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Vladimir Kostadinovic & Jimmy Greene Vorab gereichte Lorbeeren für außergewöhnliche Fähigkeiten
als Schlagzeuger versucht Vladimir Kostadinovic in einem „Course
Of Events“ zu rechtfertigen. Stilistisch am Hardbop und dessen
Derivaten orientiert, fordert er zunächst: „Listen To The
Band“, denn sie folgt seinen markanten, präzis getrommelten
Tempiwechseln wie ein Schatten. Wobei Jimmy Green allerdings nur gemäßigt
moderne Phrasierungen wagt, während Danny Grissett am Klavier sich
durchaus autonom in der variablen Jazzströmung bewegt. Besonders
in der Coda sichert er das Repetiv-Riff mit Blockakkorden, um das Vladimir
Kostadinovic ein fulminantes Solo manövriert. Auch ein legerer Bossa-Typus
bekommt in „The Only Sound“ von ihm asymmetrische Kicks,
die Vladimir Kostadinovic wiederum zu kontrollierter Drum-Extase antreibt.
Elastisches 3er-Metrum formt den Titelsong, eine intensive Ballade, geeignet
für ein wunderbar melodisches Bass-Solo von Matt Brewer. Er stützt
auch Jimmy Greene, wenn dieser „Duke Ellington‘s Sound Of
Love“ (von Charles Mingus) seduktive Sonorität gibt. Solch
menschliche Nähe ergänzt „Grüner Daumen“ zur
Natur, ein atmosphärisch dichtes Klangmanifest. Etwas übertrieben
sind dann aber die Ansprüche bei der „Tour Through The Universe“,
weil sie durch Bebop-Rasanz kaum Zeit für Betrachtungen lässt.
Da verführt die rhythmische Dominanz doch zum Verbleib an Oberflächenstrukturen.
Für sein kompaktes Konzept hat Kostadinovic nicht in jeder Hinsicht
das qualitative Optimum erreicht. Sein perfektibler Stil braucht in Zukunft
schärfere Binnenkontraste, um ganz zur Geltung zu kommen. Lea W. Frey Als das Duo Nachtlüx im Jahr 2009 mit der CD „Nach Norden“ an
den Start ging, schrieb die Rezensentin: „Selten klang deutschsprachiger
Gesang so poetisch, so lyrisch, so nachdenklich und doch so nahezu ‚nordisch
kühl‘, wie der von Lea W. Frey.“ Seinerzeit verfasste
Frey die Texte selbst; die Musik stammte von ihr und Duo-Partner Venezian.
Nun, zwei Jahre später, wollte Frey es wissen. Auf „We Can’t
Rewind“ widmet die Sängerin sich ihren Lieblingscoversongs,
präsentiert quer durch Pop-, Rock- und Jazzmusik ein breites musikalisches
Spektrum in eigenem, gewissermaßen „freyschem“, Gewand.
Die Brüder Peter und Bernhard Meyer, an Gitarre respektive Bass,
steuern einen so sparsamen wie verschrobenen Sound bei: Dieser trägt
Freys Gesang in ähnlicher Manier wie oben beschrieben und lässt
ihn doch noch ein Stück düster-verfremdeter erscheinen. Frey
erklärt die Magie des Coverns mit eigenen Worten so: „… wie
mit der Hand über einen alten Holztisch mit vielen Furchen und Kratzern
zu streichen und die Vergangenheit förmlich zu spüren.“ Das
Aneignen der Songs gelingt ihr seltsam individuell. Nicht immer lässt
sich das Original klar heraushören, manchmal lediglich im Schwebezustand
erahnen. Die englische Gesangssprache entfaltet allerdings, gegenüber
den deutschsprachigen Texten des Nachtlüx-Albums, etwas weniger
originellen Reiz. Dennoch ein interessantes, ein gutes Album. Lea W.
