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Jazzzeitung
2008/04 ::: seite 18
jazz heute
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Jazz spielt auf bundespolitischer Ebene kaum eine Rolle. Dagegen will
Monika Griefahn, Sprecherin der SPD-Fraktion für Kultur und Medien
im Deutschen Bundestag etwas tun. 1990 holte Ministerpräsident Gerhard
Schröder die bekannte Greenpeace-Aktivistin als Umweltministerin
in sein niedersächsisches Kabinett. Acht Jahre später zog die
Frau mit der charakteristisch roten Mähne als Abgeordnete in den
Bundestag ein und ist dort seitdem für Kultur und Medien zuständig.
Jazzzeitung: Im letzten Jahr hat der Bundestag in einem Antrag zur populären
Musik prominent auch den Jazz thematisiert. Auf solch ein politisches
Zeichen haben Aktive und Fans lange gewartet. Wie kam es dazu?
Monika Griefahn: Es gibt in Deutschland verschiedene öffentliche
Förderprogramme im Bereich der Musik. Allerdings ist in den letzten
Jahren immer wieder klar geworden, dass diese in erster Linie für
klassische Musik und in Teilen auch für Rock und Pop greifen. Jazz
aber fällt aufgrund seiner spezifischen Natur oft in eine Lücke
zwischen so genannter U- und E-Musik und droht, bei der Förderung
vergessen zu werden. Mir war wichtig, dass sich daran etwas ändert.
Jazzzeitung: Die Bayreuther Festspiele werden
bereits Jahrzehnte gefördert
und auch die Bundeskulturstiftung, die unter anderem für alle Musiksparten
zuständig ist, gibt es bereits seit 2002. Warum kommt Jazz erst
jetzt im Bundestag an?
Griefahn: Improvisierte Musik wurde natürlich schon immer als Bestandteil
der Musikkultur begriffen. Aber um dem Jazz gerecht zu werden, braucht
es eben spezifische Überlegungen. Ich bin froh, dass wir im Bundestag
nun auf diesen Diskussionsstand kommen, denn bei einem solchen Thema
hängt auch immer viel davon ab, dass sich genügend Fürsprecher
finden. Derzeit habe ich nicht nur in der SPD und insbesondere in meinem
Kollegen Siegmund Ehrmann, in dessen Heimat das Moers-Festival liegt,
Mitstreiter gefunden, sondern eben auch beim Koalitionspartner, bei dem
es momentan genügend Interessierte und Jazzliebhaber gibt, um so
etwas auf den Weg zu bringen. Jazzzeitung: Was wollen Sie konkret mit dem
Antrag erreichen?
Griefahn: Erstens wollen wir, dass der Jazz bei der
Förderung durch öffentliche
Programme gleichberechtigt wahrgenommen wird. Jazz ist genauso wertvoll
für unsere Kulturlandschaft wie Klassik, Neue Musik, Pop oder Rock.
Das muss auch politisch klar werden. Zweitens wollen wir ganz konkret
Spielstätten mit einem Preis fördern. Und drittens liegt uns
der Export am Herzen, insbesondere das German Jazzmeeting auf der Jazzahead!
in Bremen, das bereits in diesem Jahr vom Bund gefördert wurde.
Jazzzeitung: Warum wollen sie etwas für Spielstätten tun und
nicht beispielsweise für eine bessere Ausbildung?
Griefahn: Die Ausbildungssituation für Musikerinnen und Musiker
ist bei uns sehr gut. Wir haben ein sehr hohes Niveau und brauchen den
Vergleich mit anderen Ländern überhaupt nicht zu scheuen. Aber
es ist doch so: Wer in Deutschland von Jazz leben will, muss in der Regel
einen gut verdienenden Partner oder ein Erbe haben. Wer beides nicht
hat, der verdient seinen Lebensunterhalt meistens mit Unterricht. Wenn
allerdings jemand eigentlich viel lieber auf der Bühne steht als
in einer Musikschule, dann tut das weder den Schülern noch den Lehrern
gut. Deswegen wollen wir helfen, die vorhandene hohe musikalische Qualität
in Deutschland noch stärker auf die Bühne zu bringen. Damit
verbessern wir auch die finanzielle Situation der Künstlerinnen
und Künstler. Im Rock und Pop kann man fehlende Konzerteinnahmen
viel einfacher durch den CD-Verkauf oder Tantiemen aus Rundfunkpräsenz
ausgleichen. Jazz aber findet im Rundfunk leider nur am Rande statt und
sein Anteil am Tonträgermarkt beträgt nur wenige Prozent. Deswegen
müssen wir den Live-Sektor stärken, denn Spielstätten
sind die Orte, an denen improvisierte Musik lebt und entsteht.
Jazzzeitung: Diese Situation spräche eher für die Gründung
neuer Spielstätten als für einen Preis.
Griefahn: Natürlich kann ein Spielstättenpreis nur Teil des
Engagements sein. Direkte Kulturförderung ist allerdings originäre
Aufgabe von Ländern und Kommunen. Nur nehmen noch viel zu wenige
diese Verantwortung für Clubs und Live-Orte für improvisierte
Musik wahr. Von Bundesseite können wir mit einem Preis deutlich
machen, welche Spielstätten ein wirklich ausgezeichnetes Programm
haben und zu den besten in Deutschland gehören. Damit wollen wir
auch Ländern und Kommunen einen Anreiz geben, sich stärker
für ihre Spielstättenkultur vor Ort zu engagieren, denn erst
dann kommen wir einen großen Schritt voran.
