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Keith Jarrett Trio Das Jarrett Trio Album „Yesterdays“ ist die mittlerweile
vierte offizielle Veröffentlichung aus dem für die Gruppe äußerst
erfolgreichen Jahr 2001. Aufgenommen in Tokyo startet der Konzertmitschnitt
mit Horace Silvers „Strollin’“, im weiteren Verlauf
wird dann unter anderem eine rasante Version von „Shaw Nuff“ geboten
oder die Ballade „You’ve Changed“ einzigartig interpretiert.
Titel, die unter normalen Umständen angestaubt daherkommen, entfalten
durch Jarretts Improvisationen immer wieder neue Facetten. Seine „Standards“ sind
lediglich Skelette, die er zu einem Körper formt – Themen,
die durch Jarretts Bearbeitung zu etwas komplett Neuem werden. Seit über
30 Jahren spielen die drei Musiker nun zusammen und seit mehr als 25
Jahren widmen sie sich „Standards“. Diese Kontinuität,
fast blindes Verstehen untereinander, verbunden mit hoher Intellektualität,
Spiritualität und Spielfreude beschert dem Hörer einzigartige
musikalische Momente. Mehr als ein Glücksfall für Mr. Jarrett,
solch kongeniale Mitspieler für seine Bühne gefunden zu haben,
die der Aura trotzen, zudem gleichberechtigte Partner und unverzichtbare
Bereicherung in der Zusammenarbeit sind. Die absolute ECM-CD-Besonderheit
ist der Bonustrack „Stella By Starlight“ – eine Soundcheckversion,
die demonstriert, auch ohne Publikum widmen sich die Musiker mit ganzem
Herzen nur der Musik. „Yesterdays“ präsentiert das Keith
Jarrett Trio auf musikalisch praktisch vollkommenen Standards-Niveau:
weder Spiel noch Titel hinterlassen da einen „gestrigen“ Eindruck. Joachim Kühn, Michael Wollny Hier treffen zwei Pianistengenerationen aufeinander: Der 1944 geborene
Joachim Kühn war einer der ersten freien Musiker in Europa und gilt
bis heute als Ikone des Avantgarde-Jazz. Michael Wollny hingegen ist
gerade mal dreißig und zählt zu den Senkrechtstartern dieses
Jahrtausends. Im vergangenen September trafen sich die beiden zu einem
gemeinsamen Auftritt auf Schloss Elmau. Nun liegt die Live-Aufnahme vor,
Dokument eines beeindruckend intensiven Duospiels. Äußerst
wachsam und feinnervig gehen die beiden Pianisten aufeinander ein. Mal
verschlingen sich die Stimmen in innigen, zärtlichen Dialogen, dann
wieder spornen sich die Musiker zu heftig aufbegehrenden Ekstasen an.
Ausgangspunkt der Improvisationen ist Kühns Harmoniekonzept, das
auf verminderten und erweiterten Intervallen basiert. Es erlaubt Wohlklang
und Gesanglichkeit abseits stereotyper Harmoniefloskeln. Das Herzstück
der Platte stellt Wollnys Komposition „Hexentanz“ dar, deren
Vorläufer bereits auf seinem gleichnamigen Solo-Debüt von 2007
erschien. Nun sind es zwei Pianisten, die organisch durch diese Szenenfolge
gleiten. Da werden Bilder im Kopf geweckt; vom Tanz ums Hexenfeuer oder
Flugreisen auf Besen. Je ein Stück spielen die Pianisten allein.
