 |
 |
 |
|
Jazzzeitung
2009/01 ::: seite 15
rezensionen
|
|
 |
 |
 |
 |
 |
|
J. R. Monterose
J. R. Monterose
Blue Note
Dieses hinreißende Debut-Album des Tenoristen J. R. Monterose aus
dem Jahr 1956 hätte der Auftakt zu einer ganz großen Laufbahn
sein können. Vom ersten Stück an, seinem auf „Out Of
Nowhere“ basierendem „Wee-Jay“, nimmt er mit seinem
kraftvollen, fantasievollen Musizieren gefangen, das ganz auf der Höhe
seiner Zeit steht, wenn auch etwas in der Schuld des großen Sonny
Rollins, der damals gerade dabei war, so viele Newcomer zu prägen.
Allerdings gab es wenige, die mit solcher Souveränität und
Originalität in Newks Fußstapfen traten. Indes blieb der 1993
verstorbene Monterose so wenig bekannt, dass er auch noch oft mit dem
Westküsten-Tenoristen Jack Montrose verwechselt wird. Persönliche
Probleme standen seiner Karriere ebenso im Wege, wie dies beim heute
noch aktiven Multiinstrumentalisten Ira Sullivan der Fall war, der sich
hier ganz auf seine trompeterischen Fähigkeiten verlässt, die
etwa in „The Third“ in Drive und Gestaltungskraft verblüffen.
Das Stück kennt man auch von Donald Byrd und Art Farmer und erinnert
daran, dass die damalige Schwemme an Clifford-Brown-Nachfolgern ihn leicht übersehbar
machte. Der treffliche Bassist Wilbur Ware schadete seiner Karriere durch
Unberechenbarkeit. Er bildet ein schönes Team mit Horace Silver
und Philly Joe Jones. Sind Sie skeptisch, weil das Album andernorts mit
mickrigen zwei Sternen bedacht wurde? Dann vertrauen Sie Silver und Jones.
Hank Mobley
Quintet
Blue Note
Das Horace Silver Quintet des Jahres 1956 ging aus den Jazz Messengers
hervor, die Art Blakey mit Silver gegründet hatte. Nachdem sich
ihre Wege getrennt hatten, kamen sie im Plattenstudio nur noch fünfmal
zusammen, ausschließlich 1957, und es ist kein Zufall, dass es
davon viermal für Blue Note und zweimal unter der Leitung des Tenoristen
Hank Mobley geschah, dem Star-Tenoristen beider Gruppen. Der ursprüngliche
Titel des am 8. März 1957 eingespielten Albums lautet „Hank
Mobley with Farmer, Silver, Watkins, Blakey“. Datum und Besetzung
verraten die historische Nahtstelle: Es sind Blakeys Messengers des Vorjahres
mit Art Farmer an Stelle von Donald Byrd oder die aktuelle Silver-Gruppe
mit Art Blakey an Stelle von Louis Hayes, Farmer und Silver. Nur die
beiden Arts waren sich vergleichsweise selten begegnet, und man feiert
die Mischung aus sicherer Altvertrautheit und der Lust am kleinen feinen
Unterschied. Alle sechs Stücke (zwei präsentiert die Ausgabe
auch als alternate takes) stammen von Mobley und wurden bei dieser Gelegenheit
wohl erstmals gespielt, jedenfalls aufgenommen und von den beteiligten
anschließend vergessen. Mobley war ein guter Themenkomponist, doch
im Gegensatz zu Silver schrieb er seine Lines „nur“ über
altbekannte Harmonieschemata. Viel prägender ist seine Fähigkeit,
auf Sparflamme zu kochen und dabei unscheinbar wirkende, doch reizvoll
konstruierte Chorusse aus dem Ärmel zu schütteln.
Coleman Hawkins
Supreme
Enja
Der überarbeitete Live-Mitschnitt von 1966 hatte bei seiner Erstveröffentlichung
vor 14 Jahren begeisterte Kritiken erhalten. Der Vater des Tenorsaxophons
verdient jeden Lobpreis, doch dies ist eines seiner wenigen nicht „supremen“ Alben.
Hawks Spiel spiegelte zweieinhalb Jahre vor seinem Tod Anzeichen jenes
Verfalls, der mit einer unglücklichen Liebe, einem Alkoholproblem
und äußerer Vernachlässigung einherging. Sein früher
energieberstendes Spiel zeugt von einer eigentümlichen Gebrochenheit.
