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Vor langer Zeit, in einer weit, weit entfernten Galaxis, hatte das Böse
die Macht im Universum an sich gerissen und die friedlichen Völker
des Planeten Erde mit Krieg überzogen. Die Menschen sehnten sich
danach, ihr Leid hinter sich zu lassen und sich wieder der unbeschwerten
Leichtigkeit des Tanzes hinzugeben. Da zogen einige junge Helden, in
denen die Macht des Guten stark war, aus, um den Menschen in den dunklen
Zeiten wieder Hoffnung zu geben und die Welt vom Elend der Marschmusik
zu erlösen. Sie waren der Lichtstrahl, der die ewige Nacht beenden
sollte. Man nannte sie ehrfürchtig, „Swing-Heinis“ ... Sie wurden zu Ikonen einer Kriegsgeneration, die nichts so nötig hatte wie die Rückkehr zur Lebenslust, zur unbeschwerten Ausgelassenheit, zur befreienden Magie der Musik und des Tanzes. Diese „Helden“, die so anders waren als die, denen man noch ein paar Jahre zuvor zugewunken hatte, als sie im Gleichschritt zum Takt einer ganz anderen Musik in den Tod marschiert waren. Ausgestattet mit der betonten Lässigkeit ihrer amerikanischen Vorbilder und der selbstbewussten Coolness von Privilegierten, die wissen, dass sie mehr haben als die anderen, waren die Musiker unter den ersten, die sich in dem neuen Leben zurechtfanden, das nach der Stunde Null begann. Bereits in den ersten Nachkriegstagen, als die Deutschen in der Ausweglosigkeit der sie umgebenden Trümmerlandschaft noch ihre Wunden leckten, erstand in den unversehrt gebliebenen Kellern der zerstörten Städte eine neue Welt aus Tanzlokalen, Bars, Anmachschuppen, Bordellen und Spielhöllen. Die wohlverdiente Annehmlichkeit für das Heer der Sieger und ein Glücksfall für Musiker wie Max Greger, Hugo Strasser, Freddie Brocksieper, Kurt Edelhagen, Erwin Lehn und andere, die zur rechten Zeit am zwielichtigen Ort waren und keine Scheu vor der blühenden, mitunter aber auch gefährlichen Halbwelt hatten, die sich ihnen darbot. Dann ließ sich prächtig verdienen, vor allem, wenn man nach dem „Dienst“ die in Naturalien ausbezahlte Gage auf dem Schwarzmarkt verhökerte. Als sich nach dem Ende der Ausgangssperre endlich auch die Deutschen wieder in den Vergnügungsetablissements blicken ließen, wurden die Swingmusiker schnell populär und zogen von den kleinen Bühnen der Ami-Clubs auf die Podien der großen Tanzsäle um. Vor allem Max Greger und Hugo Strasser schafften es, die Anziehungskraft, die der Swing auf die Deutschen ausübte, für sich zu nutzen. Groß geworden in der Band des Swingschlagzeugers Freddie Brocksieper in München lieferten sie bald mit ihren eigenen Bands den Sound für zahllose Bälle und Tanzveranstaltungen der 50er- und 60er-Jahre, spielten mit ihren Orchestern Film- und Fernsehmusiken ein und füllten deutschlandweit die Konzertsäle. Strassers Kooperation mit dem Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverband führte gar zu einer Art Monopolstellung bei der Aufnahme von Tanzplatten, für die der Bandleader regelmäßig ausgezeichnet wurde. Andere Bandleader wie Kurt Edelhagen, Erwin Lehn oder auch Paul Kuhn sorgten mit ihren legendären Rundfunkorchestern für die Verbreitung der swingenden Tanzmusik und vor allem für eine ständige Präsenz von Livemusik in den Medien. Mit riesigen Schallplattenumsätzen stieß in den 70er-Jahren auch der ehemals als bester deutscher Jazzbassist gerühmte James Last mit seinem Orchester zur Riege der dominierenden Bandleader. Seine Musik, der „Happy Sound“, war einer ständigen Gratwanderung zwischen Kommerz und leicht verdaulichen Jazzklängen unterworfen und näherte sich mehr der Pop- und Schlagermusik an. Ähnlich praktizierte es Bert Kaempfert, der „Vater des Easy Listening“, mit seinem Orchester, dessen oberste Maxime es war, Musik zu machen, „die niemandem wehtut“. Obwohl sich die Swingmusiker also Ende der 60er- Anfang der 70er-Jahre schon sehr weit vom ursprünglichern Swingideal entfernt hatten und Lichtjahre vom Tun der Modern-Jazzer getrennt waren, bestückten die Bandleader ihre Ensembles immer wieder mit Topmusikern der internationalen Modernjazz-Szene, was mitunter in absurden Szenerien mündete, wenn zum Beispiel Benny Bailey mit Max Gregers Orchester im Seppelhut und Karohemd ins Fernsehstudio einmarschierte. Über den musikalischen Wert dieser Post-Swing-Schlagerwelt lässt sich trefflich streiten, vergessen darf man dabei allerdings nicht, dass eine ganze Generation beim Klang gewisser Namen immer noch automatisch mit den Hüften wackelt und man es trotz aller Vorbehalte mit einem Teil deutscher Musik- und eben auch Jazzgeschichte zu tun hat. Deshalb ist es auch ein Jazzpreis, den einer dieser „Grandseigneurs“ des Swing mit der German Jazz Trophy 2008 im Oktober erhält. Der heute 86-Jährige Hugo Strasser wird damit für sein lebenslanges Wirken im musikalischen Kosmos der Swingmusik geehrt. Er ist ein Nimmermüder, der immer noch regelmäßig, nicht mehr ganz so oft wie früher, auf der Bühne steht, mit seiner eigenen Band und die letzten neun Jahre über auch mit seinen Bandkollegen von früher, den Co-„Swinglegenden“ Max Greger und Paul Kuhn. Er empfindet das Musikerdasein als Privileg und bis heute treibt ihn die Aussicht auf die Stunden, die er auf der Bühne verbringt, weiter an. „50 Jahre über habe ich immer nur gespielt“, erinnert sich Strasser. „Das war mein Leben und ich bin mehr als dankbar, dass ich das immer noch tun kann. Wenn ich irgendwann nicht mehr spielen kann, dann möchte ich auch in Würde abtreten.“ Einstweilen plant der agile Klarinettist und Bandleader bereits weitere Konzerte mit den Swinglegenden, bei denen Paul Kuhn, der in Zukunft wieder mit seiner eigenen Band tourt, von Bill Ramsey und den Kessler Zwillingen ersetzt wird. Bei der Verleihung der German Jazz Trophy 2008 in Stuttgart wird Strasser zusammen mit Solisten der SWR Big Band auftreten. Jörg Lichtinger
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