Frey gelingt es auch unter eigenem Namen, sich als Künstlerin aussagekräftig
in der Musikwelt zu positionieren. Three Fall celebrating Red Hot Chili Peppers: On a Walkabout Die „Young German Jazz Cats“ von ACT sind immer für
eine Überraschung gut. Einige von Ihnen, wie Wollny oder Wasserfuhr,
haben den Durchbruch bereits geschafft, andere wie Zehrfeld erschließen
mit „verkrassten“ Klängen neue Horizonte. Mit der Formation „Three
Fall“ stehen nun drei junge, versierte Musiker am Start, die ohne
Bass und/oder Akkordinstrument einen einzigartigen, mitreißenden
Sound kreieren und dabei als Aufmacher Stücke wie „Can’t
Stop“ oder „Walkabout“ von den Red Hot Chili Peppers
arrangiert haben. Three Fall, das sind Lutz Streun (Saxophon/Bassklarinette),
Til Schneider (Posaune) und Sebastian Winne (Drums & Percussion).
Auf ihrer Debut-CD „On a Walkabout“ präsentieren sie
einen eigenen, frisch swingend und groovigen Sound. Dabei sind die wahren
Perlen der CD weniger die – absolut fantastisch und fetzig – interpretierten
Stücke der Red Hot Chili Peppers, sondern vielmehr aufregende Eigenkompositionen
aus der Feder von Streun/Schneider wie „Song for Alma“, „Fiets“ oder „Skycraper“.
Würde man die Red Hot Chili Peppers nicht kennen, gingen ihre Stücke
glatt als Three-Fall-Klassiker durch, so homogen sind Sound und Arrangements.
Man erkennt unschwer die Wurzeln, mit denen diese Generation von Musikern
aufgewachsen ist, und das spiegelt sich souverän in ihrer Spielweise
wider. Da ist der Schlusstrack „Matter“ mit einem Rap von
Promoe nur konsequent. Jazz neu entdecken kann nur, wer sich freimacht
und zu seinen Wurzeln steht. Three Fall haben das verinnerlicht und stellen
sich so der Zukunft. Ricardo Villalobos/Max Loderbauer Für das ECM-Label ist der mit Spannung erwartete Titel „Re:ECM“ eine
ungewöhnliche Produktion! Zwei Ikonen der Clubszene, der Berliner
DJ Ricardo Villalobos und Produzent Max Loderbauer, haben sich zusammengetan,
in den ECM Archiven geforscht und mit profund zusammengestellten Stücken
auf zwei CDs ein komplett eigenständiges innovatives Werk abgeliefert.
Seit Jahren ist Villalobos bereits Fan des Labels und verwendet auch
in seinen DJ-Sets ECM-Stücke – immer mit musikalischem Respekt.
Das ist auch das Erste, was beim Hören der CD auffällt. Irgendwo
zwischen Ambient, Jazz und E-Musik werden extrahierte Klänge ätherisch
in Szene gesetzt, mit abstrakten Rhythmen versehen und behutsam zu einem
neuen Klangerlebnis destilliert. Da finden sich neben Sequenzen von Wallumrod,
Vitous oder Sclavis Klänge von Knaifel, Pärt, Abercrombie,
Giger oder Maupin. Alles in allem wohl überlegt ausgewählt
und vor allem nicht nur vordergründig beifallheischend remixed.
Wobei wir beim eigentlichen Thema sind: Remixe aus dem ECM-Archiv gab
es in dieser Form bisher nicht. Aber das Vertrauen, das Manfred Eicher
in Villalobos und Loderbauer gesetzt hat, sich aus dem ECM-Backkatalogs
bedienen zu dürfen, wird belohnt: experimentelles Herangehen an
die Kompositionen, kombiniert mit unabhängigem Rhythmusverständnis
bilden, losgelöst von Vorlagen, hochkreative Klanginseln. Das Resultat
ist eine ECM vertraute Klangästhetik ohne Schnörkel und was
kompromisslos begeistert: das Ergebnis klingt absolut authentisch! Hotel Bossa Nova:
Bossanomia Um im Bild zu bleiben: Im Hotel Bossa Nova
steigen so manche Zeitgenossen ab. Einige kommen aus Brasilien, andere
aus Westafrika, manche auch aus
Spanien, Portugal, und sogar der eine oder andere Argentinier wurde gesichtet.
