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Es gibt Momente, in denen steht unzweifelhaft fest: einiges läuft schief in Deutschland, in der Musikindustrie und überhaupt. Warum belästigt uns wochenlang der megageile Top-Produzent Didi Bohlen, wenn in Augsburg ein Produzent lebt, der rein künstlerisch einen ganzen anderen Anspruch hat, den aber vermitteln könnte, wenn man ihn ließe. Die entscheidende Frage muss lauten: was würden die Superstars trällern, wäre Harry Kulzer der Produzent auf der RTL-Couch?
Um Antworten zu finden, sollte man Harry Kulzer kennenlernen. Gleich zu Beginn wird manchem die berühmte „Ah“-Sprechblase symbolisch über der Stirn aufgehen. Harry Kulzer war Mitglied/Bassist der ehemaligen Neuen Deutschen Welle Band „United Balls“, die in den 80er-Jahren mit Hits wie „Pogo in Togo“ für Furore sorgten, eine Million Tonträger verkauften und diverse Landeshitparaden anführten. Nach der Welle blieb Harry Kulzer musikalisch und zeichnete sich für diverse Theater- und Bühnenmusiken verantwortlich. Nebenbei oder zeitgleich war er als Dozent an der Münchner Volkshochschule tätig, als Schauspieler und Komponist bei den Salzburger Festspielen (Szene der Jugend), verdingt sich als musikalischer Leiter und Komponist des Musicals „Timuria“ (Unicef Schirmherrschaft) und gab sich ganz gewöhnlichen kommerziellen Produzentenaufgaben hin mit Werbespotmusiken für Alfa Romeo, Persil, Toyota, Hewlett Packard oder MAN. Zudem zog es ihn als Produzent wie Musiker durch alle Musikrichtungen. Punk mit „United Balls“, Musiken für das Theater, Jazz, Fernsehen. „In diesen Nischen habe ich oft erlebt dass viele Leute, wenn man gute Arbeit abgeliefert hat, durchaus ansprechend auf einen „Neuen“ reagieren. Dazu sollte man wissen, dass Theater ein sehr inzestuöser Betrieb ist. Zwei, drei Stücke kann man man durchhalten, aber irgendwann wird es mit den Regisseuren und den Schauspielern langweilig. Das ist der Punkt, an dem es mich nicht mehr interessiert. Dann höre ich sofort auf“. Warum will Harry Kulzer den Durchbruch nicht schaffen? Ist er einer der wenigen, der die Nische glücklich auch ohne Öffentlichkeit ausfüllt? Den man in Augsburg findet – nicht in Berlin oder Hamburg? „Richtig“, bestätigt er, „das immer wieder von vorne anfangen reizt mich. Mir ist völlig klar, dass ich mit meinem Soloprogramm ,Mr. Harry Kulzer‘ und der dazugehörigen CD nie ein Major Thema werde. Allerhöchstens in dieser kleinen Nische des Jazz. Mein Leben lang habe ich im stillen Kämmerchen Boogie gespielt, so dass ich das mittlerweile schon sehr gut kann. Aber kommerziell habe ich das nie ausgeschlachtet. Ich hoffe, dass die Leute auf diese Authentizität und dieses direkte Erleben wieder Lust haben“. Was Authentizität wirklich bedeutet erklärt Harry Kulzer am
Beispiel seiner CD „Just a Piano Player“ (siehe JZ 5/03),
die Begleitwerk zum Liveprogramm ist. „Im Gegensatz zu vielen Plattenaufnahmen,
die schon machte, konnte ich bei „Just a Piano Player zum ersten
Mal ein richtiges Livefeeling wahrnehmen. Das ist mir bis dahin noch nicht
passiert. Ich habe für mich live gespielt“. |
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