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Es war 1987, als ein alter Tin-Pan-Alley-Schlager aus den Roaring Twenties die englische Hitparade eroberte: „My Baby Just Cares For Me“. Die Interpretin dieses swingenden Schlagers war zu dieser Zeit fast schon vergessen: Nina Simone. Eine Firma hatte ihre dreißig Jahre alte „Bethlehem“-Version als Werbejingle benutzt. So kamen zu dieser Zeit auch Soul-Legenden wie Marvin Gaye & Jackie Wilson mit alten Hits wieder in die Charts. Ihre Stimmen und Lieder dienten als „Duft“ für bestimmte Markenprodukte, in Nina Simones Fall war es für ein Parfüm, Chanel.
Anfang der neunziger Jahre erschien Simones rührende Autobiografie, zuerst in England, dann in Frankreich und in Deutschland. In jedem Land spielte der Titel auf einen anderen Hit ihrer Karriere an: „I Put A Spell On You“, „Ne me quitte pas“ oder „Young, Gifted And Black“. Irgendwie war Nina Simone in allen Stilen zuhause: Pop, Chanson oder Soul. Auf ihre jazzige Art verwandelte sie mit viel Frenchness Broadway-Hits wie „Feeling Good“ oder Hollywood-Balladen wie „Wild Is The Wind“ in etwas ganz eigenes: einen bitter-süßen Simone-Song. Schon in den späten Fünfzigern war dieser Stil entstanden, als sie sich mit einer kunstvollen Version von Gershwins „I Love You, Porgy“ in die Hitparaden sang. Nina Simone wurde am 21. Februar 1933 als Eunice Waymons in Tyron, North Carolina geboren. Zerrissen zwischen einer tyrannischen Mutter und einem schwachen Vater, zwischen weißer und schwarzer Musik, entschied sie sich anfangs für Bach – der auch später noch ihr „Pate“ bleiben wird. Doch eine Karriere als schwarze klassische Pianistin blieb ihr verwehrt. So wandte sie sich der populären Musik zu, dem Great American Songbook & den Tin-Pan-Alley-Gassenhauern. Später folgten Kurt Weills „Seeräuberjenny“, Billie Holidays „Strange Fruit“ oder Randy Newmans „Baltimore“. Doch immer klangen am Klavier sehnsuchtsvoll ihre „roots“ durch: Bach & Mozart, Debussy & Ravel. Der Musikkritiker Konrad Heidkamp hat Nina Simone in seiner sehr persönlichen Musikgeschichte „It’s all over now“ ein eigenes Kapitel gewidmet. Ein Leben lang hatte Nina Simone gegen alle bösen Geister der Vergangenheit gekämpft. Und wie die „Seeräuberjenny“ hatte sie sich mit dem „Gewehr im Kopf“ bittere Rache geschworen: „Dann würden sie sehen, was sie ihr angetan hatten, die Weißen, die Schwarzen, die Männer, die Ignoranten, die Jury des Curtis Institute in Philadelphia, die sie nach einer Aufnahmeprüfung ablehnte.“ Doch das Schiff mit den acht Segeln kam nicht. Und so wurde sie zur Folksängerin, zur Bürgerrechtskämpferin, zur schwarzen Stimme Amerikas. Irgendwann in den achtziger Jahren hat Nina Simone schließlich in Südfrankreich ihre letzte Heimat gefunden, wo sie am 21. April auch starb. Die Nachricht von Nina Simones Tod spukt noch in meinem Kopf herum, als ich im Kino ihrer Stimme wiederbegegne, in John Malkovichs Regiedebüt „The Dancer Upstairs“. Über Nacht ist die gebrochene Stimme aus dem Off, die immer noch von Gerechtigkeit träumt, zur Stimme aus dem Jenseits geworden, die am Ende das alte Lied anstimmt: „Who Knows Where The Time Goes“. Viktor Rotthaler
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