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Ein allgemeiner musikalischer Konsens liegt nicht vor, CD-Rezensionen lohnen nicht mehr, der überregionale Musikjournalismus stirbt. Auch das ist ein Erfolg des Internets: Das globale Dorf ist Wirklichkeit geworden. Nicht im Sinn von „Der Globus wird klein wie ein Dorf“, sondern: „Es gibt globusweit nur noch Provinz“. Im Internet blühen die Cliquen und Kleinstszenen: Dorfklatsch statt Schwarmintelligenz. In den Foren regieren Stammtisch-Weisheit und Halbwissen. In Facebook hat man 500 Freunde, die sind dein Dorf. Man teilt dort „Inhalte“, aber nicht den Inhalt einer Flasche guten Rotweins, sondern Zufälliges, Alltag, Hörensagen. Sogar Unsympathen, denen ich im realen Leben tunlichst aus dem Weg gehe, wollen in Facebook meine Freunde werden. Der Freund eines Freundes verrät, wo er in Spanien gerade den Abend verbringt. Musiker teilen mir mit, dass sie jetzt mit ihrem Endorser befreundet sind. (Meinetwegen können sie ihre Trompete heiraten!) Ich sag’s mal so: Das Informations-Zeitalter ist zu Ende, das digitale Gerüchte-Zeitalter beginnt, ein finsteres neues Mittelalter. Wer die Chuzpe hat, wird zum Star einer Online-Provinz. Auch der Jazzmusiker von morgen braucht nur zwei Dinge: einen Laptop und eine Internet-Gemeinde. Dann kann’s losgehen: im Keller sitzen, Computer-Schaltkreise verlöten, Zufallstöne erzeugen, das Ganze im Livestream übertragen und danach auf YouTube stellen. Jazz findet nur noch statt, wenn er online ist. Und wenn 500 Freunde das gut finden. Rainer Wein (rainer.wein@gmx.net) |
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