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Jazzzeitung

2008/04  ::: seite 18

jazz heute

 

Inhalt 2008/04

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig / Die Abenteuer des Werner Steinmälzl, Teil 4 / Cat Anderson / Zum Tod von Esbjörn Svensson


TITEL - Generation Swing
Hugo Strasser ist Preisträger der German Jazz Trophy 2008


DOSSIER
- Erst das Fressen, dann der Jazz
Stipendien und Fördermaßnahmen in Deutschland

Berichte
Jazz an der Donau 2008 // Pat Metheny im Juli in der Oper Halle // Jazzsommer 2008 im Bayerischen Hof // Till Brönner und Band bei den Regensburger Schlossfestspielen 2008 // 26. Südtirol Jazzfestival Alto Adige // Preview: International Stride Piano Summit am 31. Oktober im Münchner Amerika Haus


Portraits

Torsten Goods // Niels Klein und seine Arbeit mit dem European Youth Jazz Orchestra // David Sanborn mit neuem Album und im Interview


Jazz heute und Education
Die Politikerin Monika Griefahn im Interview // Wolfram Knauer über seine Zeit an der New Yorker Columbia University // Johnny Griffins Solo über „The Boy Next Door“

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

 

Raus aus dem Elfenbeinturm

Die Politikerin Monika Griefahn im Interview

Jazz spielt auf bundespolitischer Ebene kaum eine Rolle. Dagegen will Monika Griefahn, Sprecherin der SPD-Fraktion für Kultur und Medien im Deutschen Bundestag etwas tun. 1990 holte Ministerpräsident Gerhard Schröder die bekannte Greenpeace-Aktivistin als Umweltministerin in sein niedersächsisches Kabinett. Acht Jahre später zog die Frau mit der charakteristisch roten Mähne als Abgeordnete in den Bundestag ein und ist dort seitdem für Kultur und Medien zuständig.

Jazzzeitung: Im letzten Jahr hat der Bundestag in einem Antrag zur populären Musik prominent auch den Jazz thematisiert. Auf solch ein politisches Zeichen haben Aktive und Fans lange gewartet. Wie kam es dazu?
Monika Griefahn: Es gibt in Deutschland verschiedene öffentliche Förderprogramme im Bereich der Musik. Allerdings ist in den letzten Jahren immer wieder klar geworden, dass diese in erster Linie für klassische Musik und in Teilen auch für Rock und Pop greifen. Jazz aber fällt aufgrund seiner spezifischen Natur oft in eine Lücke zwischen so genannter U- und E-Musik und droht, bei der Förderung vergessen zu werden. Mir war wichtig, dass sich daran etwas ändert.

Jazzzeitung: Die Bayreuther Festspiele werden bereits Jahrzehnte gefördert und auch die Bundeskulturstiftung, die unter anderem für alle Musiksparten zuständig ist, gibt es bereits seit 2002. Warum kommt Jazz erst jetzt im Bundestag an?
Griefahn: Improvisierte Musik wurde natürlich schon immer als Bestandteil der Musikkultur begriffen. Aber um dem Jazz gerecht zu werden, braucht es eben spezifische Überlegungen. Ich bin froh, dass wir im Bundestag nun auf diesen Diskussionsstand kommen, denn bei einem solchen Thema hängt auch immer viel davon ab, dass sich genügend Fürsprecher finden. Derzeit habe ich nicht nur in der SPD und insbesondere in meinem Kollegen Siegmund Ehrmann, in dessen Heimat das Moers-Festival liegt, Mitstreiter gefunden, sondern eben auch beim Koalitionspartner, bei dem es momentan genügend Interessierte und Jazzliebhaber gibt, um so etwas auf den Weg zu bringen.

