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Wie steht es um den Jazz? Welchen Entwicklungslinien folgte er in den letzen Jahrzehnten? Gibt es überhaupt den einen Jazz? Vor dem Hintergrund einer sich seit den 50er-Jahren verstärkt durchsetzenden Tendenz, die Jazz als prominentes Element der sogenannten Weltmusik betrachtet, beschäftigte sich das zehnte Darmstädter Jazzforum mit Fragen zur Positionsbestimmung des Jazz in einem internationalen, globalisierten Kontext. Die insgesamt dreizehn sehr kurzweiligen Beiträge renommierter Musiker, Musikwissenschaftler und Journalisten diskutieren das Thema Jazz in seiner Kontextgebundenheit, deren Komplexität sich aus der Einbettung in unterschiedliche lokale und traditionelle Musikformen speist. Einen Einstieg in medias res in das Titelthema liefert Andrew W. Hurley. Der Ansatzpunkt Joachim Ernst Berendts, der in den 60-er Jahren mit seinem Projekt „Jazz meets the world“ Begegnungen zwischen europäischen Jazzmusikern und asiatischen sowie afrikanischen traditionellen Musikern organisiert hatte, dient ihm als Beispiel für eine mögliche Charakterisierung von Jazz als Weltmusik. Den theoretischen historischen Unterbau dieses arrangierten kulturübergreifenden Konzepts liefert der Folgebeitrag von Martin Pfleiderer, der die Globalisierung als notwendige Variable für die Entstehung und das Fortleben des Jazz diskutiert. Neben diesen grenzüberschreitenden Modellen des Jazz, die sich laut Pfleiderer noch zu wenig etabliert haben, zeichnen Einzelbetrachtungen mehrerer Länder Europas, Lateinamerikas und Afrikas die oft konfliktreiche Entwicklung der originär afroamerikanischen Musikform vor dem Hintergrund zum einen lokaler Musiktraditionen wie Tango und Flamenco, zum anderen vorhandener politischer Schemata nach. Dass der europäische Jazz – dargestellt anhand der Personalstile Harry Becketts, Tomasz Stánkos und Enrico Ravas sowie des spanischen Flamenco Jazz – zum Teil dem gleichen Konkurrenzdruck regionaler oder US-amerikanischer Musikelemente ausgesetzt war wie sein lateinamerikanisches Pendant, wird ebenso herausgestellt, wie die Überwindung dieser Bipolarität und die Ausformung unterschiedlicher Fusionsarten wie dem Latin Jazz. Wie sehr der Jazz immer auch ein Ausdrucksmittel im Kontext politischer Spannungsfelder ist, verdeutlicht auf sehr anschauliche Weise das Beispiel des Jazz im Senegal. Jazzmusik als – zum Teil – staatlich geförderter moderner „Soundtrack der Unabhängigkeit“ (Timothy T. Mangin), der das Land aus der von der französischen Kolonisation produzierten Objektstellung befreien und in die globale Gesellschaft einführen soll, ist ein Modell, in der die Wirkungsfähigkeit des Jazz ausgelotet wird. Positiv hervorgehoben werden muss in diesem Zusammenhang die Ergänzung des Anspruchs der Forumsteilnehmer, einen Überblick über die weltweite Entwicklung des Jazz zu geben, um die Präsentation jeweils kulturspezifischer historischer und gegenwärtiger Besonderheiten sowie kulturwissenschaftlicher Konzepte, wie in diesem Fall die „Négritude“, an anderer Stelle auch der Kulturkontakt- und Stereotypenforschung. Die durchwegs übersichtlich strukturierten, detailliert aufbereiteten und mit reichem Bildmaterial versehenen Beiträge werden dem Titel des Forschungsbands allemal gerecht. Mittels unterschiedlicher Ansätze beleuchten sie das Thema Jazz und seine Offenheit zur Welt, ein Thema, zu dem, wie es abschließend der sehr kritische Artikel von Harald Justin verdeutlicht, die letzten Fragen noch nicht gestellt sind. Die größtenteils sehr ausführlichen Bibliografien zu den Berichten animieren zur Lektüre. Veronika Meindl |
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