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Jazzzeitung

2010/03  ::: seite 4

berichte

 

Inhalt 2010/03

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig Jazzlexikon: Naomi Susan Isaacs Farewell: Herb Ellis / Lena Horne


TITEL -
Stimm-Recht
Bobby McFerrin, Michael Schiefel, Theo Bleckmann & Co


DOSSIER -
Der Spaziergänger von Hollywood
Der Komponist Harold Arlen


Berichte

Jazz ECHO-Verleihung in Bochum // Internationale Jazzwoche Burghausen 2010 // Jazzahead 2010 // Tim Allhoff Trio erhält Neuen Deutschen Jazzpreis // Sylvie Courvoisier und Mark Feldman im Théatre Vidy in Lausanne // Schweizer Trio Rusconi nähert sich dem wilden Punk-Rock von Sonic Youth


Portraits

Martin Kälberer // Jacques Loussier // Charlie Parker // Lisa Wahlandt


Jazz heute und Education
Das Groove Research Institute Berlin // In Münchens Jazzszene etablieren sich neue Spielorte // Festivals in Frankreich: Blick ins Paradies? // Abgehört: Kurt Ellings Verse über ein Solo von Dexter Gordon

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Kunst und Krach

Das Schweizer Trio Rusconi nähert sich dem wilden Punk-Rock von Sonic Youth

Nur wenige Rockbands sind im Jazzlager so angesehen wie Sonic Youth. Die Band, die der Rolling Stone als „Könige des amerikanischen Independent-Underground seit Mitte der Achtziger“ bezeichnete, hat unsere Klangwahrnehmung unwiderruflich verändert. Die rabiate, gewalttätige Krach-Musik reizt die Extreme des Gitarrendröhnbereichs aus.

Sonic Youth arbeiten mit Rückkopplungen, Interferenzmustern, haarsträubenden Dissonanzen und chaotischen Improvisationen. Allerdings sind sie auch beseelten Pop-Melodien nicht ganz abgeneigt, was ihrer Musik eine schillernde Vieldeutigkeit und die ehrenvolle Bezeichnung „Kunst-Punk“ verliehen hat. Aber bei aller Hochachtung auf Seiten des Jazzlagers – adaptiert von Jazzern wurde die Musik der New Yorker Vierergruppe um Thurston Moore und seine Frau Kim Gordon bislang kaum.

Diesen Zustand ändert nun das Schweizer Ensemble Rusconi, das sich der Musik von Sonic Youth auf einem nicht gerade nahe liegenden Weg nähert: Es übersetzt deren energiegeladene Gitarrenfront in ein akustisches Klaviertrio. Das Ergebnis ist das neue Album mit dem Titel „It´s a Sonic Life“.

Der Pianist Stefan Rusconi brachte das Projekt ins Rollen. Eines Tages brannte er seine 30 Lieblingssongs der Band auf eine CD und brachte diese mit in die Proben. Das Ganze darf man sich aber nicht so vorstellen, als würden hier drei Fans die Musik ihrer Lieblingsband covern. Rusconis Bandkameraden, der Bassist Fabian Gisler und der Schlagzeuger Claudio Strüby, kannten Sonic Youth vor der Arbeit an dem neuen Album nur wenig. Das erwies sich jedoch sogar als Vorteil. „Wären wir nur Leute wie ich, die Sonic Youth seit 15 Jahren intensiv hören, wäre unser Umgang mit dem Material längst nicht so kreativ“, meint Stefan Rusconi. „Im Probenprozess konzentrierten wir uns ganz auf uns selbst und hatten bald das Gefühl, eigene Stücke zu spielen.“ Auf Kontakt zu den Sonic-Youth-Mitgliedern legten die Rusconi-Musiker während der Arbeit an dem Album deshalb gar keinen Wert.

Die neuen Stücke entfernen sich oft weit vom Original. Einige funktionieren wie Coverversionen, andere heben nur einzelne Elemente der ursprünglichen Songs hervor. Bei „The Destroyed Room“ etwa gelang die Übersetzung der Krach-Ästhetik von Sonic Youth derart überzeugend, dass der Hörer sich fühlt, als würde ein Bohrer durch seine Schädeldecke dringen. Zuweilen aber übernahmen Rusconi lediglich eine Stimmung oder den Groove. Drei Eigenkompositionen, die sich in die verjazzte Sonic-Youth-Klangwelt bestens integrieren, runden die Platte ab.

Das ausgewogene Album täuscht darüber hinweg, dass der Wechsel vom rabiat verstärkten Gitarrengewitter zum gänzlich akustischen und dazu noch gitarren- und gesangsfreien Trio ein steiniger Weg war. „Bei vielen Stücken waren die Originale einfach zu langsam“, erinnert sich Stefan Rusconi. „Wir haben nicht diesen Druck, den eine Rockband auf die Platte bringen kann. Und wir haben nicht die Stimme, die eine Geschichte erzählt. Wir mussten Wege finden, die Langweile zu umgehen, die entstehen kann, wenn drei Instrumentalisten diese Songs interpretieren.“

Rusconi fanden ganz verschiedene Wege, diesem Dilemma zu entgehen. Mal zogen sie im Tempo kräftig an, dann wieder verliehen sie den Songs die kühle Aura elektronischer Musik. Einige Stücke wurden durch improvisierte Einlagen verdichtet. Dann wieder arbeiten Rusconi mit einer langsamen Einleitung und lassen die Musik ganz allmählich in Fahrt kommen.

In welcher Stil-Schublade er sich bewegt, ist Stefan Rusconi egal. „Es kommt nicht darauf an, ob das Pop, Rock oder Jazz ist. Es geht nur um die Energie und die Emotionen, die man übertragen kann.“ Deshalb haben Rusconi auch keine Vorbehalte, in Rock-Clubs aufzutreten. „Manchmal sind die Leute dort anfangs skeptisch“, meint der Pianist. „Aber wenn sie dann merken, dass da Musik gelebt wird, springt der Funke über.“

Es ist vor allem der Pianist, der den Energiefluss der Musik am Laufen hält. Mal beschränkt er sich minimalistisch auf die rechte Hand, dann wieder verfällt er in üppige, vollgriffige Akkorde – aber stets behält sein Spiel rhythmischen Drive und unterschwellige Sprengkraft. „It´s a Sonic Life“ ist kein Cover-Album, sondern eine Liebeserklärung an die große Kunst-Punk-Band mittels kreativer Eigenleistung. Das i-Tüpfelchen dieser Huldigung ist das Plattencover. Sonic Youth engagieren dafür manchmal bildende Künstler; Rusconi haben die Schweizer Künstlerin Pipilotti Rist angeheuert.

Antje Rößler

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