Jeder dieser Reisenden hinterlässt seine Spuren, in Form von Stimmungen
und Motiven, Imaginationen und Sounds. Denn das dritte Album des Wiesbadener
Quartetts mit dem touristischen Namen versteht sich als Amalgam der Stile
und Einflüsse und lebt vor allem vom vokalen Einsatz der Sängerin
Liza da Costa, die mit viel Elan und Energie das knappe Dutzend Songs
ausfüllt. Willie Nelson & Wynton Marsalis: Marktstrategen sagen, dass die Fortsetzung einer guten
Idee in der Regel nur noch 30 Prozent der Leute erreicht, die sich für das Original
interessiert haben. Nun hatten sich der Trompeter Wynton Marsalis und
der Country-Recke Willie Nelson Mitte Januar 2007 erstmals im Panoramasaal
des New Yorker Lincoln Centers zusammengetan und dort ein Album aufgenommen,
das allein schon wegen seiner skurrilen Kombination überraschte.
Das kam gut an, und deshalb folgt nun Teil zwei des Unternehmens, wieder
live aufgenommen, diesmal im Rose Theatre des Lincoln Centers. Um dem
potentiellen Aufmerksamkeitsschwund entgegen zu wirken, wurden der eigentlichen
Idee noch weitere Details hinzugefügt. Diesmal widmete sich das
Programm thematisch Ray Charles, dem Genius des Rhythm & Blues. Außerdem
wurde Norah Jones als Gast zum Kreise der gesetzten Herren gebeten. Resultat
des Ganzen ist ein rundum publikumsaffines Album, das diverse Gassenhauer
von „Unchain My Heart“ bis „What‘d I Say“ mehr
oder minder inspiriert im dezent angejazzten Gewand präsentiert.
Willie Nelson wirkt dabei noch ein wenig fragiler als bisher, Miss Jones
ist mit zwar lasziver, aber ausdrucksarmer Stimme künstlerisch nicht
die erste Wahl in Sachen schwarze Seele. Und Marsalis spielt mit seinen
Retro-Jungs, was er immer macht, soliden, unterhaltsamen Salonjazz. Nett,
harmlos. Claudio Puntin/Lucerne Jazz Man klappt das Cover auf und eine alpenländische Kulisse baut sich
auf. Der Glarner Künstler Martin Schätzle ist im Design der
CD Claudio Puntin zu Hilfe gekommen. Puntin will mit dem glänzend
disponierten Lucerne Jazz Orchestra, wie der Titel verspricht, „Berge
versetzen“. Dafür hat der seit 23 Jahren in Deutschland lebende
Schweizer Klarinettist eine Hommage an seine Heimat verfasst und einen
dreiteiligen Zyklus komponiert, der die Schweiz musikalisch porträtiert.
Selbstredend hat Puntin Elemente Schweizer Volksmusik verarbeitet, die
seinen eigenen Erfahrungen entsprungen sind. All dies mündet in
einen lebendigen Groove. Ein Appenzeller Klassiker wird ebenso zitiert
wie die Reminiszenz an die Basler Fasnacht. Auch Gedichte der Luzerner
Lyrikerin Sabine Naef, vorgetragen von Vokalistin Insa Rudolph, hat Puntin
eingearbeitet und als Inspirationsquelle genutzt. Die Klarinette, wie
könnte es anders sein, spielt bei dem Ganzen eine tragende Rolle.
