Fritz Schmücker hat noch eine Original-Eintrittskarte von 1979
für Münsters erstes internationales Jazzfestival. Man erinnere
sich: Junge Studenten wollten etwas bewegen, damit kulturell etwas geht.
Eine Verkettung von Glücksfällen bescherte dem Festival-Debüt
sofort Größen wie Dollar Brand oder Joachim Kühn. Spektakulärer
Auftakt für eine wechselvolle Geschichte, die mithalf, Jazzkultur
zu etablieren! Längst hat Improvisiertes in Theater- und Konzertssälen
Einzug gehalten. Münsters Jazzfestival leistet – vor allem
nach seinem „Relaunch“ im Jahr 1997 – seinen verlässlichen
Beitrag dazu.
Die musikalische Dramaturgie der Jubiläums-Ausgabe zeigte sich
entsprechend treffsicher und wurde dankbar vom Publikum angenommen: Da
vereinte der betont freie Modern Jazz des „Sporty Brown Trios“ krasse
dynamische Gegensätze und riss mutig ästhetische Mauern nieder.
Langgediente Protagonisten und erstaunliche Newcomer trafen aufeinander
in sensiblen, hellhörig-interaktiven Begegnungen – etwa in
Michel Godards „Cousins Germains“. Der junge Dortmund Pianist
Pablo Held debütierte als stilistisch wendiger, hochkultiviert agierender
Tasten-Improvisator im Dialog mit seiner gewaltig eruptiven Rhythmusgruppe.
Im Pausengespräch zog Fritz Schmücker Bilanz.
Jazzzeitung: Beim allerersten Jazzfestival warst du noch zahlender
Zuschauer?
Fritz Schmücker: Da war ich selbst noch Schüler. Als Studierender
kam ich 1983 dann ins AStA-Kulturreferat. Da hatte ich schon die Vision,
das Festival dauerhaft auf internationalem Niveau zu etablieren.
Jazzzeitung: Wenn wir über Festivals und ihr Publikum reden – was
war damals anders als heute? Was hat sich entwickelt?
Schmücker: Jazz war in der Gründerzeit des Festivals vor allem
ein Ding der Subkultur. Junge Besucher schwammen durch den Schlossgarten,
das gab auch mal Ärger. Die Musik war von Anfang an großartig,
der Geist drumherum jedoch anders. Niemand hätte daran gedacht,
dass Jazz mal in vermeintlichen „Spießer-tempeln“ wie
einem Theater laufen würde. Heute ist die Jazzkultur etabliert – und
ihr visionäres, ästhetisches Potenzial lebt weiter! Ich spüre
in den Konzerten, dass nach so etwas immer noch eine große Sehnsucht
besteht. Das Publikum lässt sich mit großem Vertrauen auf
Unbekanntes ein.
Jazzzeitung: Gab es Brüche, Wendepunkte?
Schmücker: Bis in die 90er-Jahre hinein haben wir
fast alle großen
Namen auf der Bühne gehabt. Die Betreiber der Halle Münsterland
reduzierten sich aber zunehmend aufs rein kommerzielle Kalkül und
wollten uns schließlich sogar in künstlerische Aspekte einreden.
Hätten wir uns darauf eingelassen, wäre die ganze Festival-Idee
in eine tödliche Spirale abgedriftet. Der Umzug ins Theater war
dann ein völliger konzeptioneller Neubeginn! Weniger Stars aus dem
angloamerikaischen Jazz – dafür viel mehr Neuentdeckungen
aus der europäischen improvisierten Musik!
Jazzzeitung: Eine deiner ganz persönlichen musikalischen Sternstunden
auf den Jazzfestivals?
Schmücker: Davon gibt es sehr viele! Eine war 2005 – als eine
italienische Banda in traditioneller, über 40-köpfiger Besetzung
gemeinsam mit Jazzern wie Pino Minafra, Michel Godard und Willem Breuker
zu einem rauschenden Fest aufspielte – das hat mich wirklich tief
bewegt!
Jazzzeitung: Hinter der Bühne arbeitet ein großes Team, damit
drei Tage lang alles läuft. Gab es besonders „anstrengende“ Künstler?
Schmücker: Zum Beispiel Don Cherry, den ich als
Musiker und Mensch sehr geschätzt habe. Er hatte einmal seine Trompete nicht dabei. „Man,
I need a horn“ waren seine ersten Worte zur Begrüßung.
Jahre vorher hatte er mal direkt vor dem Auftritt eine Zahnwurzel-Entzündung,
die eine kleine Notoperation erforderte. Völlig verblüffend,
dass er hier dennoch wie ein junger Gott gespielt hat!
Jazzzeitung: Bedeutet der neu Rhythmus mehr
Vorlaufzeit für die
Planung?
Schmücker: Nicht wirklich, Countdown ist trotz
Zweijahresrhythmus sehr eng vor dem Festival. Viele Acts stehen erst
kurzfristig fest, denn
ich will möglichst frische Trends ins Programm bringen. Ein lebendiges
Festival braucht das!
Jazzzeitung: Einer der Höhepunkte am Eröffnungsabend war das
Klaviertrio von Pablo Held, dem diesjährigen Westfalenjazz-Preisträger.
Was ist an diesem Wettbewerb neu?
Schmücker: Wir pflegen die Vernetzung mit zwei
der regional bedeutendsten Jazzclubs, dem Bunker Ulmenwall in Bielefeld
und dem Jazzclub Domicil
in Dortmund. Das sind erste Adressen, wo sich die aktuelle Szene abspielt.
Die Qualität der Kandidaten ist dementsprechend immens! Text/Fotos: Stefan Pieper |