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Diese Szene war sympathisch und stellvertretend für Verlauf und Idee der 7. Bundesbegegnung „Jugend jazzt“ in Hannover: Bundesjugendministerin Ursula von der Leyen, die gerade ihre Festrede gehalten und allen Teilnehmern ihre Urkunden überreicht hatte, erkannte angesichts der auf dem Podium herumstehenden musikalischen Hundertschaft die Probleme der Fotografen und setzte sich ganz pragmatisch auf die Bühnenkante – so gestaffelt war es allen möglich, in die Kameras zu lächeln. Hier stand sie also, die Familie der talentiertesten und kreativsten Jungjazzer Deutschlands, mitten im prunkvollen Galeriegebäude der Königlichen Gärten Herrenhausen. Die Landeshauptstadt Niedersachsens hatte überhaupt für die fünf munteren Tage einen attraktiven Rahmen geboten.
Hervorzuheben ist, dass sich der Gedanke des bewusst mit „Begegnung“ titulierten Wettstreits vom 10. bis 14. Juni in Hannover gleich in mehreren Dimensionen vollzog. Schon am Mittwoch, als die 14 Landessieger noch im Begriff der Anreise zur „Deutschen Meisterschaft“ waren, begegneten sich die 14 Jazzexperten, die die Jugendlichen zu bewerten, zu beraten und zu trainieren hatten, bei einem kompletten Probentag im hannoverschen Jazz-Club. Sie hatten erbeten, sich intensiver als sonst auf ihren eigenen künstlerischen Beitrag in dieser einmaligen Konstellation vorzubereiten. Und das war eindeutig zu hören, als dann am Samstagabend im Theater am Aegi Céline Rudolph gurgelte und exotische Laute hervorbrachte, Jo Thönes die Schlagzeugtrommel streichelte, Hubert Nuss Akkordlandschaften auf den Flügeltasten ausbreitete und Frederik Köster elegant durch die Harmonien trompetete. Hier war zwischen modalem Feingeist, schlankem Bebop und kraftvoll-hymnischem Finaltutti große Teamgeschlossenheit zu vernehmen. Unter dem Motto des Abends „German Jazz Generations“ gesellten sich mit Altsaxophonist Emil Mangelsdorff, Vibraphonist und Bassklarinettist Gunter Hampel und Drummer Bill Elgart „Senioren“ zu Deutschlands aktuellen Jazzprotagonisten. Begegnung exerzierten die „Jugend jazzt“-Preisträger auch im abendlichen Rahmenprogramm, wo sie in Doppelkonzerten auf Aktivposten der hannoverschen Szene stießen, was oft zu einem länderübergreifenden Session-Ausklang führte. 22 Konzerte gab es rund um den eigentlichen Wettstreit. Im Möbelhaus „SofaLoft“ wurde der zupackende Triojazz des bayerischen Landessiegers „Trafo“ von Andy Mokrus’ Solo-Klavierlyrik gekontert, im Jazzclub begann Niedersachsens Landesmeister „News from the North“ vor dem Quartett zweier hannoverscher Roger-Cicero-Mitstreiter (Hervé Jeanne, Kontrabass, und Stephan Abel, Saxophon) und zweier JurorInnen (Sandra Hempel, Gitarre, und Jens Düppe, Schlagzeug). Die zwei Duos „The Freaky Fingers“ (zwei Gitarristen aus Sachsen-Anhalt) und „Trompiano“ aus Hannover ergänzten sich auf dem Parkett des Musikschulsaals, gar drei Duos gestalteten einen Kammermusik-Abend im Bechstein-Center, unter ihnen die Jurorinnen Julia Hülsmann (Klavier) und Angelika Niescier (Altsaxophon). Im jazzbegeisterten Restaurant „Reizz“ reichten Brandenburgs und Bayerns Vertreter musikalische Delikatessen. Selbst im „Hermannshof“ im 25 Kilometer auswärts gelegenen Völksen am Deister musizierten und beeindruckten die Jazztalente, wobei Sachsen-Anhalts Optionsmeldung „Halle-Percussion-Ensemble“ aufgrund seiner fast maschinengetreuen Exaktheit einen nachhaltigen Eindruck hinterließ. Kurz vor Mitternacht, wenn das Workshopabschlusskonzert der Musikhochschule mit Alexander von Schlippenbach gelaufen war oder die neue Bigband „Fette Hupe Hannover“ auf die Landessieger aus Hamburg oder Bremen geantwortet hatte, hieß es „Open Stage“ im Club „Marlene“, und die Profis kamen dazu: Hannovers führende Kräfte wie Stephan Abel (Saxophon), Jörn Marcussen-Wulff (Posaune) oder Elmar Braß (Klavier) jammten mit den Bundesexperten Pepe Berns (Kontrabass), Werner Neumann (Gitarre), Frederik Köster (Trompete) und Michael Küttner (Schlagzeug). Auch an den anderen Sessionplätzen Hannovers, im „GiG“ und im „Kulturpalast“, ertönten zu später Stunde Blue Notes in Mixbesetzung. Auch sonst fühlten sich die Talente Deutschlands in Hannover gut aufgehoben. Bürgermeister (und Jazzclub-Chef!) Bernd Strauch begrüßte zum Eröffnungsempfang im Neuen Rathaus und vermittelte Einblicke in Hannovers lange Jazztradition. Die Hauptstelle der Musikschule der Landeshauptstadt Hannover im Haus der Jugend öffnete so gut wie alle Unterrichtsräume für den Workshop am Samstag tagsüber mit allen Bands und allen Experten. Die Tellkampfschule am Maschsee, Partnerschule des Jazzclubs, bot mit modernisierter Aula und kuscheligem Musikraum optimale Bedingungen für den Wertungsvortrag. Der Deutschlandfunk schnitt alle Wertungen und das Expertenkonzert mit und brachte inzwischen eine lange Radionacht zu „Jugend jazzt“. An einem freien Nachmittag gaben sich die Teens und Twens bei einer Bootsfahrt über den Maschsee und einer Grillparty im Garten der Internationalen Jugendherberge am Ihmeufer der Muße hin. Professionelle Unterstützung leistete der Landesmusikrat Niedersachsen, der über ein eigenes Jazzreferat verfügt, im Land der „vorbildlichen Jazzförderung“, wie die Redner der Abschlussmatinee hervorhoben. Der Träger der Veranstaltung, der Deutsche Musikrat, wartete mit seiner Führungsetage auf: Neben Projektgeschäftsführer Dr. Peter Ortmann waren Präsident Martin Maria Krüger (Abschlussveranstaltung) und Vizepräsident Hans Bäßler (Eröffnungsempfang) zugegen. Finanziell unterstützt wurde die 7. Bundesbegegnung vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, vom Land Niedersachsen, von der Niedersächsischen Lottostiftung, der Niedersächsischen Sparkassenstiftung, der Sparkasse Hannover und der Landeshauptstadt Hannover. Und wer hat nun eigentlich gewonnen? Alle, denn Preise erhielt jede der Gruppen, nur manche waren gleicher als andere! Eine Einladung zum zentralen Jazz-Workshop im Sommer 2010 werden alle Teilnehmer-Ensembles erhalten. Mentorenpreise sprangen heraus für „Quartet No. 2“ aus Sachsen, „News From The North“ aus Niedersachsen und „Cinematic Experience“ aus Nordrhein-Westfalen. Konzertpreise verbuchten „News From The North“ aus Niedersachsen, „Trafo“ aus Bayern, „Cinematic Experience“ aus Nordrhein-Westfalen, „Freaky Fingers“ aus Sachsen-Anhalt und „Silence Polution“ (drei Dänen!) aus Schleswig-Holstein für sich. Die höchstwertigen Würdigungen gab es für die zwei Bands, die beim Preisträgerkonzert auch am offensichtlichsten herausgestellt wurden, und zwar „Quartet No. 2“ aus Sachsen (Matti Oehl, Jahrgang 1990, Saxophon; Julius Eberhard, 1991, Klavier; Julian Hahn, 1989, Kontrabass; Paul Immel-Kandl, 1991, Schlagzeug) mit dem Recording-Preis bei FWL in Leipzig und – der Bundessieger! - „Besaxung“ aus Hessen (Philipp Gerschlauer, Jahrgang 1986, Saxophon; Felix Rosskopf, 1989, Klavier; Oliver Lutz, 1986, Kontrabass; Thomas Sauerborn, 1987, Schlagzeug) mit dem Studiopreis des Deutschlandfunks. Die Experten schauten sich auch Solisten an, die belobigt werden konnten: Solistenpreise in Form von Einzelunterricht bei einem namhaften Dozenten sprangen heraus für Philipp Gerschlauer (Saxophonist bei „Besaxung“ aus Hessen), Matthias Petri und Matias Andreasen (Bassist und Schlagzeuger bei „Silence Pollution“ aus Schleswig-Holstein), Konstantin Döben (Trompeter bei „Cinematic Experience“ aus Nordrhein-Westfalen) sowie Julius Eberhard und Paul Immel-Kandl (Pianist und Schlagzeuger bei „Quartet No. 2“ aus Sachsen). Ein Stipendium für das Bundesjugendjazzorchester (BuJazzO) erhalten Julian Fischer (Gitarrist der „Jazz AG Kippenberg Gymnasium“ aus Bremen) und Janning Trumann (Posaunist bei „News From The North“ aus Niedersachsen). Johannes Klose |
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