Wollny gleitet in der lyrischen Improvisation „Elmau“ bruchlos
durch Barock-Anklänge, aufgetürmte romantische Harmonien und
impressionistische Passagen. Kühn ist nüchterner zugange; in
seiner Paraphrase einer Bach-Chaconne lässt er ein transparentes
Stimmengeflecht entstehen. Pär Lammers Trio Natürlich gab es viele Klaviertrios in der Geschichte des Jazz
und vermutlich wird es sie auch immer geben. Das ist nichts, was man
zu bedauern hätte, sondern ein Grund zur Freude. Auch das eine der
dürftigsten Erkenntnisse, die man aus dem Album des Pär Lammers
Trio ziehen könnte. Thomas Siffling Trio Er ist inzwischen bekannt für Konzeptalben: feierte doch Thomas
Siffling schon mit der CD „Kitchen Music“ große Erfolge
mit der Idee, Jazzmusik und Kochrezepte so kongenial wie originell miteinander
zu verbinden. Auf seinem neuen Album „Cruisen“ geht es diesmal
um die andere seiner beiden ganz offen propagierten Liebhabereien: Autos.
Und nicht nur schnell sollten sie sein, sondern auch schick und luxuriös!
Anders gesagt, spielen Lebensart und Lebenslust auf „Cruisen“ eine
gravierende Rolle. Schön verpackt kommt das Ganze daher; im Booklet
finden sich dazu passende Ausflugsrouten mit Haltepunkt-Vorschlägen
für Landschaftsreize wie die Deutsche Alleenstraße, die Mille
Miglia oder die Wachau. Und wer in Zeiten des internationalen Finanzkollaps
so richtig des Luxus frönen will, sollte eine Tour (am besten im
Cabrio) entlang einer dieser Routen schon mal für den Sommer 2009
einplanen. Auch die hierfür geeignete Musik kredenzt uns Herr Siffling
mit seinem Trio und den Gästen Xavier Fischer (Wurlitzer) und Veronika
Harcsa (voc, bekannt durch die ungarische Band Erik Sumo): Lounge Jazz – oder „Nujazz
mit Tiefgang“, wie Thomas Siffling selbst es bezeichnet. Ergänzt
durch zwei Remixe bietet „Cruisen“ genau die richtige Musik
zum Autofahren oder Chillen, zum Weintrinken oder den Urlaubsgenuss.
Kurz, es handelt sich um geglätteten Jazz, der aber durchaus auch
anspruchsvoll ist. Ansonsten: Musik für coole Männer und Frauen,
die noch (Autofahrer-)Träume haben. radio.string.quartet.vienna & Klaus Paier:
Radiotree Unisono
im rasanten Balkanstil streben das radio.string.quartet.vienna & Klaus
Paier zum „FlyUp“ den „Radiotree“. Ein exquisites
Kammermusikprojekt, das zeitgenössische Ressourcen in einem singulären
Stil absorbiert. So den „Tango Nuevo“ von Astor Piazzolla
für eine „Musical Journey In
Three Movements“, wobei Klaus Paier das Akkordeon-Thema über
einen markanten Rhythmus der Streicher über ein fast sentimentales
Pizzicato-Intermezzo zur Moderne wendet. Ähnlich auch „Prélude & Circulo“,
nur dass hier typische Glissandi die Bandoneon-Improvisationen antreiben.
Die Suiten für Cello solo von J.S. Bach könnten Pate für „So
The Story Runs...“ gewesen sein, allerdings chromatisch in die
Zukunft gerichtet. Nicht so dominant wie in den eigenen Kompositionen
ist die Stimmführung von Klaus Paier bei Referenzen zum Jazzmaestro
Joe Zawinul, dessen „In A Silent Way“ durch einen sphärischen
Violinpart nun an eine indische Raga erinnert. So hat Bernie Mallinger
auch „Cannonball“ als Synthese aus klassischen Spieltechniken
und „dirty“ Jazzintonation arrangiert. Schließlich
ist noch der „Hosent‘raga“, ein Derwisch-Tanz mit harmonischen
Finessen, zu erwähnen, ein Memorial für den österreichischen
Vibraphonisten und musikalischen Grenzgänger Werner Pirchner. Die Äste
des „Radiotree“ wachsen eben in viele Richtungen und bleiben
dennoch mit einer Stamm-Idee verbunden. Ulrich Gumpert Workshop Band Tatsächlich: 36 Jahre ist es her, als Ulrich Gumpert mit seiner
Workshop Band für das Label AMIGA in den Berliner Kammerspielen
des Deutschen Theaters seine Suite „Aus teutschen Landen“ einspielte
und damit dem europäischen Free Jazz ganz eigene Impulse verabreichte.
