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Manfred Rehm vom Jazzclub „Birdland“ in Neuburg an der Donau hat es schon oft erleben müssen - die Flüchtigkeit des Jazz, was das Andenken verstorbener Musiker betrifft, die zu Lebzeiten nicht die Berühmtheit eines Miles Davis oder Ellington erlangten: „Die Leut’ sterben weg und man hört nie wieder was: Weder ihre Musik, noch ihre Platten, noch ihre Biografie.“ Bei Attila Cornelius Zoller (geb. 1927), dem vor fünf Jahren in
den USA verstorbenen (Todestag: 25. Januar 1998) Gitarristen, wäre
dies besonders schmerzhaft. Denn Zoller war nicht nur ein großer,
bis heute unterschätzter Gitarrist, sondern vieles andere mehr: Gitarren-
und Jazzlehrer etwa von Pat Metheny („Thanks to Attila, I became
a Jazz musician“), prägende Figur des deutschen Nachkriegsjazz,
gute Seele der Gitarristenszene auf dieser wie auf der anderen Seite des
großen Teichs, Komponist von Ohrwürmern wie „The Birds
and the Bees“ – die Liste ließe sich beinahe beliebig
fortsetzen.
Geboren wurde Zoller 1927 in Visegrad bei Budapest, wo er 1946/47 seine
ersten Schritte als Profimusiker machte. Wenig später begann der
Ungar seine große, auch künstlerische Wanderung gen Westen,
die ihn zuletzt nach New York und Vermont führen sollte, ohne dass
er dabei je den Kontakt zu seinen europäischen „Heimaten“
und den dort erfahrenen Prägungen verloren hätte: Im swingenden
Wien begeisterte er die Akkordeonistin Vera Auer für den George-Shearing-Sound
und das Vibraphon. In Deutschland war er schon bald der führende
und innovativste Jazz-Gitarrist. Er spielte mit der Pianistin Jutta Hipp,
den beiden Mangelsdorffs, dem Tenorsaxofonisten Hans Koller und dem Ex-Ellington-Bassisten
Oscar Pettiford, deren Aufnahmen mit Zoller zu „den Höhepunkten
des europäischen Cool Jazz“ (M. Woelfle) gehören. Doch Zoller war als stilistischer, bis zu seinem Lebensende ewig neugieriger Tausendsassa („Weißt, ich bin immer wieder verwundert, was aus der Scheiss-Gitarr’ alles so rauskommt“) auch in den experimentellen 60er-Jahren stets mehr als ein Avantgardist. Mit Herbie Mann spielte er Bossa-Nova, mit Bennie Goodman Swing, mit „Heinrich Heine: Lyrik + Jazz“ nahm er 1964 die vielleicht beste Scheibe dieses Genres auf. Auch als Filmkomponist war Zoller in Deutschland ein gefragter Mann. Von ihm stammte nicht nur die preisgekrönte Musik zur Heinrich Böll-Verfilmung „Das Brot der frühen Jahre“ (1962), auch die Film-Fassung (1967) von Günter Grass’ „Katz und Maus“ spielte zur Musik von Attila Zoller. Die für den Jazz schwierigen 70er waren auch für Zoller harte Jahre. Persönlich (Trennung von Frau und Tochter) wie finanziell, was ihn aber nicht davon abhielt, weiter seinen Weg zu gehen. Ob in interlinearen Gitarren-Duetten mit Jimmy Raney (1979/80) oder als Solist. In den 80er- und 90er-Jahren ging es wieder bergauf. Seine aus dem Nichts aufgebaute Jazzschule, das „Vermont Jazz Centre“, blühte auf, er wurde spät, aber noch rechtzeitig mit Ehrungen überhäuft und spielte eine Platte nach der anderen ein – erst recht nachdem 1994 bei ihm Darmkrebs diagnostiziert worden war. Zollers Spätwerk – Aufnahmen wie „When it’s time“ mit Lee Konitz (Enja) – zählen mit zum Schönsten, was er je aufgenommen hat. Einen solchen Mann vergessen? Niemals, sagte sich Manfred Rehm, der Zoller seit den 60er-Jahren kannte und in dessen „Birdland“ der Gitarrist ein gutes Dutzend Mal aufgetreten war. Und so hatte Rehm zusammen mit dem ehemaligen Bauunternehmer Bernhard Riepl, einem Großneffen des Gitarristen, der in Rehms Club seine späte Liebe zum Jazz entdeckt hat, die Idee für ein Attila-Zoller-Festival. Mit der finanziellen Unterstützung der Bernhard-Riepl-Kulturstiftung geht kommenden Mai ein deutsch-österreischisch-schweizerisches Septett um Joe Haider mit „The Music of Attila Zoller“ auf Tournee. Und zwar an all jenen Orten, an denen auch Attila Zoller Station machte: Geplant sind Auftritte in Budapest, Wien, Frankfurt, Nürnberg oder Berlin. Wenn alles gut läuft, soll jedes Jahr ein ähnlich konzipiertes Festival über die Bühne gehen – zum Gedenken an einen jeweils anderen verstorbenen Musiker des Jazz. An der Gitarre wird Zoller bei dem ihm gewidmeten Festival übrigens von einem Regensburger Musiker vertreten, den er Ende der 80er-Jahre in München kennen gelernt hatte: Helmut Kagerer. Gitarrenexperte Alexander Schmitz zählt Kagerer in den Liner-Notes zu den soeben erschienenen Duo-Aufnahmen von Attila Zoller mit Helmut Kagerer („Common Language“, Acoustic Music 319.1287.242) zu Attila Zollers „brillantesten Bewunderern“, der sich vom „Schüler“ zu Zollers „Assistenten, Freund und ebenbürtigen künstlerischen Partner“ entwickelt habe. Was Attila Zoller zu all dem wohl gesagt hätte? Vermutlich seine Lieblingsvokabel: „Immens!“ Claus Lochbihler |
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