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Der niederländische Jazz hat sich in den endsechziger Jahren wie anderswo von den amerikanischen Fesseln befreit und sich mit bisweilen skurrilem Witz und Humor Achtung verschafft. Doch längst gibt es neue, andere Facetten zu entdecken, auch wenn der Blick mitunter unkritisch zurückgeht, wie Mitte Dezember das Dutch Jazz Meeting bewies. Die Vorstellung freier niederländischer Improvisationsmusik ist gründlich zu revidieren, wenn man die 18 präsentierten Bands Revue passieren lässt. Die eindrückliche, seit 1998 alle zwei Jahre stattfindende Leistungsschau der niederländischen Szene, die im Bimhuis Amsterdam ablief, zollte der multikulturellen Gesellschaft Tribut mit Ethnoklängen unterschiedlicher Provenienz. Nicht nur der originäre Jazz und dessen improvisatorische Ausläufer standen auf dem Programm, sondern eben die derzeit heiß gehandelten Verbindungen zu allen möglichen Musiken. Immer wieder mischten sich ausländische Musiker unter die holländischen Bands, was zum einen der allgegenwärtigen Globalisierung zu schulden ist, zum anderen aber auch dem beachtlichen Niveau der fünf Jazzabteilungen der niederländischen Konservatorien, wo bis zu 80 Prozent der Studenten aus dem Ausland stammen. „Gemischte“ Gruppen gab es zuhauf. Auch viele Pianisten waren zu hören mit solidem Handwerk wie Wolfert Broderode und Bert van den Brink. Michiel Borstlap erging sich in richtungslosem Energiespiel, wegen seiner freien Eskapaden fast exotisch Achim Kaufmann. Erfreulich das Wiederhören des genesenen Pierre Courbois. Der Schlagzeuger trommelte locker eine junge Truppe vor sich her. Interessant die Spannungen zwischen Improvisation und Komposition im von Martin Fondse geleiteten Starvinsky Orkestar. Weniger spannend gab sich die ethnische Szene. Was soll man mit einem Aufguss des Buena Vista Social Club anfangen oder einem gefälligen Monk-Stück auf dem Hackbrett? Was gemischt wird, ist nicht immer bekömmlich und schmeckt fad. Manchmal gab Gesang dem Ganzen die Würze, machte es verdaulich. Die zierliche Solinger Sängerin Esra Dalfidan vermittelt geschickt zwischen Jazz und türkischer Musik mit ausdrucksstarker, klarer Stimme. Wo waren sie denn, die wahren Improvisatoren? Sie hatten ihr eigenes kleines „Fringe Meeting“, waren also an den Rand (sic!) gedrängt. Dabei wäre mit Monica Akihary, die sich im Trio vorstellte, durchaus Staat zu machen. Die indonesisch-stämmige Sängerin vermittelte mit flexibler Stimme zwischen Jazz, freier Improvisation und Ethnischem. Ergänzend zu den Veranstaltungen des Meetings präsentierten sich mehr als 100 Bands auf einem breiten, diskursiven Informationsmarkt. Man fragt sich, wie sich auf dem vergleichsweise kleinen musikalischen Territorium dieses Landes überdurchschnittlich viele Musiker zu behaupten in der Lage sind. Sie sind, so die Annahme, auf Präsenz im Ausland angewiesen. Eine wichtige Vermittlungsfunktion nimmt dieses vorbildliche Dutch Jazz Meeting ein, zu dem noch nie so viele Festivalleiter und sonstige Veranstalter aus der ganzen Welt eingeladen waren. Reiner Kobe |
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