung hatte Peitz für den DDR-Jazz?
Blobel: Ich würde ungeniert sagen: den größten. Nichts
hatte auf den DDR-Jazz mehr Einfluss als Peitz. In unserem Buch, in dem
ich selbst noch die zurückhaltendste Stimme habe, werden Sie das
oft lesen.
JazzZeitung: Das Buch ist also keine Autobiografie?
Blobel: Nein, da erinnern sich verschiedene Autoren
und Musiker an Peitz. Zum Beispiel der Schlagzeuger Baby Sommer, der
Jazzkritiker Bert Noglik
und der Historiker Stefan Wolle, der das Thema in einen kulturpolitischen
Rahmen setzt. Oder Christoph Diekmann, der schon viel über DDR-Kultur
geschrieben hat. Alles Leute, die damals dabei waren.
JazzZeitung: Im Buch wird häufig der „Geist von Peitz“ beschworen.
Was verbirgt sich dahinter?
Blobel: Das deutet der Titel „Woodstock am Karpfenteich“ schon
an. Peitz war eine Tramper-Idylle, eine alternative Spielwiese, ein großes
Happening. Die Musik stand nicht immer im Vordergrund. Das war mir gar
nicht so recht; ich wollte schließlich den Jazz präsentieren.
Vor allem kamen junge Leute. JazzZeitung: Wie konnten Sie westeuropäische Musiker hinter den
Eisernen Vorhang holen?
Blobel: Eine wichtige Rolle spielte der Saxophonist
Friedhelm Schönfeld,
der damalige Musikdramaturg des Theaters im Berliner Palast der Republik.
Er konnte dort ohne große Einschränkungen seine Programmvorstellungen
durchsetzen und Musiker aus dem westlichen Ausland einladen. Durch seine
Kontakte zu den Kulturbehörden ermöglichte er die ersten Konzerte
westlicher Gruppen außerhalb Berlins; das gab Peitz den entscheidenden
Auftrieb.
JazzZeitung: Es kamen sogar größere Ensembles aus Westeuropa.
Wie haben Sie deren Anreise finanziert?
Blobel: Der Auftritt des London Jazz Composers Orchestra
zum Beispiel wäre nicht möglich gewesen ohne die 20 Flugtickets, die es
von der britischen Botschaft als Geschenk gab. Auch die Vertretungen
von Holland oder der Schweiz haben die Teilnahme ihrer Landsleute gesponsert.
Bei westdeutschen Gästen zahlte die Bundesregierung die Hälfte
der Peitzer Gage in D-Mark.
JazzZeitung: Was verbinden Sie persönlich mit Peitz?
Blobel: Peitz ist meine Heimatstadt. Meine Mutter und
meine Geschwister leben noch da. Ich kümmere mich um das Elternhaus. Dann gibt es
noch Neffen und Nichten zuhauf. Peitz war für mich die ganze Zeit
unser familiäres Zentrum – bis auf diese fünf Jahre,
als ich in Wuppertal lebte und nicht in die DDR durfte.
JazzZeitung: Warum wurde die Jazzwerkstatt
verboten?
Blobel: Im Mai 1982 untersagte uns die Polizei, das
anstehende Open Air im Sommer durchzuführen. Eine Begründung gab es nicht. Das
Programm stand schon fest, die Musiker waren eingeladen, die Programmflyer
verschickt. Alle Musiker haben Eingaben gemacht, wie es in der DDR üblich
war, bis hinauf zu Honecker. Das hat alles nichts bewirkt.
JazzZeitung: Sie haben dann in Wuppertal einen
Musikvertrieb gegründet.
Vor ein paar Jahren sind Sie zum Jazz zurückgekehrt und nach Berlin
gezogen. Warum?
Blobel: Erstens ist dieses turbulente Geschäft in meinem Alter nicht
mehr das Richtige. Zweitens ist die Branche quasi tot. Im vergangenen
Jahrzehnt schrumpfte der Umsatz jährlich um zwanzig Prozent. Als
ich noch im Vertrieb aktiv war, belieferte ich in Hamburg 14 große
Läden mit Jazzabteilungen. Heute gibt es noch einen, glaube ich.
JazzZeitung: Vielleicht sind Sie auch gerade
in einer nostalgischen Lebensphase?
Blobel: Das hat sich alles so ergeben. Hätten Sie mich vor ein paar
Jahren nach einer Neuauflage von Peitz gefragt, hätte ich gesagt:
Das ist zu viel des Guten.
Ich war nie jemand, der an der Vergangenheit hängt. Ich habe ja
auch problemlos die DDR und meinen alten Job abgelegt. Aber vielleicht
hat es auch etwas mit dem Alter zu tun, dass man eher die Vergangenheit
Revue passieren lässt. Gespräch: Antje Rößler
Buch incl. CD:
Ulli Blobel (Hg.): Woodstock am Karpfenteich. Subkultur hinter dem
Eisernen Vorhang, jazzwerkstatt, 19,90 Euro
www.jazzwerkstatt.eu
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