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Jazzzeitung

2009/01  ::: seite 23

farewell

 

Inhalt 2009/01

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig / R.I.P. / Carter, Ron / Abschied von Klaus Weiss / Dave McKenna


TITEL - Über das Lächeln
Bühnenperformance und Publikum


DOSSIER
- Jazz in NRW

Berichte
Dutch Jazz Meeting 2008 // Klaus Doldinger zu seiner neuen Doppel-CD im Interview // Jazz-Herbst in Dresden // Bilanz: Münsters Jazzfestival // Jazz Orchester Regensburg mit Jones, Lewis & Brookmeyer // Südtirol Jazzfestival Alto Adige


Portraits

Der Saxophonist Charly Augschöll // Cymin Samawatie und ihr Quartett Cyminology // Pianist Lorenz Kellhuber // Joshua Redman // Das Berliner Quartett Triband // Pianistin Antje Uhle


Jazz heute und Education
Der Verein „Jazz am Rhein“: Vorbildfunktion für die Szene // Kurt Maas und seine Engegement für den Jazz // Klingender Nachruf auf einen großen Trompeter: Freddie Hubbards Solo über „Little One“

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

 

Klever Klaus

Abschied vom Schlagzeuger Klaus Weiss

„Klever Klaus“ heißt eine kleine kompositorische Laudatio von Mal Waldron auf den Meister der Besen und Stöcke, in dessen Quintett er 1978/1979 gespielt hat. Man braucht in diesem Titel nicht mehr zu suchen als eine nette Alliteration, und doch, schlägt man in einem Synonymenlexikon nach, was „clever“, diese Verbindung aus „geschickt“ und „klug“, alles bedeuten kann, hat man eine gute Teilcharakterisierung eines der größten Drummer, die Deutschland je hervor gebracht hat: erfahren, tüchtig, gewandt, flink, gelenkig, fingerfertig, praktisch, geschäftstüchtig, elegant, berufen, wach, rasch, intelligent, vorausschauend, gelehrt, kenntnisreich, aufnahmefähig, begnadet. Unabhängig von meinen Überlegungen zu seiner „Cleverness“ sagte mir sein Sohn rückblickend: „Er war ein kristallklarer Typ, hat sich aber unendlich zu viel vorgenommen.“ Kristallklar war auch sein immer perfekt ausbalanciertes Drumming, kein Ton zu viel, schon gar kein Tohuwabohu, wie es mancher Laie bei wichtigen Schlagzeugern erwartet, sondern beherrschte, konzentrierte, zielgerichtete Kraft, wie sie ein Solist als Unterstützung dankbar als Anregung begrüßt.

Klaus Weiss im Jahr 1979. Foto: Hans Kumpf

Bild vergrößernKlaus Weiss im Jahr 1979. Foto: Hans Kumpf

Am 17. Februar 1942 tat Klaus Weiss im westfälischen Gevelsberg seine ersten, damals noch nicht musikalischen Lautäußerungen. Schlagzeugspielen hat er sich selbst beigebracht. Prägende Einflüsse kamen von Big Sid Catlett, Philly Joe und Elvin Jones, Art Blakey und Buddy Rich. Über sie sagte er einmal: „Das waren alles zuhörende Drummer, jeder mit einer eigenen Persönlichkeit, denen aber eine große Fähigkeit zum Swingen zu eigen war, Begeisterung zu erzeugen und die Solisten zu stimulieren. Abgesehen von ihrem Sound und ihrer Spielweise, bekam ich Interesse an den Grundlagen des amerikanischen Schlagzeugspiels, da alle großen amerikanischen Schlagzeuger die Grundlagen miteinander teilen, die, zumindest meinem Gehör nach, nur wenige europäische Drummer in den 50er-Jahren assimiliert hatten.“ Erst später ließ sich der Autididakt von Stuff Combe an der Musikhochschule Köln diesbezüglich unterweisen. Schon als 16-Jähriger wirkte er bei der deutsch-holländischen Formation Jazzopators, mit denen er auch seine ersten Aufnahmen machte. Zu den Musikern, die er bald begleitete, gehörten Manfred Schoof, die Tremble Kids, Dusko Goykovich, Bud Powell, Kenny Drew und Johnny Griffin. Vor allem im Quartett Klaus Doldingers, dem er bis 1965 angehörte, schuf er sich seinen bis heute hervorragenden Ruf. 1963 schon erklärte der heuer verstorbene Johnny Griffin den 21-Jährigen zu einem von nur zwei europäischen Drummern mit „amerikanischem Feeling“. Und der Drummer Ralph Hübner zählte Klaus Weiss bereits 1965 neben Joe Nay zu einem der beiden besten deutschen Schlagzeuger. Dabei hatte Klaus zu jener Zeit noch nicht einmal eine eigene Platte vorgelegt. Sie wurde 1966 im Trio eingespielt: „Greensleeves“, ein wahres Kleinod unter den unzähligen Trioplatten der 60er-Jahre. Mit dem Pianisten Rob Franken und dem Bassisten Rob Langereis nahm sich Klaus Weiss hier überwiegend Lieder aus aller Welt vor und brachte sie mit seinen Gefährten mit Fingerspitzengefühl zum Swingen. Mit diesem Trio, das etwa auch einmal Booker Ervin begleitete, ging Klaus Weiss bei Friedrich Guldas Internationalem Jazz Wettbewerb in Wien als Sieger hervor. Nach seiner Zeit bei Erwin Lehn (1967/68) kam er nach München. Weitere Stationen waren in den späten 60er- und 70er-Jahren unter anderem die Arbeit mit Wolfgang Dauner, dem von Joe Haider geleiteten Jazzensemble des Bayerischen Rundfunks, Friedrich Gulda und eigenen Gruppen. Zu den eigenen Formationen gehörte eine Gruppe namens Mythologie (mit Fritz Pauer, Ferdinand Povel und Jimmy Woode), die 1971 ein gleichnamiges Album aufnahm.

