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Derzeit müssen sich einige Jazzfestivals den Vorwurf gefallen lassen, der Jazz würde in den Festivalprogrammen nach und nach zum Nebenschauplatz verkommen und ein zunehmender Anteil der Startplätze an Künstler aus der Grauzone zwischen Pop-, Soul- und Weltmusik verteilt. Auch das Programm des Münchner Jazzsommers 2008 im Hotel Bayerischer Hof ließ einige Zugeständnisse an den vermeintlich wenig belastbaren Publikumsgeschmack vermuten. Neben den Soul-Veteranen Pee Wee Ellis und Fred Wesley, die mit ihrem „African Tribute to James Brown“ an ihren alten Weggefährten erinnerten, gaben sich im Night Club mit den Brooklyn Funk Essentials, Joe Louis Walker und John Lee Hooker Jr. vor allem Funk-, Blues- und R&B-Acts die Ehre. Mit Ivan Lins bekam auch die Música Popular Brasileira ihr Forum. Da roch es beinahe nach Wiedergutmachung, dass es auch der schwer verdauliche, musikalisch anspruchsvolle Altist und Komponist Steve Coleman ins diesjährige Programm geschafft hatte. Zugegeben, auch der Münchner Klaviersommer, wie das Festival früher hieß, war am Ende seinem Namen nicht mehr gerecht geworden. Wenn der Jazzsommer keinen Jazz mehr böte, wäre das allerdings schwerwiegender als ein Klaviersommer, der sich auch anderen Instrumenten öffnet. Vergessen darf man jedoch nicht, dass der Bayerische Hof das Programm seit dem letzten Jahr alleine stemmt und es deshalb erheblich eindampfen musste. Man mag lästern über die breite stilistische Öffnung, die im Bayerischen Hof sicherlich zur Philosophie gehört, an der hohen Qualität der engagierten Künstler hat sich zum Glück nichts geändert. Als Pee Wee Ellis und Fred Wesley am Eröffnungsabend mit einer phänomenalen Band zur Attacke bliesen, steuerte der Abend unaufhaltsam auf die funky „Houseparty“ zu, die Wesley in seinem Song verewigt hat. Der senegalesische Stargast, der Gitarrist und Sänger Cheikh Lô, war hingegen keine wirkliche Bereicherung und konnte mehr durch seine skurile Erscheinung als durch musikalische Präsenz punkten. Im Night Club bewiesen dann die Brooklyn Funk Essentials ihre grandiosen Live-Qualitäten, indem sie die ohnehin schon aufgeheizte Stimmung noch steigerten. Ihre Mischung aus R&B, HipHop und Funk zündete derartig, dass man den ersten Tag des Festivals nur als exzessiv bezeichnen kann. Ähnliche Höhen erreichte erst wieder der Brasilianer Ivan Lins, der das Publikum mit seinen jazzig arrangierten und hervorragend komponierten Popsongs zum Singen und das Festival zu einem stimmigen Abschluss brachte. Einziger Kontrapunkt in dieser Woche war das Konzert von Steve Coleman mit seiner Band Five Elements und der experimentellen HipHop-Formation Opus Akoben. Fast impressionistisch hätte man die ewig dahinfließende Musik, kaum durch Themenbögen strukturiert, nennen können, wären da nicht die beiden Schlagzeuger Tyshawn Sorey und Jay Nichols gewesen, die die Grooves im Unsisono so perfekt und mit einem so unglaublichen Druck vor sich her trieben, dass es eine wahre Freude war. Im Zusammenspiel mit dem ebenfalls doppelt besetzten Bass (Thomas Morgan und Ezra Greer) war diese wuchtige Rhythm-Section die Attraktion des Abends, der ansonsten doch einige Fragen aufwarf. Der aktuelle Trend weg vom swingenden Jazz ist bei Festivals wie dem Jazzsommer nicht zu leugnen. Allerdings interessiert das nach fünf Tagen mit überwiegend gelungenen Konzerten vermutlich kaum noch jemanden, denn eines muss gesagt sein, man hat es in diesem Jahr richtig krachen lassen. Jörg Lichtinger |
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