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Erst die „jazzahead!“ als Messe und Festival in Bremen, dann die Ankündigung für eine Jazzkomm. als Teil der nächsten Popkomm. in Berlin und nun noch der „Echo Jazz“ in Bochum – Fans und Musiker können sich fühlen wie im siebten Jazz-Himmel. So viel Jazz gab’s noch nie.
Bochum ist sicherlich nicht der Jazz-Nabel der Welt, aber die ehrwürdige Jahrhunderthalle als imposantes Industriedenkmal gibt für jedes Jazzkonzert eine gute Kulisse ab – Swing trifft hier auf Stahl. So hatte Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz in ihrer Begrüßungsrede keine Schwierigkeit, den großen Bogen zu schlagen, wobei ihr die Kulturhauptstadt Europas 2010 (Essen und das Ruhrgebiet) zu Hilfe kam, deren zwei wichtigste Protagonisten, Fritz Pleitgen und Oliver Scheytt, sich als Gäste zusammen mit Staatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff die Ehre gaben. Dieter Gorny als Chef des gastgebenden Bundesverbandes der Musikindustrie verstand es in seiner Einleitung wie immer, globale Kulturpolitik und Bedeutung der Kreativität verbal zusammenzu-schweißen und den Jazz als das Paradebeispiel von künstlerischer Erfindungsgabe zu betrachten. Und so folgten dann die Preisträger Schlag auf Schlag, wie man es ansonsten nur von Grammys und Oscars gewohnt ist. Telegen erschienen die Laudatoren, wenn auch mal mehr, mal weniger gut vorbereitet – brillant Götz Alsmanns Beitrag für Paul Kuhn, witzig Piet Klockes Worte für Céline Rudolph, persönlich die Ansprache von Uwe Ochsenknecht an Klaus Doldinger, ausgefallen das Laudatoren-Duo Cassandra Steen und Sido für Michael Wollny, erfahrungsreich die Worte von Helmut Zerlett für das Vijay Iyer Trio, schön die Gesten von Helen Schneider für Wolfgang Haffner, der seinen Preis Albert Mangelsdorff widmete – Jazz-Szene begegnete Show-Biz. Das hatte seinen Reiz und es wurde – das kennt man auch anders – nicht langweilig, vielleicht auch wegen der – leider oft kurzen – musikalischen Einlagen, immerhin dargeboten von der einfühlsamen Vokalistin Dee Dee Bridgewater, dem „Shooting Star“ Silje Neergard über das „schräge“ Curtis Stigers Quartett bis hin zum funkigen Nils Landgren mit Band. Paul Kuhn brach eine Lanze für die frühen Schlager der zwanziger bis vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts – wegen ihrer rhythmischen und harmonischen Jazzaffinität, spielte dann aber selbst: „Fly Me To the Moon“, während Götz Alsmann mit einem behutsamen „Ganz leis erklingt Musik“ ein wenig auf Kontrast eingestellt war, was der Veranstaltung zusätzliche Farbe gab. Dass James Last seinem Freund aus alten Jazzertagen Paul Kuhn den Preis persönlich überreichte, erweiterte rein stilistisch den Jazzbegriff ganz gewaltig. Aber immerhin hat er vielen Jazzmusikern gut bezahlte Arbeit gegeben. Die zwei neben Albert Mangelsdorff wohl international bekanntesten Jazzmusiker aus Deutschland wurden posthum geehrt: Peter Herbolzheimer und Charlie Mariano. Beide waren erst kurz zuvor gestorben. Mariano stand für die Attraktivität und Offenheit des Jazzstandortes Deutschland und Herbolzheimer würde sich gefreut haben, gleich fünf erfolgreiche BuJazzO-Absolventen geehrt zu sehen: Neben den schon erwähnten Céline Rudolph und Michael Wollny noch Trompeter Frederik Köster und Kontrabassist Henning Sieverts, der sich auch für sein selten geehrtes Instrument bedankte. Erwähnen müssen wir hier auch Moderator Till Brönner, dessen Karriere mit der Gründung des BuJazzO 1987 überhaupt begann – im Schüleralter. Brönner schlug sich als Moderator tapfer, hat aber noch Entwicklungspotential. Dass er keinen Ton auf der Trompete spielen würde, erwähnte er etwas zu häufig. Das Publikum hätte es ihm gerne gegönnt, und er sich selbst wahrscheinlich auch. Man konnte gleichsam spüren, dass sich Jazzfans wie Jazzmusiker erst noch an dieserart fernsehgerechte Darbietung gewöhnen müssen. Fernsehpräsenz verlangt halt Zugeständnisse. Das Ausmaß der Beleuchtungseffekte verursacht eine gewisse Ablenkung von der Musik; eine Aufführungspraxis, die aber bei den großen Festivals bereits Einzug gehalten hat. Die Jazz-Zeiten im Fernsehen sind ja immer mehr zurückgegangen – das war in den Jahren des ZDF-Jazzclubs und Bios Bahnhof mit der Herbolzheimer Bigband noch anders. Andererseits findet man durchaus seinen Fernseh-Jazz, der allerdings angesichts mehr als reichhaltiger Senderfülle erst gefunden werden muss. Trotz alledem ist dem Technikteam ein großes Lob auszusprechen, denn der Wechsel auf der Bühne musste im Schnelltempo passieren, worunter der Sound aber nicht gelitten hat. Am Ende der Parade traten dann einige vorzugsweise hinter den Kulissen agierende Urgesteine zum Preisempfang ans Rednerpult: Karsten Jahnke, Sigi Loch, Claus Schreiner als die Meister der Verbindung von Jazz und Marktwirtschaft.Letzterer hatte seinerzeit 1973 in Marburg – übrigens zusammen mit Doldinger und Mangelsdorff - die erste Musikergewerkschaft hierzulande, die Union Deutscher Jazzmusiker gegründet. Die Ausschreibung zum Jazz Echo verlangte Bewerbung mit zurückliegenden aktuellen CD-Einspielungen oder ähnlich greifbaren Produkten. Die Preise gingen zwar an die Künstler, die aber stets brav ihre Labels erwähnten, in diesem Falle mehrheitlich zwei, nämlich Act und Enja-Records, aber auch Traumton und – nicht zu vergessen – Concord aus Kalifornien. Zum Schluss gab Dieter Gorny die Frage von Till Brönner zur Zukunft des Jazz Echo an das Publikum weiter, dem hier nichts anderes übrig blieb als positiv zu reagieren. Egal wie es kommt: An Talenten und hervorragenden Produktionen wird es keinen Mangel geben, dafür ist die Nachwuchsförderung auf allen Levels in Deutschland sehr weit entwickelt – innerhalb, aber vor allem auch außerhalb der Musikhochschulen. Dafür sorgen die Preisträger und ihre Mitmusiker im übrigen schon selbst, denn viele unterrichten in Institutionen und privat, oft im größeren Maße als sie rein künstlerisch tätig sind bzw. sein können. Aber die Realität des Jazzmusiker-Alltags hatte man in Bochum bewusst draußen gelassen. Und so wurde anschließend noch bis zum frühen Morgen ausgelassen gefeiert und geredet, gegessen und getrunken – musikalisch eingestimmt durch die Abschluss-Session der jungen Preisträgerriege mit einer Jazzversion von Herbert Grönemeyers „Mensch“. Peter Ortmann Live-Twitter und vieles mehr unter http://blogs.nmz.de/jazz/ |
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