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Ganz nach alter Tradition teilten sich auch bei der diesjährigen Cologne Jazz Night junge Nachwuchsmusiker mit renommierten Stars die Bühne. Diesmal standen besonders Jazzstimmen im Rampenlicht. Die achte Cologne Jazz Night der Hochschule für Musik Köln war ein Musikereignis der Superlative. Dazu beigetragen hat ein niveauvolles Programm, hervorragend präsentiert von Studenten des eigenen Hauses und ihren Gästen. Highlights des Abends waren die norwegische Sängerin Sidsel Endresen und das Refuge Trio von John Hollenbeck – beide bekannt für Improvisation und Stimmakrobatik. Entsprechend dem bisher erfolgreichen Konzept, Nachwuchsmusiker mit professionellen Künstlern auftreten zu lassen, leiteten Sidsel Endresen und John Hollenbeck mehrtägige Workshops, um das Erarbeitete dann gemeinsam auf die Bühne zu bringen. Die sich im Laufe des Abends herauskristallisierende Dominanz der Jazzstimme faszinierte durch die Bandbreite ihrer klanglichen Möglichkeiten in verschiedenen Stil- und Ausdrucksformen. Stimme in traditioneller Jazz-Blues-Manier bis rockig-fetzig oder funkig, folkloristisch und auch mehrstimmig, als Scat oder als experimentierfreudiges Aneinanderreihen von Laut- und Wortfragmenten war in den meisten der insgesamt neun Konzerte zu hören. Zunehmend trat sie immer mehr hervor, bis sie sich zu Höchstformen aufbaute und die Zuhörer völlig in ihren Bann nahm, um am Schluss in einer explosiven Mischung aus Funk, Hip-Hop und Reggae aufzugehen. Den eigentlichen Auftakt der Cologne Jazz Night bestritten schon am Vortag Melodie (Kirsi Schubert) und Rhythmus (Anne Weber-Krüger) mit „Jazz für Pänz“. Bei ihrer Zeitreise durch die Jazzgeschichte wurden sie unterstützt von einer Band hervorragender Musiker (Klavier: Laia Genc, Gesang: Sabine Kühlich, Trompete: Ryan Carniaux, Bass: Markus Braun, Schlagzeug: Nils Tegen) und einer Zeitmaschine, die nur durch das Mitmachen des jungen Publikums in Gang kam. Und so ertönte aus rund 700 Kehlen ein lautstarkes „Wir machen Musik“, klatschten Hände im Takt oder reckten sich in die Luft. Auf diese spielerische wie mitreißende Weise wurden die Kinder mit brasilianisch-jazzigen Klängen des Strands von Ipanema, mit der Trompete von Miles Davis oder mit dem Scatgesang von Ella Fitzgerald vertraut gemacht. „So einen Musikunterricht hätte ich als Kind auch gerne gehabt!“, kommentierte ein Student der Hochschule die Veranstaltung später in der Warteschlange am Bistro. Auf die Jazz Night eingestimmt wurden die nach und nach eintreffenden rund 900 Besucher durch das klassische wie überzeugende Duo von Sebastian Sternal (Piano) und Claudius Valk (Saxophon), die durch ihre spontane und kommunikative Interpretation erzählerisch durch Jazz-Standards und eigene Kompositionen führten. Keine Unbekannten in der deutschen Jazzszene sind Oktoposse, acht eigensinnige Improvisatoren mit großer Spielfreude, die sich stilistisch über alle Grenzen hinweg setzen, ob frei, klassisch oder postrockig, alles, was Spaß macht, ist erlaubt, und dass sie ihren Spaß auf das Publikum übertragen können, haben sie an diesem Abend wieder einmal mehr gezeigt. Die der Weltmusik zuzuordnende Gruppe Ahoar fesselte das Publikum durch ihre harmonische Verbindung von klassischer irakischer Maqam-Musik, einer uralten überlieferten irakischen Gesangsform, mit lyrischen Jazzklängen zu einem neuen Musikstil. Einen Gehörmuschel-Spagat verlangte das unmittelbar anschließende Solo-Konzert von Sidsel Endresen den Zuhörern ab. Schnalzend, summend, gurrend, zischend saß sie allein auf der großen Bühne des Konzertsaals, völlig entspannt, unspektakulär zwischen verlassenen Instrumenten, Stühlen, Pulten und unzähligen Kabeln. Mit der gleichen selbstverständlichen Natürlichkeit bricht, dreht, verlängert und verkürzt sie Laute, Silben und Wörter, die sie aneinandergereiht durch den Raum schwingen, rasen, stolpern oder schlendern lässt. In ihrer lautmalerischen Sprache erzählt sie Geschichten von Stress, Wut, Sehnsucht, Langeweile und Verzweiflung. In den 80er-Jahren bewegte sie sich noch im Spannungsfeld von Jazzrock, Rythm & Blues und Soul und erst mit dem Beginn ihrer Solokarriere 1989 entwickelte sie ihren experimentierfreudigen unverwechselbaren Stil. Improvisation ist für Sidsel Endresen eine strenge Disziplin. „Es gilt, sich immer wieder selbst zu hinterfragen, die eigene Stimme zu finden und nicht darum, Klischees nachzuahmen“, so die Stimm-Künstlerin im Workshop mit Jazzsängerinnen und -sängern der Hochschule für Musik. Begeistert von der Offenheit der Studenten und ihrem hohen Niveau, hätte sie gerne weitergemacht. „I like workshops!