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In den späten 30ern war der Jazz die Popmusik der westlichen Welt. Swing-Festivals zogen 100.000 Besucher an, Bigband-Leiter füllten die Promi-Klatschspalten und warben für Zigaretten und Kaugummi. In gigantischen Tanzpalästen hotteten junge Menschen den Jitterbug, die Petticoats flogen beim Saltowurf und die Orchester ratterten dazu wie fantastische Zaubermaschinen aus einem Disney-Cartoon. Dann entdeckten die Tänzer aber, dass man sich auch zu primitiveren Klängen rhythmisch bewegen kann, die Bigband-Musiker zogen sich beleidigt zurück und erfanden zum Trotz den Modern Jazz. Von nun an war jeder ein erbitterter Einzelkämpfer am Instrument, schlug sich mit seiner tönenden Waffe schwitzend und stinkend durch Akkordlabyrinthe und Labelverträge, focht gegen freche Herausforderer, Kritiker und Barkeeper, schlug mit Drogen, Alkohol, Autos und Weibern die Zeit tot und fürchtete weder Gott noch die ASCAP. Diesem Heldenmut verdanken wir die Höhenflüge des Bebop, die Triumphe des Hardbop, die Gelassenheit des Cool Jazz, die Virilität des Soul Jazz, die halsbrecherische, elektrische Tempofahrt des Fusion-Jazz. Heute kämpft keiner mehr und der Niedergang des Jazz ist unaufhaltsam. Was sind wir Männer doch für Weicheier geworden! Wir trinken knallbunte Kindercocktails, schlüpfen in kuschelweiche Teddyjacken, achten auf die Farbe unserer Socken, zupfen uns die gegelten Haare zurecht, legen sorgfältig den Sicherheitsgurt an, rauchen nicht mal mehr Light-Zigaretten, sind immer pc und zeigen Verständnis für jeden armen Idioten. Wir, die ehemaligen Terroristen der Bolzplätze! Das Kämpfen überlassen wir schon lange Bruce Willis und Jean-Claude Van Damme und verstecken uns mit einer Diät-Cola und gezuckertem Popcorn in unserem Kinositz. Höchste Zeit, dass einer ein Signal gibt! Bruce Willis, der in einem Kontrabass Pumpguns schmuggelt und mit einem Tenorsaxophon Aliens erschlägt: Das wäre ein Weckruf für schlafende Jazzhelden. Rainer Wein (rainer.wein@gmx.net) |
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