Indem er deutsche Volkslieder für ein 13-köpfiges Orchester
neu arrangierte, wagte er sich auf ein vollkommen neues Feld. Folklore
galt hierzulande, anders als anderswo, als problematisch, als historisch
kontaminiert, gehörte in die Niederungen schunkelnder Trivialunterhaltung
und basta. Eben nicht. Gumpert führte vor, dass es auch anders geht,
dass es doch ein richtiges Leben im falschen gab, indem er eine Individualistenhorde
disziplinierte und von der Startrampe des Volkslieds abspringen ließ.
Quicklebendig ging es zu, als so die Free-Jazz-Erfahrungen an die Leine
gelegt wurden. Freiheit war nicht nur die von, sondern auch die für
etwas. Und überhaupt hatte europaweit die sogenannte Kaputtspielphase
begonnen, sich im Kreis zu drehen. Ein frischer Wind war das und ist
es noch. Denn auch nach vollkommen gewendeten Vorzeichen erweist sich
Pianist Gumpert als Zeremonienmeister einer neuen Jazzbohème.
Die hat wieder ein vitales Zentrum in Berlin. Also gibt es mehr als einfach
noch eine CD von dort, wenn Gumpert ein Oktett mit sechs Bläsern
aus 30- bis 40-Jährigen rekrutiert und mit ihm altes Material einer
Tiefenprüfung unterzieht. Marc Copland: Night Whispers – Es ist eigentlich nichts Besonderes, dass ein Pianist eine Serie von
Trio-Alben veröffentlicht. Bei Marc Coplands New York Trio Recordings,
dessen dritter Teil nun erscheint, liegt die Sache etwas anders. Copland
wechselt nämlich für jede Aufnahme ganz gezielt das Drum-Bass-Tandem.
Diesmal hat er sich den Bassisten Drew Gress und den Schlagzeuger Bill
Stewart zur Seite geholt. Die beiden erweitern vor allem die Klangfarbenpalette;
sie besitzen gleichsam ein orchestrales Empfinden, und außerdem
einen Sinn für strukturelle Abläufe, was sich etwa in der ätherischen
Komposition „Like It Never Was“ zeigt, die aus der Feder
des Bassisten stammt. Dass sich Copland als ein Nachfolger von Bill Evans
oder Herbie Hancock versteht, ist nicht zu überhören. Sein
harmonischer Einfallsreichtum ist ganz erstaunlich. Das Augenmerk liegt
auf Klangfarben, Harmonien und Texturen. Lustvoll folgt man den feinen
Akkordverästelungen im Davis-Klassiker „So What“. Seinen
flexiblen Anschlag bezeugt der Pianist etwa mit der Solo-Interpretation
einer Ballade. Dass dieses Trio nicht ständig aufeinander hockt,
erweist sich als Vorteil, denn die Aufmerksamkeit füreinander ist
umso wacher und gespannter. Die drei verwickeln sich in einen subtilen
kammermusikalischen Wortwechsel. Mit diesem facettenreichen Album beweist
Copland, dass er zu Recht als einer der wichtigsten Jazzpianisten dieses
Jahrzehnts gilt. Daniel Humair/Joachim Kühn/Tony Malaby:
Full Contact Nur in „Full Contact“ kann Musik gelingen, wenn sie von spontanen
Impulsen gesteuert wird. Das wissen auch Daniel Humair (dr), Joachim
Kühn (p) und Tony Malaby (ts), deshalb haben sie nicht alles dem
Zufall oder dem mentalen Selbstvertrauen überlassen. Mindestens
minimale Steuerzeichen wie etwa einen fordernden Basisakkord haben sie
verabredet, um ihre emotionalen Wellen in Beschleunigungen und Abschwächungen
zu gestalten. So erreichen sie zunächst betrübt in unteren
Klavierregistern eine „Oasis“, deren Atmosphäre sich
allmählich durch anstachelnde Übergänge aufklärt.