“, sagt sie und lacht. Dass ihr das konzentrierte Arbeiten mit immer neuen Musikern Freude macht, hat sie auch durch den Auftritt ihres zweiten Workshops bewiesen. Nach nur drei Proben mit Leo Huhn (Reeds), Lucas Leidinger (Piano), Constantin Herzog (Bass) und Audun Hjort (Drums) überwand die Band schnell ihre anfängliche Unsicherheit und vertraute sich den stimmlichen Einfällen ihrer Sängerin an. Eine gelungene Performance. Improvisation ist auch ein wichtiges Element der „Fallschirme“ um den Kölner Gitaristen Tobias Hoffmann, die keine Hemmungen zeigten, die unterschiedlichsten Stile zu mischen, nostalgisch-schwelgerische oder sphärische Klänge paarten sich mit harten Rhythmen, bizarren Soundcollagen und wildem Gitarrensolo, die ganze Gefühlsskala eines Fallschirmsprungs abdeckend. Bei der anschließend auftretenden Gesangsgruppe „Injumali“ (Lisa Ruhland, Insa Reichwein, Than Mai Susan Kieu, Julia Klomfaß) hatte die Gitarre (Jörg Lehnardt) vor allem eine begleitende Funktion. Injumalis Stärke ist das Covern und Neuarrangieren von Stücken aus Jazz, Rock und Folk. An diesem Abend begeisterten sie das Publikum mit ihrem drei- und vierstimmigen Gesang, zu hören waren Songs von King Crimson über Queen bis zu den Foo Fighters. Anschließend zog es alle in den Konzertsaal. Man war gespannt auf den Sound der Big Band der Hochschule für Musik Köln, nachdem sie mit dem Refuge Trio von John Hollenbeck in einem mehrtägigen Workshop zusammengearbeitet hatte. Hollenbeck, bekannt für seinen expressiv-lyrischen, präzisen wie auch improvisierenden Stil, hatte seine Kompositionen extra für die Kölner Big Band neu arrangiert. „Expect the unexpected with the refuge trio“, schrieb The New Yorker und so durfte man sich auf Neuland gefasst machen. Und in der Tat war vom klassischen Big-Band-Sound nicht mehr viel übrig geblieben. Klassische Vogelstimmen gingen über in abrupte Melodie- und Stimmungswechsel, konterkariert von Dissonanzen und gegenläufigen Tonfolgen, komplexen Rhythmen und Brüchen. „Erst spielten sie stur nach Noten, doch dann verstanden sie die Musik schnell“, lobte Hollenbeck, seit drei Jahren als Professor in Berlin, die hervorragende Leistung der Studenten. Mit den Instrumenten konkurrierte und harmonierte die elegisch-modulationsreiche Stimme von Theo Bleckmann, seine Stimme, eine regelrechte Liebeserklärung an die Töne. Schon als Kind hatte er im Chor Solosopran gesungen. Wegbereitend war für ihn die Begegnung mit Sheila Jordan, es folgten Projekte mit Laurie Anderson, Meredith Monk und John Zorn. Als Klangimprovisator hatte er den Aliens in Spielbergs „Men in Black“ die Stimme geliehen. Heute lehrt er als Professor für Gesang an der Manhatten School of Music. Mit dem Schlagzeuger und Komponisten John Hollenbeck hatte er schon einige Erfahrung als Duo, bevor sie sich 2002 anlässlich des Wall-to-Wall Joni Mitchell Marathon Concert in New York mit dem Pianisten Gary Versace zum Refuge Trio zusammentaten. Gary Versace gehört als „rising star“ zu einem der meist beschäftigten Musiker der Szene. Zusammen mit der Big Band unter der Leitung von Professor Joachim Ullrich boten die drei renommierten Musiker dem Publikum ein einzigartiges Klangerlebnis, das mit einem horrenden Beifall quittiert wurde. Anschließend wurde zu den heißen Rhythmen der Brass Action Heroes, eine siebenköpfige Bläsertruppe mit Schlagzeug und Rapper-Begleitung, im Foyer abgerockt. Anne Kotzan
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