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Wer sich mit Rudimenten von Schulfranzösisch in Paris durchzuschlagen versucht, erntet bei der Bevölkerung meist taube Ohren und verständnislose Blicke. Englisch spricht von den Bürgern sowieso niemand mit den Auswärtigen. Ehrensache. Ein Wunder dass diese, so mag es dem Touristen manchmal vorkommen, furchtbar ignorante Stadt wohl doch auch eine weltoffene Seite hat – schließlich ist sie Heimat für ein einzigartiges Vielvölkergemisch.
Auf Schloss Elmau stand Paris im Rahmen des 5. European Jazztivals mit dem Untertitel „Immigranten, Emigranten, Avantgarde“ auf dem Programm. Manch eine der eingeladenen Bands war ein Paradebeispiel für den kulturellen melting pot Paris. In Nguyen Les „Purple“ stammten die Musiker etwa aus Vietnam, Mali, Martinique und Algerien und in Henri Texiers „Azur“ sind die Einzelakteure Inhaber von Pässen, die in Frankreich, dem ehemaligen Jugoslawien, den USA und Madagaskar ausgestellt wurden. Stilistisch ging es entsprechend bunt zu. Etwa bei den Pianisten: der wendige Baptiste Trotignon lullte die Zuhörer auf hohem Niveau mit seiner Chopinverliebtheit ein und stand zudem in Verdacht, bei Hollywood-Komponisten etwas zu genau hingehört zu haben. Bojan Z., der aus Belgrad stammt, brach sperrige Balkanmelodik durch schillernde Jazzharmonik auf. Jean Michel Pilc schließlich stürmte mit seinem furchterregend gut aufeinander abgestimmten Trio die Dynamik-Skala auf und ab. Paris ist eine Reise wert. Oder Ausgangspunkt für ausgedehnte Trips. Der franko-iberische Wunderbassist Renaud Garcia-Fons nahm uns mit seiner Gruppe Navigatore auf eine muntere Kreuzfahrt durchs Mittelmeer mit, eine Reise die gelegentlich eine Spur zu reibungslos abging. Henri Texier, eine der Säulenfiguren des französischen Jazz, führte sein Azur-Ensemble mal mit verblüffend schlichter Melodik, mal mit freiem Spiel und monumentaler Wucht aus Paris weg ins ländliche Frankreich und setzte dann in den Maghreb über. Dort war Schlagzeuger Karim Ziad ursprünglich zuhause. Mit seiner etwas faden Gruppe Ifrikya konnte er allerdings wenig Werbung für die Reize des nördlichen Afrikas machen. Das westliche Afrika hingegen wurde durch Magic Malik, einen in der Elfenbeinküste geborenen Flötisten mit Blutanteilen aus Guinea, Frankreich und Italien repräsentiert. Er brachte eine durchaus reizvolle Mischung aus Jazz, Drum & Bass, Klassischem, Afrikanischem und Karibischem (sein Stiefvater kommt aus Guadeloupe) zu Gehör. Der Gitarrist Nguyen Le huldigte Jimi Hendrix und schlug eindrucksvoll Brücken zwischen Jazz und Rock, den USA und Mutter Afrika, Hanoi und Paris. Dort hält ein Zug, der immer zwischen der Seine-Metropole und Rom pendelt: Palatino. Nach ihm hat sich ein Quartett um den Schlagzeuger Aldo Romano benannt, das in Elmau durch kühne Linienführung und kompakteste Improvisationen auffiel. Der Posaunist der Gruppe, Glenn Ferris, war übrigens nicht nur deshalb des Star des 5. European Jazztivals, weil er als einziger Musiker dreimal auftrat. Bei Palatino und Texier imponierte er durch Wucht, Witz und Wendigkeit. In seinem eigenen Trio (mit Bass und Cello) schuf er delikate, feinsinnige Miniaturen, deren Eleganz und Finesse einem das Herz aufgehen ließen. Sonst gab es in Elmau noch spannende, der Neuen Musik nahe Improvisationen des Cellisten Vincent Courtois und des Geigers Régis Huby und eine energiegeladene Jamsession, bei der solch unterschiedliche Temperamente wie Stefano Di Battista, Michel Portal und Michael Riessler sich trefflich arrangierten. Ssirus W. Pakzad |
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