Puntin benutzt sie, wie er erklärt, als „Sängerin, Improvisatorin,
Melancholikerin, Sprechstimme und ständige Begleiterin“. Daneben
setzten auch Mitglieder des eindrücklichen Orchesters solistische
Akzente. Die Alphornvariante Büchel ist ebenso zu hören wie
die zischend groovenden Luftströme aus einer von Puntin entwickelten
Kiste mit sieben Schläuchen. Auf diesem „swisskammerjazzorchestralen
Album“ (Puntin) vertragen sich alpine und urbane Atmosphären
und Klänge bestens. Katharine Mehrling Stilsicher bewegt sich Katharine Mehrling zwischen
Swing, Chanson, Latin und Blues. Zugegeben, eine außergewöhnliche Mischung ist das
nicht. Dass sich die Platte dennoch jenseits jeglicher Banalität
und Beliebigkeit bewegt, dafür sorgen die Beteiligung des Jazzklarinettisten
Rolf Kühn, die Gänsehautstimme der Sängerin und originelle
deutsche Texte. Mal geht es knisternd erotisch zu, mal melancholisch,
dann wieder mit feinem Witz. Katharine Mehrling demonstriert große
Wandlungsfähigkeit und Ausdrucksintensität, was sie nicht zuletzt
ihren vielfältigen Aktivitäten in Schauspiel und Musical verdanken
dürfte. Rolf Kühn hat die meisten der wunderbaren Stücke
und Arrangements geschrieben. Zum nonchalanten Swing von „Lecker“ zelebriert
Katharine Mehrling augenzwinkernd ihre Verführungskünste; Rolf
Kühns leichtfüßiges Saxophonspiel knistert da vor Spannung.
In „Was sie will“ geht es bei einem üppigen Orchesterteppich
um die Widersprüche weiblicher Logik. In „Der Makrobiot“ wiederum
kriegen bei schmissigem Big-Band-Sound ökofundamentalistische
Veganer ihr Fett ab. Natürlich geht es auch um die Sehnsucht nach
der großen Liebe und die damit einhergehende Melancholie – so
eleganten, flüssigen deutschsprachigen Blues hat man selten gehört.
Ergreifend traurig ist das Chanson „Nantes“; versöhnliche
Ruhe strahlt der Walzer „Mondlied“ aus. Das von vorne bis
hinten charmante Album sei hiermit empfohlen. Geoff Goodman „Ich
kann gar nicht anders als immer wieder was Neues auszuprobieren.“ Der
Gitarrist Geoff Goodman tummelt sich in verschiedensten Gefilden jazzig-weltmusikalischer
Grenzgänge, verbindet in seinem Schaffen Newport und München,
New York und Athen, Tabla und Strings, jetzt also Jazz und Haiku, kulturelle
Exponenten des Westens und des Ostens. Weiter auseinander geht es nicht – zumindest
geografisch. Was den Jazz, die in Amerika geborene Musik des 20. Jahrhunderts,
und das Haiku, jene reduzierte japanische Gedichtform, die ihre Blütezeit
im 17. und 18. Jahrhundert erlebte, miteinander verbindet, ist die
Kunst der Improvisation, der Inspiration des Augenblicks – und
die Offenheit der Vorgabe. Wie das Haiku in seiner knappen Form und
seinem je konkreten
Bezug zur Gegenwart erst vollständig wird in seiner Eröffnetheit
auf das Erleben des Lesers, so ist auch ein Jazzstück nicht komplett
ohne das Ineinander von Komposition, Improvisation und Interaktion.