Das motorische Thema zu „Ghislène“ wird mit einem
rhythmischen Treibriemen von Piano und Schlagzeug in einen pointillistischen
Stil geführt, in das sich kontrastiv ein elegisches Saxsolo einfügt.
An harmolodischen Ranken hangelt sich das Sax auch im ruhigen „Salinas“ von
Joachim Kühn, während es in der kollektiv improvisierten „Effervescent
Springbox“ ziemlich nervöse Dialoge mit dem Klavier hat. Disziplin
ist ein weiteres Merkmal dieses Albums, wenn sich das hektische Trioknäuel
des „Buried Head“ zu einem vagen Riff formt und jeweils in
ruhigen Solopassagen beruhigt. Quasi als Regisseur gleicht Daniel Humair
auf einem moderaten Energielevel die manchmal heftigen Temperamente von
Joachim Kühn und Tony Malaby aus, sodass sich in „Full Contact“ bewusst
klar strukturierter Free Jazz verwirklicht. Chet Baker/Wolfgang Lackerschmid Nachdem sich der deutsche Vibraphonist Wolfgang Lackerschmid und der
US-amerikanische Trompeter Chet Baker 1979 begegnet waren, bildeten sie
ein nun schon legendäres Duo. Anfang und Ende ihrer Kooperation
bis 1988, dem Todesjahr von Chet Baker, sind exemplarisch auf „Artists
Favor“ kompiliert. Schon ihre erste gemeinsame Improvisation über
den Standard „You Don‘t Know What Love Is“ zeigt, dass
sie eine geradezu telepathische Fähigkeit der Kommunikation hatten.
Der Satinklang der Trompete passt wunderbar zu den weich fließenden
melodischen Linien des Vibraphons. Vokale Qualitäten hat „Five
Years Ago“, wenn sich gehauchte Trompetentöne von Chet Baker
in „singende“ Vibraphonmotive einfädeln. Solch atmosphärische
Meditationen sind auch typisch für „Dessert“, allerdings
mit punktuellen Gongs in fernöstliche Regionen gerückt. Im Übrigen
bleibt der Sound introvertiert, denn Chet Baker bevorzugt die mittleren
und tiefen Register auch in den Aufnahmen aus dem Jahre 1987, an denen
etwa Günter Lenz (b) und Edir dos Santos (dr) beteiligt waren. Der
Stil ist jedoch variabler: ein eleganter Latinswing in „Volta Trais“ und „Try
It Dry“ als Shuffle, bei dem es eine virtuose Duo-Improvisation
von Chet Baker mit Nicola Stylo (fl) gibt. So ist „Artists Favor“ – die
meisten Kompositionen sind von Wolfgang Lackerschmid – eine willkommene
Wiederveröffentlichung eines außergewöhnlichen Duos. nuBox/DJ Illvibe/hr-Bigband/Ed Partyka. Limbic System Files Sunday Night Orchestra Regenerativ kann Tradition durch Anpassung an
Erkenntnisse der Gegenwart sein. So wenn sie „Overcast“ (bedeckt) ist von flimmernden
Tremoli gedämpfter Trompeten, wie Ed Partyka seine Komposition für
das Sunday Night Orchestra arrangiert hat. Diese Klangdämmerung
hellt die erdige Stimme von Efrat Alony allmählich auf, indem sie
die zirkulierenden Deklamationen ihres Gesangs an ein melancholisches
Sax-Solo weiterreicht. Gespreizte Dissonanzen bilden den harmonischen
Schirm zum „Opium For The Masses“, ein Marx-Zitat, das über
nervöse Piano-Arpeggios zu einem Accelerando-Krimi und schließlich
einem mechanischen Tango ad absurdum geführt wird. Die kreative
Tristesse dieser Musik und ihre implizite Religionskritik kulminiert
dann, wenn Efrat Alony mit sardonischem Humor und diabolischem Gesang „Get
Happy“ angesichts des „Jüngsten Gerichts“ fordert.
