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Jazzzeitung

2009/01  ::: seite 15

rezensionen

 

Inhalt 2009/01

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig / R.I.P. / Carter, Ron / Abschied von Klaus Weiss / Dave McKenna


TITEL - Über das Lächeln
Bühnenperformance und Publikum


DOSSIER
- Jazz in NRW

Berichte
Dutch Jazz Meeting 2008 // Klaus Doldinger zu seiner neuen Doppel-CD im Interview // Jazz-Herbst in Dresden // Bilanz: Münsters Jazzfestival // Jazz Orchester Regensburg mit Jones, Lewis & Brookmeyer // Südtirol Jazzfestival Alto Adige


Portraits

Der Saxophonist Charly Augschöll // Cymin Samawatie und ihr Quartett Cyminology // Pianist Lorenz Kellhuber // Joshua Redman // Das Berliner Quartett Triband // Pianistin Antje Uhle


Jazz heute und Education
Der Verein „Jazz am Rhein“: Vorbildfunktion für die Szene // Kurt Maas und seine Engegement für den Jazz // Klingender Nachruf auf einen großen Trompeter: Freddie Hubbards Solo über „Little One“

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

 

analog -> digital

Von Marcus A. Woelfle

J. R. Monterose
J. R. Monterose
Blue Note

Dieses hinreißende Debut-Album des Tenoristen J. R. Monterose aus dem Jahr 1956 hätte der Auftakt zu einer ganz großen Laufbahn sein können. Vom ersten Stück an, seinem auf „Out Of Nowhere“ basierendem „Wee-Jay“, nimmt er mit seinem kraftvollen, fantasievollen Musizieren gefangen, das ganz auf der Höhe seiner Zeit steht, wenn auch etwas in der Schuld des großen Sonny Rollins, der damals gerade dabei war, so viele Newcomer zu prägen. Allerdings gab es wenige, die mit solcher Souveränität und Originalität in Newks Fußstapfen traten. Indes blieb der 1993 verstorbene Monterose so wenig bekannt, dass er auch noch oft mit dem Westküsten-Tenoristen Jack Montrose verwechselt wird. Persönliche Probleme standen seiner Karriere ebenso im Wege, wie dies beim heute noch aktiven Multiinstrumentalisten Ira Sullivan der Fall war, der sich hier ganz auf seine trompeterischen Fähigkeiten verlässt, die etwa in „The Third“ in Drive und Gestaltungskraft verblüffen. Das Stück kennt man auch von Donald Byrd und Art Farmer und erinnert daran, dass die damalige Schwemme an Clifford-Brown-Nachfolgern ihn leicht übersehbar machte. Der treffliche Bassist Wilbur Ware schadete seiner Karriere durch Unberechenbarkeit. Er bildet ein schönes Team mit Horace Silver und Philly Joe Jones. Sind Sie skeptisch, weil das Album andernorts mit mickrigen zwei Sternen bedacht wurde? Dann vertrauen Sie Silver und Jones.

Hank Mobley
Quintet
Blue Note

Das Horace Silver Quintet des Jahres 1956 ging aus den Jazz Messengers hervor, die Art Blakey mit Silver gegründet hatte. Nachdem sich ihre Wege getrennt hatten, kamen sie im Plattenstudio nur noch fünfmal zusammen, ausschließlich 1957, und es ist kein Zufall, dass es davon viermal für Blue Note und zweimal unter der Leitung des Tenoristen Hank Mobley geschah, dem Star-Tenoristen beider Gruppen. Der ursprüngliche Titel des am 8. März 1957 eingespielten Albums lautet „Hank Mobley with Farmer, Silver, Watkins, Blakey“. Datum und Besetzung verraten die historische Nahtstelle: Es sind Blakeys Messengers des Vorjahres mit Art Farmer an Stelle von Donald Byrd oder die aktuelle Silver-Gruppe mit Art Blakey an Stelle von Louis Hayes, Farmer und Silver. Nur die beiden Arts waren sich vergleichsweise selten begegnet, und man feiert die Mischung aus sicherer Altvertrautheit und der Lust am kleinen feinen Unterschied. Alle sechs Stücke (zwei präsentiert die Ausgabe auch als alternate takes) stammen von Mobley und wurden bei dieser Gelegenheit wohl erstmals gespielt, jedenfalls aufgenommen und von den beteiligten anschließend vergessen. Mobley war ein guter Themenkomponist, doch im Gegensatz zu Silver schrieb er seine Lines „nur“ über altbekannte Harmonieschemata. Viel prägender ist seine Fähigkeit, auf Sparflamme zu kochen und dabei unscheinbar wirkende, doch reizvoll konstruierte Chorusse aus dem Ärmel zu schütteln.