Jazzzeitung: Was wollen Sie konkret mit dem Antrag erreichen?
Griefahn: Erstens wollen wir, dass der Jazz bei der Förderung durch öffentliche Programme gleichberechtigt wahrgenommen wird. Jazz ist genauso wertvoll für unsere Kulturlandschaft wie Klassik, Neue Musik, Pop oder Rock. Das muss auch politisch klar werden. Zweitens wollen wir ganz konkret Spielstätten mit einem Preis fördern. Und drittens liegt uns der Export am Herzen, insbesondere das German Jazzmeeting auf der Jazz­ahead! in Bremen, das bereits in diesem Jahr vom Bund gefördert wurde.

Jazzzeitung: Warum wollen sie etwas für Spielstätten tun und nicht beispielsweise für eine bessere Ausbildung?
Griefahn: Die Ausbildungssituation für Musikerinnen und Musiker ist bei uns sehr gut. Wir haben ein sehr hohes Niveau und brauchen den Vergleich mit anderen Ländern überhaupt nicht zu scheuen. Aber es ist doch so: Wer in Deutschland von Jazz leben will, muss in der Regel einen gut verdienenden Partner oder ein Erbe haben. Wer beides nicht hat, der verdient seinen Lebensunterhalt meistens mit Unterricht. Wenn allerdings jemand eigentlich viel lieber auf der Bühne steht als in einer Musikschule, dann tut das weder den Schülern noch den Lehrern gut. Deswegen wollen wir helfen, die vorhandene hohe musikalische Qualität in Deutschland noch stärker auf die Bühne zu bringen. Damit verbessern wir auch die finanzielle Situation der Künstlerinnen und Künstler. Im Rock und Pop kann man fehlende Konzerteinnahmen viel einfacher durch den CD-Verkauf oder Tantiemen aus Rundfunkpräsenz ausgleichen. Jazz aber findet im Rundfunk leider nur am Rande statt und sein Anteil am Tonträgermarkt beträgt nur wenige Prozent. Deswegen müssen wir den Live-Sektor stärken, denn Spielstätten sind die Orte, an denen improvisierte Musik lebt und entsteht.

Jazzzeitung: Diese Situation spräche eher für die Gründung neuer Spielstätten als für einen Preis.
Griefahn: Natürlich kann ein Spielstättenpreis nur Teil des Engagements sein. Direkte Kulturförderung ist allerdings originäre Aufgabe von Ländern und Kommunen. Nur nehmen noch viel zu wenige diese Verantwortung für Clubs und Live-Orte für improvisierte Musik wahr. Von Bundesseite können wir mit einem Preis deutlich machen, welche Spielstätten ein wirklich ausgezeichnetes Programm haben und zu den besten in Deutschland gehören. Damit wollen wir auch Ländern und Kommunen einen Anreiz geben, sich stärker für ihre Spielstättenkultur vor Ort zu engagieren, denn erst dann kommen wir einen großen Schritt voran.

Jazzzeitung: Werden mit so einem Preis nicht nur ohnehin schon erfolgreiche Spielstätten unterstützt?
Griefahn: Wenn Sie künstlerisch erfolgreiche meinen, dann ja. Und wenn ich sehe, wie schwer es für Jazz-Veranstalter ist, mit einem anspruchsvollen und innovativen Programm Geld zu verdienen, dann sind die Preisgelder in jedem Fall gut angelegt. Preise sollen übrigens nicht nur an renommierte Clubs gehen. Stattdessen sollen beispielsweise auch ehrenamtliche Vereine, die vielleicht nur jeden Monat eine Veranstaltung durchführen können, beachtet werden.
Jazzzeitung: Wann wird es die erste Preisverleihung geben?
Griefahn: Soweit sind wir leider noch nicht. Der Deutsche Bundestag hat die Bundesregierung beauftragt, einen solchen Preis umzusetzen. Unter anderem haben wir dafür Mittel im Rahmen der Initiative Musik zur Verfügung gestellt. Der Aufsichtsrat der Initiative muss nun einen Vorschlag für einen solchen Preis machen. Leider steht das noch aus. Bei einem Gespräch mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Dieter Gorny und der Geschäftsführerin Ina Keßler im Ausschuss für Kultur und Medien Ende Juni haben die Abgeordneten jedoch erneut auf einen Spielstättenpreis gedrungen, worauf uns Ergebnisse zugesagt wurden.

