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Der Jazzgitarrist Jim Mullen ist eine Koriphäe des bluesigen Mainstream und lebt eigentlich in London. Seit über zehn Jahren tourt er aber regelmäßig im Herbst mit Kollegen aus Bayern. Und auch seine neue Solo-CD wurde hier abgemischt und veröffentlicht. Vor dem Konzert des Mullen/Nieberle-Sextets in der Alten Mälzerei in Regensburg sprach Jazzzeitungs-Redakteurin Ursula Gaisa mit dem talentierten Schotten. Jazzzeitung: Wie wird man Jazzgitarrist? Wie kommt man als junger Mensch zu dieser Art von Musik?
Jim Mullen: Eigentlich begann ich als Bass-Spieler, weil ich – wie jeder andere – mit acht Jahren Musik für Jugendliche, Kinder spielte: Pop-Melodien, Buddy Holly zum Beispiel, der zu der Zeit sehr populär war. Aber ein älterer Nachbarsjunge war schon Jazzfan und ein Jazzgitarrist, und der spielte mir dann amerikanischen West-Coast-Jazz-Gitarristen wie Tal Farlow oder Barney Kessel vor. Und damals klang das, ich war wie gesagt acht Jahre alt, wie Musik vom Mars, ich verstand überhaupt nichts. Aber – der Funke sprang trotzdem über, denn wenn man so jung ist, saugt man alles auf wie ein Schwamm, und bald stand ich wieder vor seiner Tür und bat ihn, mir diese Musik noch einmal vorzuspielen. Ich war total fasziniert und besorgte mir dann endlich auch eine ganz billige erste Gitarre aus Sperrholz. Mein Vater sagte zu mir, weil ich sie von meinem Lohn vom Zeitungsaustragen auf Raten kaufte, – er war sehr streng, Arbeiterklasse – „wenn du eine Rate nicht bezahlen kannst, bringst du sie zurück“. Und als ich sie dann abbezahlt hatte, liebte ich sie, obwohl sie eigentlich ganz schrecklich klang. Von da begann ich, Musik zu spielen, die mich wirklich berührte, mich emotional mitriss. Anfangs war das Black Music: Soul und Funk und Blues... Jazzzeitung: Sie haben sich eigentlich nie auf einen bestimmten Stil festlegen lassen… Mullen: Ich begann als Kind mit den besagten Popmelodien, dann spielte ich sehr lange und erfolgreich mit der Morrissey-Mullen Band, der Saxophonist Dick Morrissey ist leider gestorben, das war eher eine Jazz-Funk-Gruppe als eine „echte“ Jazz-Rhythmus-Band. Und Leute aller Altersgruppen haben die Formation geliebt. Aber mit 15, 16 wollte ich nur den echten, wirklichen Jazz spielen, nichts anderes. Und als ich dann von Schottland nach London ging, musste ich Rock’n’Roll lernen, denn das war die einzige Möglichkeit als Musiker Geld zu verdienen. Das lief dann ungefähr so wie in dem Film „Spinal Tap“ (über das Hard-Rock Revival Anfang der 80er, Anm.d.V.), immer wenn ich das sehe, weiß ich nicht ob ich lachen oder weinen soll. Ich war wirklich in genau solchen Bands, mit Haarschwingen, Posieren, grauenhaft... Aber wenn man jung ist, probiert man eben Sachen aus, man experimentiert. Und manchmal muss man auch etwas ausprobieren, um zu erkennen, dass das etwas ist, was man nicht tun will. Jazzzeitung: Haben Sie Mitmusiker und Weggefährten beeinflusst? Mullen: Jeder große Musiker, den ich bis jetzt getroffen
habe, hat mir das Gleiche erzählt: Spielen lernt man durch Spielen.
Aber es gibt immer eine Lernkurve nach oben und dann wieder eine Plattform,
auf der man stehen bleibt, das Ganze ist ein langer gradueller Prozess.
Immer wenn ich einen Workshop leite, sage ich meinen Studenten, macht
euch keine Sorgen, es ist ein Prozess. Er kann länger dauern als
erwartet, aber ihr werdet dahin kommen, wo ihr hin wollt. Musik ist ein
persönlicher Ausdruck, wie man Dinge fühlt. Und man muss dieser
Entwicklung einfach ihren Lauf lassen. Jazzzeitung: Sie haben jetzt die vorliegende Solo-CD eingespielt. Warum, was steckt dahinter? Mullen: Vorab: ich bin kein Solo-Gitarrist, ich bin eigentlich ein Ensemble-Spieler. Ich brauche das, Teil einer Gruppe zu sein. Aber ich arbeitete mit einem Toningenieur in London, Mike Collins, und er sagte zu mir: „Hast du je daran gedacht, mal eine Solo-CD aufzunehmen?“ Also probierte ich ein paar Sachen aus, am Ende hatten wir 26 Stücke zusammen, aber keine Plattenfirma in England wollte es herausbringen. Da ich seit über zehn Jahren schon regelmäßig nach Bayern komme, hat es sich dann ergeben, dass Bob Rückerl sich der Sache angenommen hat. Jazzzeitung: Wie entstand diese Verbindung, wie haben Sie sich kennen gelernt? Mullen: Wir trafen uns während eines Workshops in Ingolstadt, der von Audi gesponsert wurde. Durch Bob lernte ich Helmut Nieberle und die anderen Jungs kennen. Ich fühlte mich in Bayern auch gleich wohl, es erinnert mich an Schottland mit all den Nadelwäldern, der Küche, aber das Bier ist besser in Bayern. Seitdem komme ich jedes Jahr her und wir gehen auf eine kleine Tour zusammen. Und heute sind wir schon ein Sextett (Jim Mullen, Helmut Nieberle, g; Bob Rückerl, sax; Charly Meimer, voc; Christian Diener, b, und Scotty Gottwald, dr), mal sehen, wie viele es nächstes Jahr werden... Ich komme immer sehr gerne, denn das sind alles tolle Musiker, vor denen ich großen Respekt habe. Für sie ist die Musik genauso wichtig wie für mich. Ein gemeinsamer Geist ist wichtig. Interview, Foto: Ursula Gaisa
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