Nicht viele Drummer haben eine eigene Bigband geleitet. Chick Webb, Gene Krupa und Buddy Rich waren darin allerdings sehr erfolgreich. Klaus Weiss tat es zu Zeiten, als Rockmusik längst den Jazz aus der Publikumsgunst verdrängt hatte. Die großen Leader der für Bigbands schwierigen 70er-Jahre hatten einen Partner: Clarke hatte Boland, Jones hatte Lewis, Akiyoshi hatte Tabackin, doch Klaus hatte nur Weiss und zog es allein durch. Und doch stellte er eine Bigband auf die Beine, die man in genau diesem Atemzug nennen muss. Allein schon die Arrangements von Größen wie Thad Jones, Bill Holman und Don Menza machten es hörenswert, doch Klaus hatte auch das Glück herausragende Musiker in seiner Band zu haben wie Slide Hampton, Don Menza, Herb Geller oder Philipp Catherine – Individualisten, die trotzdem wie eine Einheit swingten. Das im November 1971 im Domicile entstandenen Album mit dem passenden Titel „I Just Want To Celebrate“ strotzt vor Spielfreude. Die Stücke – darunter viele damalige Pop-Hits – haben das Flair ihrer Zeit und sind trotzdem von zeitloser Frische. Seither hat Klaus Weiss hat immer wieder, wenn die Möglichkeit dazu bestand, Orchester zusammengestellt. Seinem cleveren Organisationstalent verdanken sich auch zahlreiche kleinere auf Alben dokumentierte Gruppen, etwa die seines Sextetts, für das er sich 1974 schnell mal fünf Musiker des eben eben gastierenden Thad Jones/Mel Lewis Orchestra auslieh. Solche Gruppen klangen dann bei ihm kaum weniger homogen als feste working bands.

Mit endlosem Namedropping zu langweilen ist eine Untugend. Klaus ging zwischen 1971 und 1973 mit so grundunterschiedlichen Leuten wie Udo Lindenberg, Eugen Cicero und Phil Woods ins Studio – eine immerhin kurzweilige Namensversammlung, die den Radius gut andeutet.

In seinen Combos haben sich einige junge Musiker etabliert: Roman Schwaller machte 1978 seine ersten Aufnahmen in seinem Quintett, John Schröder 1982.

Insbesondere in den 70er und 80er Jahren tourte der deutsche Drummer mit dem amerikanischen Feeling immer wieder mit Gästen aus dem Geburtsland des Jazz, wie zum Beispiel Eddie Lockjaw Davis oder Horace Parlan. „Clifford Jordan meets Klauss Weiss“, ein Live-Album, das bei so einer Gelegenheit 1987 entstand, dokumentiert wohl Klaus Weiss, wie ihn die meisten in Erinnerung haben werden.

Trotzdem hat er in den letzten Jahren überwiegend Trio-Aufnahmen vorgelegt, insbesondere mit dem Bassisten Thomas Stabenow, der wohl seit Mitte der 80erJahre sein treuester musikalischer Weggefährte war. Joerg Reiter, Rob van Bavel, Jack van Poll, Robert Lakatos und immer wieder Tizian Jost waren einige der Tastenmeister, die sich gerne auf Klaus Weiss‘ swingende Besen und Stöcke verließen. Klaus Weiss war überzeugt, dass „der Schlagzeuger wirklich so etwas wie eine Schlüsselposition hat, egal, ob in Trio- oder Big-Band-Besetzung. Vielleicht mehr als jeder andere muss man gleichzeitig überall sein, geben und nehmen. Wer das kann, so meine ich, braucht sich nicht mehr mit der Frage befassen, ob er ein guter Big-Band-Drummer sei oder eher in ein Trio gehöre.“ Dass er nun vielleicht doch als ausgesprochener Trio-Drummer in die Geschichte eingehen wird, hängt wohl auch mit seiner Zusammenarbeit mit dem kleinen japanischen Label Atelier Sawano. Nachdem es Mitte der 90er Jahre vergleichsweise still um ihn geworden war, kam es ab 2003 zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem Label, für das er nicht nur als Schlagzeuger, sondern auch als Produzent fungierte, sich aber bescheiden mit der Rolle des Begleiters begnügte. Zu beweisen brauchte er ohnehin nichts mehr. Klaus Weiss Ziel - „sehr swingendes und technisch versiertes Jazzschlagzeugspiel“ – wurde hier noch einmal idealtypisch verwirklicht.

Mag er sich auch zu viel vorgenommen haben, so hat er aber auch viel erreicht, als die Lebensbahn am 11. Dezember 2008 in Pfaffenhofen an der Ilm im Alter von 66 Jahren überraschend früh zu einem Ende fand: Er war für viele und lange Zeit der vorbildlichste Drummer in unseren Breiten gewesen, hatte als junger Mann in den 60er Jahren deutsches Jazzdrumming auf internationales Niveau gehoben, etwas, das noch ausstand, nachdem Größen wie Jutta Hipp und Albert Mangelsdorff auf ihren Instrumenten „amerikanisches Niveau“ erreicht hatten. Dann hat er Gruppen geleitet, die man durchaus als legendär bezeichnen kann. Wir haben eine Vaterfigur des deutschen Jazz verloren. Klaus Weiss wird uns fehlen.

Marcus A. Woelfle

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