Jazzzeitung: Unter anderem der Jazzbeirat des Deutschen Musikrates und der Verband Jazz&WorldPartners halten die Förderhürden bei der Initiative Musik für zu hoch. Teilen Sie diese Kritik?
Griefahn: Da bin ich tatsächlich skeptisch, ob 25.000 Euro Gesamtprojektsumme und 60 Prozent Eigenbeteiligung nicht Nachwuchsprojekte gerade im Jazzbereich von vornherein ausschließen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass besonders viele Bands die 15.000 Euro Eigenanteil selbst aufbringen können und auch nicht, dass beispielsweise ein Jazzlabel in der Lage ist, den Verkauf so vieler CDs zu garantieren, dass es dieses Risiko eingeht. Aber laut Initiative Musik sind innerhalb von drei Wochen bereits über 270 Projektanträge eingegangen, so dass zu hoffen ist, dass es auch aus dem Jazzbereich zahlreiche Bewerber gibt. Sollten Künstlerinnen und Künstler aus diesem Bereich aber aufgrund der Förderkriterien zu geringe Chancen haben, so werden wir darauf drängen, dass die Richtlinien auch für den Jazz angepasst werden.

Jazzzeitung: Die Verleihung des Preises ist noch unkonkret, es ist nicht klar, wie gut die Initiative für den Jazz-Bereich greift – so richtig angekommen scheint die Botschaft des Bundestages noch nicht zu sein.
Griefahn: Natürlich ist es nicht einfach, mit einem Thema durchzudringen, das im politischen Betrieb alles andere als ein Schwergewicht ist. Angesichts dessen war die prominente Verankerung von Jazz in einem Antrag des Deutschen Bundestages bereits ein großer Erfolg. Jetzt kommt es auf den langen Atem an, die Thematik immer weiter in der Diskussion zu halten und auf der Umsetzung unserer Forderungen zu bestehen. Ich persönlich habe diesen langen Atem. Aber allein schaffe ich das nicht. Ich habe das Gefühl, in der Jazzszene wird oft erwartet, dass die Politik kommt und Angebote macht. „Raus aus dem Elfenbeinturm’“, kann ich da nur sagen. Wer etwas will, muss auf Politik zugehen, seine Situation vermitteln und Forderungen stellen, sonst bleiben seine Anliegen ungehört oder unverstanden.

Jazzzeitung: Noch ein anderes Thema, das Spielstätten wie Musiker gleichermaßen interessiert. Die GEMA, ihre komplizierten Tarife, bürokratischen Abrechnungssysteme und undurchsichtigen Auszahlungsmodalitäten stehen seit Jahren in der Kritik. Welche Möglichkeiten hat der Deutsche Bundestag hier die Situation zu verbessern?
Griefahn: Prinzipiell steht die große Bedeutung von Verwertungsgesellschaften außer Frage. Aber in dem Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ haben wir zahlreiche Probleme benannt. Wir sehen Verbesserungsbedarf bei der Transparenz, bei zu hohen Verwaltungskosten, bei der Einbindung unterschiedlicher Mitgliedergruppen oder bei Tarifen für gemeinnützige Strukturen. Die Enquete-Kommission hat ganz klar empfohlen, die staatliche Aufsicht über die GEMA zu verstärken und in Zukunft genauer hinzusehen, was im Einzelnen geschieht. Wir befassen uns bereits mit der Umsetzung dieser einzelnen Vorschläge.
Hier muss etwas geschehen, denn gerade auch im Jazzbereich wird manchmal deutlich, dass die GEMA weder Veranstaltern noch Musikern gerecht wird.

Das Gespräch führte Dominik Reif

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