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Einige Wochen, bevor die Musikindustrie der deutschen und internationalen Jazzszene in Bochum beim ECHO Jazz den roten Teppich ausrollte, wurde in der Alten Feuerwache Mannheim ein nationaler Jazzpreis verliehen, bei dem das Medienaufkommen wesentlich weniger Aufsehen erregend war: Der Neue Deutsche Jazzpreis. Ein Preis, den nicht die Wirtschaft vergibt, sondern das Publikum.
Dieses zeigt sich der Ehre inzwischen würdig und findet sich nach anfänglichem Schwächeln seit fünf Jahren in stetig steigender Zahl in der Alten Feuerwache in Mannheim ein, um Jazz zu hören und mit dem Stimmzettel einen Preisträger zu küren. Auch das Interesse der deutschen Bands am mit 10.000 € dotierten Jazzpreis ist groß und die Einsendungen, die beim Veranstalter IG Jazz Rhein-Neckar e.V. eingehen, nehmen mit jedem Jahr zu. Diesmal musste man die Nominierten aus mehr als 200 Einsendungen herausfiltern. 14 Bands wurden so durch eine Vorjury ermittelt und im weiteren Verlauf des Prozederes anonymisiert an einen Kurator weitergegeben, der dann die 3 Bands für die Finalrunde vor dem Mannheimer Publikum auswählte. Mit dem kanadischen Trompeter und Flügelhornisten Kenny Wheeler konnten die Veranstalter in diesem Jahr eine internationale Jazzgröße für diese Aufgabe gewinnen. Gesundheitlich geschwächt präsentierte sich der 80-Jährige am Vorabend der Preisverleihung mit der Mannheimer Big Band Kicks’n Sticks und zwei seiner aktuellen Weggefährten, der italienischen Sängerin Diana Torto und dem Komponisten und Pianisten Paolo Silvestri, der an diesem Abend die Leitung der Band übernahm – beide waren kürzlich auch mit der WDR Big Band auf dem Jazzfestival St. Ingbert zu hören. Jazzstandards – normalerweise kein ungewöhnliches Programm für eine Big Band, in diesem Falle allerdings schon. Wheeler war immer ein produktiver Komponist eigener Musik und bisher nicht gerade als Arrangeur von Standards bekannt. Im letzten Jahr legte er mit seiner CD „Nineteen Plus One“ zum ersten Mal ein derartiges Zeugnis ab, im unverkennbaren Wheeler-Sound, der modern genug ist, um „Stella by Starlight“ oder „How Deep Is The Ocean“ ein frisches Gesicht zu geben. In der Alten Feuerwache glänzte Diana Torto mit präziser Intonation und mühelos wechselnd zwischen Strophen und solistischen Vokalisen, in denen Wheeler sie als zusätzliche Trompete agieren ließ. Der Altmeister selbst, den seine fragile Gesundheit inzwischen auf den Stuhl und spieltechnisch überwiegend auf das Flügelhorn zurückgeworfen hat, verzauberte indessen mit dem ihm eigenen brüchigen, an den späten Miles erinnernden Ton. Auf den Weg gebracht durch diese Big-Band-Startrampe konnte sich das Publikum am folgenden Finalabend ganz der kammermusikalischen Kunst des Jazztrios widmen, denn Kenny Wheeler hatte aus den 14 ihm anvertrauten Kandidaten nur ebensolche ausgewählt: Das Olivia Trummer Trio, das Wolfgang Fuhr Trio 120 und das Tim Allhoff Trio. Letzteres machte am Ende den Schnitt beim Publikum und konnte den Bandpreis für sich reklamieren, wohl auch weil die Formation um den Augsburger Pianisten den in energetischer Hinsicht packendsten Auftritt des Abends hinlegte, ähnlich wie es Klima Kalima vor zwei Jahren gelungen war. Wolfgang Fuhr hatte es mit seiner Band ohne Schlagzeuger im Vergleich dazu schwer, wobei hier die Kompositionen durchaus ansprechend und interessant waren und vor allem Dietmar Fuhr am Kontrabass mit wunderbar klarem Sound und bestechender Technik auffiel. Den ebenfalls vom Publikum bestimmten Solistenpreis im Wert von 1.000 € sicherte sich aber Drummer und Perkussionist Bodek Janke, der mit dem Trio von Olivia Trummer angereist war. Anders als beim prestigeträchtigen ECHO Jazz gibt es beim Neuen Deutschen Jazzpreis noch ein gewisses heiteres Spannungsmoment, wenn die Helfer der IG Jazz mit den als „Wahlurnen“ fungierenden Schuhschachteln die Runde machen und anschließend hinter der Bühne die Stimmen ausgezählt werden. Die Wartezeit bis zur Verkündung der Preisträger verkürzt man allerdings auch hier ganz stilecht mit Kanapees und Sekt, soviel Snobismus muss sein. Inzwischen sitzen die Mannheimer Sponsoren des Neuen Deutschen Jazzpreises als langfristige Begleiter der Veranstaltung recht fest im Sattel und eine erneute Teilnahme im kommenden Jahr wurde bereits zugesichert. Der Mannheimer Jazzpreis darf sich zu seinem fünften Jubiläum also als Erfolgsmodell sehen und auch wenn die Preisvergabe durch das Publikum nicht ganz frei von Möglichkeiten der Einflussnahme ist, freut man sich doch, dass es einen deutschen Jazzpreis gibt, bei dem nicht der Markt bestimmt, wer am Ende als Sieger vom Podest steigt. Wobei, vielleicht gibt es da ja doch gewisse Wechselwirkungen? Im letzten Jahr hieß der Gewinner des Neuen Deutschen Jazzpreises in beiden Kategorien Frederik Köster und ebendieser hat nun in Bochum als „Bester Trompeter national“ den ECHO Jazz eingeheimst. Vielleicht sollte sich Tim Allhoff schon einmal einen Smoking zulegen... Jörg Lichtinger |
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