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Wir trauern um einen guten, alten Freund: den Musikfan. Schon seit längerem war seine Gesundheit angeschlagen, denn mit Computer-Datenträgern, so genannten CDs, ist er nie richtig warm geworden. „Schallplatten bieten einfach mehr fürs Auge. Und man hat etwas in der Hand“, schrieb er selbst vor einigen Jahren in der Zeitschrift „Audio“. Mit Schallplatten (er sagte auch: „Vainel“) konnte er einschlafen und aufwachen, er konnte sie liebevoll streicheln, riechen, fast schmecken. Computer-Datenträger dagegen rührten seine Seele nicht: „CDs töteten die Liebe zur Musik“, klagte er Ende 2006 noch im „Guardian“. Wohl hatte er anfangs versucht, CD-Booklets mit den Fingern zu liebkosen und Plastikschachteln durch sein Herzblut zu erwärmen. Doch alle Mühe blieb vergebens. Beide Seiten zogen sich schließlich zurück: er ins Pflegeheim, die Musik ins Internet. Als Datensignal erwärmt sie nun nur noch die Seelen der Computer und iPods. Und an die Stelle unseres guten, alten Musikfans ist der Downloader getreten, der den Computer „bedient“ und Musik weder liebt noch sammelt, sondern lediglich austauscht. Wie Fußballerbildchen oder Restaurant-Tipps. Der Downloader verfolgt nicht die Geschicke von Bands, er liest keine Musikzeitschriften, hat sich noch nie in einem CD-Shop beraten lassen und hört auch kein Radio. Er hat nicht einmal eine Lieblingsmusik. Sein Informations-Verhalten erinnert an das des Neandertalers: Alles, was er weiß und kennt, hat er peer-to-peer erfahren, per zufälligem Datentausch, per Internet-Community und lokalem Handy-Verkehr. Die Firma Columbia startete daher 2007 die Aktion „Big Red“: digitale Mund-zu-Mund-Propaganda mit E-Mails, Blogs und Chats. Für den neuen, vernetzten Urmenschen. Statt einer gezielten Musikpromotion für den Fan. Ruhe sanft, alter Freund. Rainer Wein (rainer.wein@gmx.net) |
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