Coleman Hawkins
Supreme
Enja

Der überarbeitete Live-Mitschnitt von 1966 hatte bei seiner Erstveröffentlichung vor 14 Jahren begeisterte Kritiken erhalten. Der Vater des Tenorsaxophons verdient jeden Lobpreis, doch dies ist eines seiner wenigen nicht „supremen“ Alben. Hawks Spiel spiegelte zweieinhalb Jahre vor seinem Tod Anzeichen jenes Verfalls, der mit einer unglücklichen Liebe, einem Alkoholproblem und äußerer Vernachlässigung einherging. Sein früher energieberstendes Spiel zeugt von einer eigentümlichen Gebrochenheit. Seine Fähigkeit, Chorusse von der Architektonik eines klassischen Dramas zu entwerfen, ist verblasst. Allenthalben irritiert die Kurzatmigkeit der Linien – ehedem lange logische Ketten, nun kurze Phrasen und viele Pausen zum Kräftesammeln, gar zum Überlegen, wie’s weiter geht. 20 Jahre zuvor hatte er auf Lover Come Back seinen Meilenstein Bean & The Boys errichtet. Hier hat er sogar Schwierigkeiten, sein eigenes Thema zu zitieren. Die „Boys“ sind wie einst vorzügliche Bopper: Gene Taylor, Roy Brooks und Barry Harris. Der Pianist ist zuhause bei In Walked Bud, das Bean in Blue Skies wandelt – ein Gruß an Freund Monk. Das diesmal ganz anders angegangene Body & Soul ist anrührend: man hielte es für Understatement, wüsste man nicht, dass es Schwäche ist und der große Alte nicht mehr ganz der Alte. Mitgefühl mischt sich in die Ehrfucht vor dem Genie, das auch in einer Unsternstunde hörenswert bleibt.

Curtis Fuller
The Opener
Blue Note

Seiner Sonderstellung ist sich Curtis Fuller bewusst: „Ich kann ebenso schnell spielen wie ein Trompeter; ich bin der einzige Posaunist, der mit Coltrane und der einzige, der im Quartett mit Bud Powell gespielt hat.“ All das schon zu Beginn seiner Karriere. Den Zeitgenossen muss es vorgekommen sein, als sei ein Stern vom Himmel gefallen! Am 16. Juni 1957 wirkte der eminente Posaunist Curtis Fuller an seiner zehnten Aufnahmesitzung mit, allerdings seiner neunten (!) seit April des Jahres. Das überragende Talent des 22-Jährigen wurde offensichtlich sofort erkannt. Fuller wurde zu Recht beliebt und begehrt (und viele andere einzigartige Posaunisten wie der unlängst verstorbene Jimmy Cleveland zu Unrecht fast vergessen). „The Opener“ war aber das erste unter seinem Namen veröffentlichte Opus und als solches ein richtiger Ohröffner, das ihn als Hardbop-Posaunisten Nr. 1 etablierte. Die locker federnde Traum-Rhythmusgruppe aus Bobby Timmons, Paul Chambers und Art Taylor liefert hier ein perfektes Sprungbrett für zwei Bläser. Der Tenorist Hank Mobley musiziert mit samtigem Ton, entspannter und souveräner als auf manch eigenem Album (weniger nervös?) und zeigt sich ebenso kongenial zu Fuller wie sonst Golson. Zwei Balladen, eine eröffnet sogar das Album, zeigen die sanfte, nachdenkliche Seite Fullers, dessen lyrische Fähigkeiten stärker beeindrucken als die später gesteigerte Bop-Eloquenz des wichtigen J.J. Johnson-Schülers.

Ben Bernie: Sweet Georgia Brown and other hot numbers
Retrieval

Der einst so beliebte Ben Bernie ist heutigen Jazzfreunden, wenn überhaupt, meist als Co-Autor des Evergreens „Sweet Georgia Brown“ bekannt. Allein das schon sollte neugierig auf die Erstaufnahme des Songs machen. Sie findet sich auf dieser Doppel-CD unter 48 Aufnahmen der Jahre 1923 bis 1929, die sich mit Schlagern wie „Ain’t She Sweet“ oder „Yes, Sir, That’s My Baby“, aber auch mit Stücken wie Elingtons frühem „Jig Walk“ nicht nur für Jazz-Spezialisten eignet, sondern für jeden, der für die Golden Twenties typische Tanzmusik sucht. Traditioneller Jazz ist es aus streng puristischer Sicht nicht, aber schmissige Hot-Dance-Musik mit dem einen oder anderen Jazz-Solisten. (Später wurde seine Musik „sweet“.) Aus Jazzwarte ragt Jack Pettis heraus, ein „unsong hero“ des frühen Jazz-Saxophons, der als Pionier meist vergessen wird, vielleicht weil das (auch von Frank Trumbauer gespielte) C-Meloy-Saxophon in der späteren Jazzentwicklung nichts mehr zu vermelden hatte. (Neugierige können ihn auf Youtube mit Bernie sehen, im ersten Film mit einem Jazzsaxophonsolo!) Der Trompeter Bill Moore war einer der ersten Schwarzen in einem weißen Tanzorchester; dafür gab man ihn kurzerhand als Hawaiianer aus! Erwähnung verdient auch der aus späteren Hollywood-Filmen bekannte Pianist und Gershwin-Freund Oscar Levant. Von Ben Bernies Violinspiel ist nicht viel zu hören. „The Ole Maestro“ beschränkte sich weitgehend auf das Leiten der Band und das Rauchen zahlreicher Zigarren.

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