Jazzzeitung: Werden mit so einem Preis nicht
nur ohnehin schon erfolgreiche Spielstätten unterstützt?
Griefahn: Wenn Sie künstlerisch erfolgreiche meinen, dann ja. Und
wenn ich sehe, wie schwer es für Jazz-Veranstalter ist, mit einem
anspruchsvollen und innovativen Programm Geld zu verdienen, dann sind
die Preisgelder in jedem Fall gut angelegt. Preise sollen übrigens
nicht nur an renommierte Clubs gehen. Stattdessen sollen beispielsweise
auch ehrenamtliche Vereine, die vielleicht nur jeden Monat eine Veranstaltung
durchführen können, beachtet werden.
Jazzzeitung: Wann wird es die erste Preisverleihung geben?
Griefahn: Soweit sind wir leider noch nicht. Der Deutsche Bundestag hat
die Bundesregierung beauftragt, einen solchen Preis umzusetzen. Unter
anderem haben wir dafür Mittel im Rahmen der Initiative Musik zur
Verfügung gestellt. Der Aufsichtsrat der Initiative muss nun einen
Vorschlag für einen solchen Preis machen. Leider steht das noch
aus. Bei einem Gespräch mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Dieter
Gorny und der Geschäftsführerin Ina Keßler im Ausschuss
für Kultur und Medien Ende Juni haben die Abgeordneten jedoch erneut
auf einen Spielstättenpreis gedrungen, worauf uns Ergebnisse zugesagt
wurden.
Jazzzeitung: Unter anderem der Jazzbeirat des
Deutschen Musikrates und der Verband Jazz&WorldPartners halten die Förderhürden
bei der Initiative Musik für zu hoch. Teilen Sie diese Kritik?
Griefahn: Da bin ich tatsächlich skeptisch, ob 25.000 Euro Gesamtprojektsumme
und 60 Prozent Eigenbeteiligung nicht Nachwuchsprojekte gerade im Jazzbereich
von vornherein ausschließen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass
besonders viele Bands die 15.000 Euro Eigenanteil selbst aufbringen können
und auch nicht, dass beispielsweise ein Jazzlabel in der Lage ist, den
Verkauf so vieler CDs zu garantieren, dass es dieses Risiko eingeht.
Aber laut Initiative Musik sind innerhalb von drei Wochen bereits über
270 Projektanträge eingegangen, so dass zu hoffen ist, dass es auch
aus dem Jazzbereich zahlreiche Bewerber gibt. Sollten Künstlerinnen
und Künstler aus diesem Bereich aber aufgrund der Förderkriterien
zu geringe Chancen haben, so werden wir darauf drängen, dass die
Richtlinien auch für den Jazz angepasst werden.
Jazzzeitung: Die Verleihung des Preises ist noch unkonkret,
es ist nicht klar, wie gut die Initiative für den Jazz-Bereich greift – so
richtig angekommen scheint die Botschaft des Bundestages noch nicht zu
sein.
Griefahn: Natürlich ist es nicht einfach, mit einem Thema durchzudringen,
das im politischen Betrieb alles andere als ein Schwergewicht ist. Angesichts
dessen war die prominente Verankerung von Jazz in einem Antrag des Deutschen
Bundestages bereits ein großer Erfolg. Jetzt kommt es auf den langen
Atem an, die Thematik immer weiter in der Diskussion zu halten und auf
der Umsetzung unserer Forderungen zu bestehen. Ich persönlich habe
diesen langen Atem. Aber allein schaffe ich das nicht. Ich habe das Gefühl,
in der Jazzszene wird oft erwartet, dass die Politik kommt und Angebote
macht. „Raus aus dem Elfenbeinturm’“, kann ich da nur
sagen. Wer etwas will, muss auf Politik zugehen, seine Situation vermitteln
und Forderungen stellen, sonst bleiben seine Anliegen ungehört oder
unverstanden.
Jazzzeitung: Noch ein anderes Thema, das Spielstätten wie Musiker
gleichermaßen interessiert. Die GEMA, ihre komplizierten Tarife,
bürokratischen Abrechnungssysteme und undurchsichtigen Auszahlungsmodalitäten
stehen seit Jahren in der Kritik. Welche Möglichkeiten hat der Deutsche
Bundestag hier die Situation zu verbessern?
Griefahn: Prinzipiell steht die große Bedeutung von Verwertungsgesellschaften
außer Frage. Aber in dem Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur
in Deutschland“ haben wir zahlreiche Probleme benannt. Wir sehen
Verbesserungsbedarf bei der Transparenz, bei zu hohen Verwaltungskosten,
bei der Einbindung unterschiedlicher Mitgliedergruppen oder bei Tarifen
für gemeinnützige Strukturen. Die Enquete-Kommission hat ganz
klar empfohlen, die staatliche Aufsicht über die GEMA zu verstärken
und in Zukunft genauer hinzusehen, was im Einzelnen geschieht. Wir befassen
uns bereits mit der Umsetzung dieser einzelnen Vorschläge.
Hier muss etwas geschehen, denn gerade auch im Jazzbereich wird manchmal
deutlich, dass die GEMA weder Veranstaltern noch Musikern gerecht wird. Das Gespräch führte Dominik Reif
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