Geoff Goodmans Band „Curiosities of Nature“ mit Fjoralba
Turku (voc), Till Martin (sax, cl), Henning Sieverts (b), Bill Elgart
(dr),
steht für sanft beobachtende Neugier, achtsames Miteinander und
die Verschmelzung kultureller Unterschiede in jener halb geöffneten
Tür, jenem klar gewischten Spiegel, als die Reginald H. Blyth
das Haiku bezeichnete. Von besonderem Reiz sind dabei Kiyomis Rezitationen
der japanischen Texte, deren Klang ihren eigenen Beitrag zu Musik geben. Cocada Durchaus frühlingshafte Gefühle mögen aufkeimen beim Hören
des Ergebnisses der Kollaboration der Kölner Pianistin Tanja Mathias-Heintz
mit dem aus Sao Paulo stammenden Sänger Fausto Israel. Sanfte Rhythmen,
nachvollziehbare Melodien, fast ohrwurmartig, wie wenn sie schon immer
zum allgemeinen Repertoire gehörten, phantasievolle Soli und sonnendurchflutete
Sounds nehmen mit auf die musikalische Reise vom Rheinufer zur Copacabana,
vom Kölner Dom zum Zuckerhut. Das bewegt sich immer auf den Spuren
der Tradition, bietet dabei keine Bossa-Nova-Standards, dafür phantasievolle
Eigenkompositionen mit Samba-inspirierter Bewegungsfreiheit, der luftigen
Leichtigkeit der Música Popular Brasileira und dem Esprit einer
Pianistin, die Geschmack und Empathie in so dezenter wie charmanter Munterkeit
auf ihr Instrument zu übertragen weiß. Fausto Israels Stimme
ist sanft und klar, schmeichelt sich in natürlicher Lässigkeit
ins Ohr. Rhythmischer Drive der brasilianischen Schlagzeugerin und Perkussionistin
Cris Gavazzoni, der satte Groove des Bassisten Martin Simon sowie die
unaufdringlich weich federnden Soli von Olaf Schönborns Saxophon
sorgen dafür, dass die Balance zwischen Unterhaltungswert und Spannung
nicht verloren geht. Alle Beteiligten gehen mit Fingerspitzengefühl
und sanfter Energie ans Werk, verleihen den Stücken Nonchalance,
Substanz und eine wohl dosierte Zuckermenge, die der namensgebenden südamerikanischen
Kokossüßigkeit wohl ansteht. Ensemble Fis Füz Auf einem einzigen Album finden sich selten so
verschiedene Rhythmen, von verschiedenen Trommeln gespielt. Mit viel
rhythmischem Gespür
und melodischem Erfindungsreichtum handhabt Murat Coskun die Rahmentrommeln.
Der Freiburger Perkussionist ist ein Meister seines Fachs, allgegenwärtig
auf den „Tamburi Mundi“-Festivals, die er vor Jahren ins
Leben gerufen und nun in diverse Länder getragen hat, als Mitglied
des Giora Feidman Ensembles und der Freiburger Spielleyt, als Gast
des Freiburger Barockorchesters. Gerade hat Coskun noch den „Tambur
Monday“ gestartet, wo er sich sowohl solo vorstellt als auch in
neuen Konstellationen erprobt. „Er tanzt mit seinen Fingern auf
vielen Hochzeiten“, bilanzierte jüngst die „Badische
Zeitung“. So ganz nebenbei legt Cosk un mit „Fis Füz“ das
vierte Album vor. Nach 16 Jahren der Zusammenarbeit überzeugt das
Trio nach wie vor durch Spielfreude und neue Ideen. Sein Oriental Jazz
(Eigenaussage) ist ganz anders als der von Gilad Atzmon, mehr im Weltmusikalischen
verhaftet. „Ashure“ wird angerichtet, die süße
türkische Suppe mit zwölf Zutaten. Sie stammen aus dem Nahen
Osten und der ganzen Mittelmeer-Region. Rhythmen aus dem Balkan, Brasilien,
Nordafrika und dem vorderen Orient bilden ein dichtes Geflecht, auf dem
Annette Maye (cl, bcl) ihre Melodien aufbaut, die Gürkan Balkan
mit metallischen Akkorden auf der Cümbü-Laute zurückhaltend
umspielt. Ramesh Shotham als Gast auf vier Stücken steuert neue
Klangfarben bei. Paolo Fresu/A Filetta Corsican Voices /Daniele di Bonaventura: Mistico
Mediterraneo Bewegliche Stimmführung ist das Signum der Vokalpolyphonie auf Korsika.