Nicht in der konventionellen Besetzung, aber im Klangspektrum und im
Stil hat Ed Partyka sein Big-Band-Konzept angepasst.Radikaler sind die
Extensionen, die Ed Partyka für das Projekt „Limbic System
Files“, soll bedeuten: am Rand zeitgenössischer Jazzavantgarde
vorbereitet hat. Auf der Basis von Kompositionen von Peter Eisold (b)
und Alois Kott (dr & electronics), auch als nuBox bekannt, hat er
witzige Big-Bandtronics integriert. Tekknoloops und skurrile Akkordsätze
schichtet Ed Partyka bei „Zimperk‘s Hunt“ zu brodelnden
Swingereignissen. Massive, grelle Brassblöcke reiben sich am „Limbus“ mit
Vokalinjektionen oder mischen „Privilegde“ funky Motive mit
einem morbiden Trompetensolo, dazwischen: turntable-scratches von DJ
Illvibe und jähe electronic spots. Woody Herman Von 1936 bis kurz vor seinem Tod 1987 leitete
Woody Herman seine Big Band, die zu den besten des Jazz gehörte – immer mit sehr
viel swing, einer unbändigen Spielfreude, einfallsreichen Arrangements
und vielen großen Solisten, die sehr gerne bei ihm waren, denn
er war als Bandleader ungemein beliebt. Immer wieder gelang es ihm, mit
jungen Musikern einen neuen Gipfel zu erklimmen, so auch Anfang bis Mitte
der 60er-Jahre. Schlüsselfiguren waren damals Pianist Nat Pierce,
der auch viele Arrangements schrieb, Tenorsaxophonist Sal Nistico, in
Ton und drive an Johnny Griffin erinnernd, Trompeter Bill Chase, Posaunist
Phil Wilson und Jake Hanna am Schlagzeug, der das Orchester zusammenhielt
und vorwärts trieb wie in den 40er-Jahren sein Vorgänger Dave
Tough. Von den vielen Höhepunkten unter den 44 Titeln sei hier nur „Tunin‘ in‘“ hervorgehoben
(das gewissermaßen um den Kammerton a kreist), das fetzige „Hallelujah
Time“ (mit einem Tenor-Battle) und das raffinierte „After
you‘ve gone“ (ein Bill-Holman-Arrangement). Im Booklet werden übrigens
sämtliche Arrangeure genannt (immer noch keine Selbstverständlichkeit).
Und der Sound ist sehr gut. Joshua Redman Kleine Formationen stellen höchste Ansprüche an einen Musiker
und seine Band. So führt Joshua Redman nun mit der CD „Compass“ das
weiter, was er bereits 2007 auf seinem Album „Back East“ begann.
In verschiedenen Trio-, Quartett- und Doppel-Trio-Besetzungen lotet er
Klangperspektiven und -räume aus. Die Aufnahmen entstanden innerhalb
weniger Tage in den New Yorker Avatar Studios in hörbar entspannter
Atmosphäre. Mit von der Partie sind Larry Grenadier und Reuben Rogers
am Bass, sowie Brian Blade und Gregory Hutchinson an den Drums. Ob swingende
Anklänge oder pulsierend treibende Rhythmen, über denen Red- Bernd Rinser Roots Music verbindet man mit New Orleans, mit Nashville, mit Chicago.
