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Gleich mehrere frühere „Artists in Residence“ hatte der neue Intendant Michael Kaufmann zum diesjährigen Kurt Weill Fest nach Dessau eingeladen. Neben dem Ensemble Modern, das unter HK Gruber unter anderem sein nicht mehr ganz neues Programm „Berlin im Licht“ präsentierte und neben der immer wieder frappierend stilsicher zwischen anspruchsvoller Avantgarde und dem scheinbar „leichten“ Genre jonglierenden Stimmakrobatin Salome Kammer war dies auch der Jazzposaunist und Sänger Nils Landgren. Vor zwei Jahren hatte der Schwede mit wechselnden Formationen, aber auch mit dem großen Apparat der Anhaltischen Philharmonie dem Festival ein ganz eigenes, aber auch von Respekt vor der Weillschen Tradition getragenes Gesicht gegeben. Daran knüpfte er zusammen mit dem Pianisten Michael Wollny im charmant heruntergekommenen Elbe-Werk Roßlau wieder an. Ein Abend für Kurt Weill, der sich dem Komponisten sehr behutsam näherte, ganz vom Klang und weniger von Strukturen ausgehend. So war der Refrain des berühmten „September Song“ nie zu hören, stets wurde mit Witz daran vorbeigespielt. Die „Moritat von Mackie Messer“ erklang als Spieluhrmusik im Klavierdiskant, während die Posaune den Resonanzraum des Flügels für feine Echowirkungen nutzte. Jazzstandards oder eigene Songs („Nils Runs The Voodoo Down“) wurden selten fetzig-lebhaft, wie man das etwa von Landgrens „Funk Unit“ kennt, blieben in lyrischer Grundstimmung. Wollny breitete fließende Klanglandschaften à la Keith Jarrett aus – ohne hier in Imitation zu verfallen, denn sein pianistisches Potenzial und sein Einfallsreichtum führen ihn auch immer wieder auf abstrakt-analytische Wege. Oft demontiert er sein Klangmaterial, lässt es in andeutende Einzeltöne zerfallen, um es dann wieder mit virtuoser Geste zusammenzufügen. Landgren nahm sich auffallend zurück, führte die weichen, zarten, hellen Register seines Instruments vor, verblüffte auch immer wieder durch leichte Beweglichkeit. Wenn er „Stars in your Eyes“ von Kurt Weill singt, mit leicht brüchiger Stimme, passt sich das Klavier, das auch harte Zimbaltöne in seiner Klangpalette kennt, mit ebenso „durchlöcherter“ Transparenz an. Gepflegter, sensibler Jazz vom Feinsten also, am eindrucksvollsten vielleicht durch den großen Respekt, mit dem diese beiden Künstler ihrer jeweiligen Eigenart Raum ließen, sich zuhörten, das jeweilige Idiom aufnahmen und veränderten. Wenige Tage später – welch andere Klänge am gleichen Ort! Vor Jahren hatte Landgren bereits mit der Jugendbigband Anhalt gearbeitet; diesmal hatte sich die von Detlef Metzner geleitete Formation die vitale Pascal von Wroblewsky als Solistin geholt. Die Zusammenstellung der Songs hatten die Jugendlichen selbst besorgt, und vielleicht hätte eine beratende Stimme doch für mehr Kontrast sorgen sollen. Denn mit fetzigen Arrangements der Songs von „Nirvana“, „Black Sabbath“, Christina Aguilera oder AC/DC bewegte man sich überwiegend in rockig-punkigem Fahrwasser. Der hör- und sichtbare Spaß des Spiels war aber immer mitreißend und beeindruckte durch engagierte Präzision. Der Jugendchor des Gymnasiums Walter Gropius (Leitung Ines Weinreich) hätte demgegenüber – auch räumlich! – ruhig mehr hervortreten können. Prächtige Soli lieferte der 24-jährige Saxophonist Daniel Barke ab, der bereits professionelle Wege geht; in seinen Fußstapfen bewegten sich mit viel Talent der Trompeter Robert Koschick und der Gitarrist Philipp Wiechert. Wroblewsky ist natürlich eine versierte Jazz-Sängerin, doch ihre Manier, in jeder Nummer ihren virtuosen Scat-Gesang vorzuführen, ermüdete auf die Dauer. Vollends bei einigen Weill-Songs wurde klar, dass man nicht jede Musik im gleichen Stil servieren kann: Ein intimer Song wie „Speak Low“ etwa verträgt keinen unruhig hottenden Rhythmus, der gerade den Puls des Blues zerstört. Isabel Herzfeld |
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