Seine Fähigkeit, Chorusse von der Architektonik eines klassischen
Dramas zu entwerfen, ist verblasst. Allenthalben irritiert die Kurzatmigkeit
der Linien – ehedem lange logische Ketten, nun kurze Phrasen und
viele Pausen zum Kräftesammeln, gar zum Überlegen, wie’s
weiter geht. 20 Jahre zuvor hatte er auf Lover Come Back seinen Meilenstein
Bean & The Boys errichtet. Hier hat er sogar Schwierigkeiten, sein
eigenes Thema zu zitieren. Die „Boys“ sind wie einst vorzügliche
Bopper: Gene Taylor, Roy Brooks und Barry Harris. Der Pianist ist zuhause
bei In Walked Bud, das Bean in Blue Skies wandelt – ein Gruß an
Freund Monk. Das diesmal ganz anders angegangene Body & Soul ist
anrührend: man hielte es für Understatement, wüsste man
nicht, dass es Schwäche ist und der große Alte nicht mehr
ganz der Alte. Mitgefühl mischt sich in die Ehrfucht vor dem Genie,
das auch in einer Unsternstunde hörenswert bleibt.
Curtis Fuller
The Opener
Blue Note
Seiner Sonderstellung ist sich Curtis Fuller bewusst: „Ich
kann ebenso schnell spielen wie ein Trompeter; ich bin der einzige Posaunist,
der mit Coltrane und der einzige, der im Quartett mit Bud Powell gespielt
hat.“ All das schon zu Beginn seiner Karriere. Den Zeitgenossen
muss es vorgekommen sein, als sei ein Stern vom Himmel gefallen! Am 16.
Juni 1957 wirkte der eminente Posaunist Curtis Fuller an seiner zehnten
Aufnahmesitzung mit, allerdings seiner neunten (!) seit April des Jahres.
Das überragende Talent des 22-Jährigen wurde offensichtlich
sofort erkannt. Fuller wurde zu Recht beliebt und begehrt (und viele
andere einzigartige Posaunisten wie der unlängst verstorbene Jimmy
Cleveland zu Unrecht fast vergessen). „The Opener“ war aber
das erste unter seinem Namen veröffentlichte Opus und als solches
ein richtiger Ohröffner, das ihn als Hardbop-Posaunisten Nr. 1 etablierte.
Die locker federnde Traum-Rhythmusgruppe aus Bobby Timmons, Paul Chambers
und Art Taylor liefert hier ein perfektes Sprungbrett für zwei Bläser.
Der Tenorist Hank Mobley musiziert mit samtigem Ton, entspannter und
souveräner als auf manch eigenem Album (weniger nervös?) und
zeigt sich ebenso kongenial zu Fuller wie sonst Golson. Zwei Balladen,
eine eröffnet sogar das Album, zeigen die sanfte, nachdenkliche
Seite Fullers, dessen lyrische Fähigkeiten stärker beeindrucken
als die später gesteigerte Bop-Eloquenz des wichtigen J.J. Johnson-Schülers.
Ben Bernie: Sweet Georgia Brown and other hot numbers
Retrieval
Der einst so beliebte Ben Bernie ist heutigen Jazzfreunden, wenn überhaupt,
meist als Co-Autor des Evergreens „Sweet Georgia Brown“ bekannt.
Allein das schon sollte neugierig auf die Erstaufnahme des Songs machen.
Sie findet sich auf dieser Doppel-CD unter 48 Aufnahmen der Jahre 1923
bis 1929, die sich mit Schlagern wie „Ain’t She Sweet“ oder „Yes,
Sir, That’s My Baby“, aber auch mit Stücken wie Elingtons
frühem „Jig Walk“ nicht nur für Jazz-Spezialisten
eignet, sondern für jeden, der für die Golden Twenties typische
Tanzmusik sucht. Traditioneller Jazz ist es aus streng puristischer Sicht
nicht, aber schmissige Hot-Dance-Musik mit dem einen oder anderen Jazz-Solisten.
(Später wurde seine Musik „sweet“.) Aus Jazzwarte ragt
Jack Pettis heraus, ein „unsong hero“ des frühen Jazz-Saxophons,
der als Pionier meist vergessen wird, vielleicht weil das (auch von Frank
Trumbauer gespielte) C-Meloy-Saxophon in der späteren Jazzentwicklung
nichts mehr zu vermelden hatte. (Neugierige können ihn auf Youtube
mit Bernie sehen, im ersten Film mit einem Jazzsaxophonsolo!) Der Trompeter
Bill Moore war einer der ersten Schwarzen in einem weißen Tanzorchester;
dafür gab man ihn kurzerhand als Hawaiianer aus! Erwähnung
verdient auch der aus späteren Hollywood-Filmen bekannte Pianist
und Gershwin-Freund Oscar Levant. Von Ben Bernies Violinspiel ist nicht
viel zu hören. „The Ole Maestro“ beschränkte sich
weitgehend auf das Leiten der Band und das Rauchen zahlreicher Zigarren.
|