Anzeige |
|
|
Anzeige |
|
Halle hat Maß genommen, nun reden auch alle anderen von der Kulturhauptstadt. Das Festival „Theater der Welt“ macht Mitteldeutschlands graue Diva bunt. An vielen Ecken ist die Stadt in Bewegung und es war kaum zu erwarten, dass neben dem ganzen Theater noch Raum ist für mehr. Doch es war so, weil Pat Metheny einer der wenigen wirklichen Weltstars des Jazz ist. Auf seiner nun schon mehr als 30 Jahre währenden Never-ending-Tour machte er einen der wenigen Deutschlandstopps im Opernhaus. Vier große Topfpalmen auf der Bühne als optische Geschmacksverstärker, ein Sekundant, der ihm die Gitarren hinträgt, knisternde Atmosphäre, die sich umgehend in relaxt staunendes Mitgehen verwandeln wird und dann die Stimme aus dem Off: „Please Welcome...“ Dann sitzt er da. Pat allein zu Haus. Zunächst. Die Bühne wird Wohnstube, Hütte oder ein Platz am Lagerfeuer. Kaum zu glauben, dass dieser Mann 53 ist. Immer noch die langen Kräuselhaare ohne einen Anflug von Grau, Turnschuhe, Jeans, perfektes Understatement und Freundlichkeit pur: ein hochkonzentrierter amerikanischer Sunnyboy, der vor Jahrzehnten aufbrach aus einer Kleinstadt in Missouri, wobei er sein Werk wie eine Endlosschleife wachsen lässt. Er zupft die speziell gestimmte, leicht nach Nashville klingende Baritongitarre. „Make Peace“ heißt das Stück und so ist es auch. Aus dem Stand ist sofort diese melodienselige Harmonie da, die von innen leuchtet und der man überallhin folgen möchte. Keinen Einfall muss er breittreten, weil er viel zu viele davon hat. Dann improvisiert er über ein Thema von Brad Mehldau, mit dem er unlängst zwei Platten aufgenommen hat, wechselt zu einer futuristischen Gitarre mit zwei Hälsen und unübersehbar vielen Saiten, horizontal und diagonal gespannt. Indisch klingt sie und irgendwie spacig. Pat Metheny ist viel zu gut, um sich bei so einem Gerät in Effekten zu verlieren. Er bleibt effektiv. Die Saitenlage ist stabil. Dann erhebt er sich und das Trio hebt ab. Man agiert magisch verzahnt und nie in den letzten Jahren war der Gitarrist so nah beim Jazz. Er zeigt, wie dessen Geschichte seit Wes Montgomery in die Gegenwart zu verlängern ist, wie einer dabei ganz bei sich bleibt und doch alle mitnimmt. Scheinbar endlose Melodiegirlanden schickt er in den Raum, die ganz oben beginnen und dort bleiben. Weil ihm dabei die Ideen einfach nicht ausgehen, hält er diese Höhe. Der Zug rollt, das Tempo ist hoch, aber Anstrengung sieht man nicht. Irgendwann spielt Christian McBride ebenso unverkrampft flink mit den Muskeln und man weiß sofort, warum er aktuell einer der am höchsten gehandelten amerikanischen Bassisten ist. Nichts driftet weg über der groovenden, fintenreichen Basis, die der Mexikaner Antonio Sanchez in höchster Detailgenauigkeit am Schlagzeug baut. Kein Solo-Gegniedel, denn es geht um die Band. Pat Metheny ist ein Mannschaftsspieler. Und jede wird seine, effektiv, unbeschwert, beschwingt, verschleißfrei. Die Blicke untereinander sind so, als würde man sich Frisbeescheiben zuwerfen. Immer wieder hat Metheny neben seiner legendären Group in solchen Trios gearbeitet, mit Charlie Haden und Billy Higgins, Dave Holland und Roy Haynes, Jaco Pastorius und Bob Moses, Larry Grenadier und Bill Stewart. Auch das ist eine endlose Geschichte. Dies zu illustrieren, gießt er neben Stücken von der aktuellen CD „Day Trip“ eine berückende Fassung seines 1976er Debüts „Bright Size Life“ in den Fluss. Zurück aus der Zukunft, Telepathie im Dreieck und alles erneuert sich aus sich selbst, bremst in Akustikballaden, ist Jazz, Reggae, Rock ’n’ Roll, hebt schwerelos ab ins Offene, wo es mit unaufdringlicher Selbstverständlichkeit seine Maßstäbe setzt. Die eines Klassikers. Ulrich Steinmetzger
|
|