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„Von allen Gitarristen, die einmal als Django Reinhardt-Kopien begonnen haben, hat es nur mein Freund Biréli Lagrène geschafft, aus dem Schatten des großen Vorbilds zu treten und ein ganz großer, eigenständiger Stilist auf der Gitarre zu werden. Er ist die große Ausnahme.“ Richard Galliano hat es kürzlich in einem Interview für nmz-Online auf den Punkt gebracht: Die künstlerische Entwicklung des Biréli Lagrène ist für einen vom Gypsy-Jazz herkommenden Gitarristen beispiellos. Eine besonders prägnante Wegmarke war dabei das vor zehn Jahren erschienene Album „Duet“ mit dem technisch nicht weniger aberwitzigen Sylvain Luc. Wie der Multiinstrumentalist Lagrène selbst, so beherrscht auch Luc das Spiel auf der Bassgitarre, vielleicht ein entscheidender Punkt für die Zusammenarbeit der Beiden. Man traute seinen Ohren kaum, als man hörte was Luc damals an rhythmischen Kniffen aus seiner akustischen Gitarre herausholte, wie Lagrène davon befeuert wurde und seinerseits den Solisten Luc anstachelte. Zehn Jahre und viele gemeinsame Konzerte später scheinen Lagrène und Luc die zwölf Saiten ihrer beiden Gitarren endgültig auf einem einzigen Resonanzkörper zusammengespannt zu haben. Was sie auf ihrer zweiten gemeinsamen Scheibe „Summertime“ (wieder bei Dreyfus) an Verzahnung der Melodieverläufe, an fließendem Wechsel zwischen Solo- und Nebenstimmen, an Groove-Varianten und rhythmischen Kleinstverschiebungen mit der Selbstverständlichkeit und Nonchalance einer spontanen Session aus dem Ärmel schütteln, geht noch einmal einen kaum zu erwartenden Schritt über das Album „Duet“ hinaus. Ein einziger, harmonisch uneindeutiger Akkord genügt, um mit dem Titelstück ein schwüles sommerliches Flirren hochzuköcheln. Chromatische Umharmonisierungen, scharfes Vibrato, Flageolets und die für das Duo typischen Slap-Passagen steuern die Neubesichtigung des viel geschundenen Standards in funkige Gewässer, bis Luc mit abgedämpften Bassgängen den Puls wieder herausnimmt. Bei „So what“ scheint plötzlich eine Rhythmusgruppe eingestiegen zu sein, was Luc die Sicherheit gibt, aus dem Grundtempo auszubrechen; die Achttakter fliegen in einem Tempo hin und her, das Lagrène einen Japser abnötigt. So könnte man die Dramaturgie aller zwölf Songs eines Albums nacherzählen, das mit „On the Fourth of July“, „My one and only love“, „All the things you are“ und – als zentrale Ballade zelebriert – „Can’t take my eyes of you“ auch zurückgenommene oder aus der Ruhe heraus gesteigerte Momente bietet. Zur Höranregung vielleicht noch so viel: Bei „Wave“ ahnt Luc das Ende von Lagrènes Solo voraus und spielt die letzte Phrase versetzt mit, Lagrène baut ein verhuschtes Paganini-Zitat (das berühmte Thema der 24. Solo-Caprice) ein. „On Green Dolphin Street“ wandelt Luc mit einem rätselhaft-fahlen Sound voraus, sein Solo begleitet Lagrène zwischen Ostinato-Pendeln, Akkordarbeit und Walking Bass. Chick Coreas „Spain“ schließlich muss man gehört haben, um den mediterranen Drive zu erleben, den zwei Gitarren entfesseln können. Im Umfeld dieser auch klangtechnisch kaum zu toppenden Aufnahme, haben es Axel Fischbacher und Markus Wienstroer natürlich schwer. Auch sie haben sich auf ihrer bei Inner Light Music erschienenen CD nach „Spain“ begeben, eine Version, die man gerne hört, die aber neben Lagrène/Luc verblassen muss. Doch bilden die beiden gefragten Studiomusiker zweifellos ein ausgezeichnetes Duo, das sich stilsicher und mit feinen Soli zwischen dem Bebop Charlie Parkers, den harmonischen Verzweigungen eines „Freedom Jazz Dance“ und einem abgeklärten „All Blues“ bewegt. Explosive Interaktion ist hier nicht zu erleben, aber dem Charme der „Little Suede Shoes“ erliegt man nur allzu gerne. Juan Martin Koch
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