Jedenfalls nicht mit Marktheidenfeld. Dort aber lebt und wirkt der Gitarrist
und Sänger Bernd Rinser, der mit bislang drei nahezu im Ein-Mann-Betrieb
eingespielten CDs die Szene bereits aufhorchen ließ. Nun hat er
sein bislang reifstes Werk vorgelegt. Es ist erneut die reine Lehre,
die Rinser hier predigt. Sein vom Bassisten Uwe Knüppel und einer
Schar exzellenter Gastmusiker begleiteter – auch aufnahmetechnisch
sehr ansprechender – Mix aus Delta-Blues, Country und Hillbilly-Rock
klingt wie von Südstaaten-Veteranen erschaffen. Da scheppern die
Stahlsaiten authentisch wie vor einem dreiviertel Jahrhundert, da stimmt
die Bluesharp in manchen Klagegesang ein, und auch die Vermählung
der Stromgitarre mit dem Bottleneck feiert fröhliche Urstände
(„Love Is“). Dass die Texte sich um die ewigen Bluesthemen
wie die Flüchtigkeit von Liebe oder Geld drehen, machen schon die
Titel wie „Management Blues“, „To Learn The Ways Of
Love“ oder „Wolfwoman“ klar. Leider wird die Verehrung
der Tradition mitunter übertrieben: Manchmal atmen die Songs nicht
nur den Geist von Johnny Cash, Warren Zevon und vor allem dem frühen
Willy De Ville, sondern Rinser versucht auch, originaler als original
zu sein. Da säuft dann die Dobro im Klischee ab, da beginnt vieles
im Schema zu erstarren und vor allem die Manierismen von Rinsers Gesang – viel
zu dick aufgetragene Betonungen, ein grausig rollendes R – zu nerven.
Weswegen das Ganze letztlich leider eine Sache für die eingefleischten
Fans bleiben dürfte. Bernd Kullack Quartett Ein Klassik-Geiger, der sich mal eben im Jazz versucht? Von wegen!
Wenn Bernd Kullack den Bogen über sein Instrument sausen lässt,
dann kommt genug von dem auf, worauf nur das englische Wort „Sound“ passt.
Dieses Violinspiel strotzt vor Sinnlichkeit, phrasiert in sattestem Bluesfeeling.
Keine Frage – der 1966 geborene Recklinghäuser hat die Sache
im Blut. So bestechend die künstlerische Ernsthaftigkeit dieser
Produktion, so augenzwinkend ist jener Humor, der aus den acht Titeln
des Albums spricht: „Einzelsurium“, „Kraulkappe“ oder „Herbstgesicht“ nannte
Kullack die Kompositionen aus eigener Feder oder von seinem langjährigen
Weggefährten Dieter Greifenberg. Doch was verquer anmuten mag, kommt
in Wahrheit umso mehr „straigt ahead“ zur Sache: Lupenrein-stilsicher
wird so manches Genre in die weitläufigen Band-Arrangements integriert:
lässiger Barjazz, nostalgischer Gypsy Swing oder rockige Ingredienzen
und funkige Grooves – alldies mündet in einen rasanten Mainstream-Jazz
unserer Tage, der an die hellen Seiten des Lebens appelliert. Kullack
zieht und dehnt seine Töne, nimmt es locker mit Dieter Greifenbergs
Pianophrasen auf und strotzt der impulsiven Rhythmusgruppe von Wolfgang
Engelbertz (Bass) und Wim de Vries (Drums) souverän. Zwei prominente
Gäste konnte dies nur animieren, in die hier zelebrierte Spielfreude
mit einzusteigen: Barbara Dennerleins Hammond-Orgel verbreitet im Stück „Halunkenrunkel“ ihr
ganzes warmes Timbre, und auch der in New York lebende Vibrafonist Stefan
Bauer veredelt zwei Nummern des Albums. |
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