Die Mittelmeerinsel hat, wie in unmittelbarer Nachbarschaft auch Sardinien,
wo der Jazz-Trompeter Paolo Fresu geboren ist, eine indigene Gesangskunst
aus archaischer Zeit bewahrt, die vom Ensemble A Filetta für die
Gegenwart progressiv modifiziert worden ist. So entstehen Kontaktstellen
zu Extempores, um korsischem „Mistico Mediterraneo“ auf die
Spur zu kommen. Mystische Statik umgibt schon zu Beginn den „Rex
Tremendae“ (schrecklichen König), wenn Daniele di Bonaventura
mit dem Bandoneon und Paolo Fresu an elektrischer Trompete dissonante
Klangkleckse in kompakte Stimmkathedralen mischen. Dabei übernimmt
das Instrumental-Duo bei diesem Programm die Aufgabe, verborgene Realien
hervorzuholen, indem es den „Liberata”-Gesangsblock aufbricht,
die Akkordik lockert und zum Swingen bringt, um sich dann per Leitton-Übergang
dem Chor wieder anzuschließen. Eine andere Methode ist, den A-Filetta-Gesang
als riesigen Bordun-Blasebalg für eine Bandoneon-Fiesta im 3/4-Metrum „Da
tè à mè” und lyrischem Flügelhorn-Solo
zu nutzen. Die Verflechtungen von Komposition und Improvisation haben
dabei kein festes Muster, aber stets originelle Facetten. Etwa wenn
aus dem tiefen tibetischen (sic!) „Le lac” Zirkularmotiv
ein hymnisches Tenor-Solo steigt und von Bandoneon und Trompete sublim
dekoriert wird. Oder das „Gloria” als Stepp-Vokalise erscheint,
die elektrische Trompete fill-ins antreibt, und gar frivol ist „La
folie du Cardinal”. Da ist also manchmal eine gewisse Ironie in
diesen Mysterien korsischer Polyphonie. Zumal die Männerstimmen
von A Filetta (der Name bedeutet: Farn) kein geschliffenes, sondern ein
raues Timbre haben, weshalb sowohl sakrale als auch profane Genres nicht
unbedingt devot klingen. Vielmehr ist die humane Kraft der Akteure dominant.
Ihr Selbstbewusstsein bereitet erst die Basis für Fresu und di Bonaventura,
in respektablem lyrischen Stil zu Partnern zu werden. Sie können
ihre Jazzidiome somit unaufdringlich anpassen, den Chor um eine Perspektive
erweitern, die wesensgleich ist. That‘s
a plenty Vier deutsche Dixieland-Bands mit insgesamt 25
Titeln, mit spürbarer
Begeisterung gespielt – was man bei heutigen jungen Modern-Gruppen
oft vermisst. Manche der damaligen Musiker waren schon auf dem Weg zum
Profi, so Klaus Doldinger und Heinz Schellerer (der auf den Titeln 9
bis 12 als Klarinettist glänzt). Sehr überzeugend die „Tow
Beat Stompers“ mit Horst Lippmann, bei einem Titel auch mit
Emil Mangelsdorff und Joki Freund. Leider ist der Untertitel der CD (Trad
Jazz) irreführend: So wird eine kommerzielle Richtung des englischen
Dixieland Jazz bezeichnet (meist mit überlautem Banjo). Keine der
Gruppen auf unserer CD klingt so. Hauschka Was für ein Klavier! Mal klingt es nach Schlagzeug, mal nach Gitarre,
dann wieder flirrend elektronisch oder wie das Knistern einer alten Vinylscheibe.
Der Düsseldorfer Klangkünstler Volker Bertelmann zäumt
seinen Konzertflügel zu einer Art Mini-Orchester auf. Mit allerlei
Gegenständen macht er sich in dessen Bauch zu schaffen: mit Alu-Folie,
Bierdeckeln, Wäscheklammern oder gar einem Vibrator. Dass man die
Herkunft all dieser klirrenden oder raschelnden Nebengeräusche nicht
verorten kann, verleiht dem Sound eine mystische Atmosphäre.
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