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Es ist noch nicht allzu lange her, dass ein anerkannter Berliner Kollege in der Frankfurter Rundschau fragte: „Wird der Jazz die Globalisierung überleben?“ Eine Frage, die eher ein Schmunzeln als Denkfalten im Gesicht hervorruft. Man könnte mit ebenso viel Berechtigung fragen: Wird der holländische Holzpantoffel die Globalisierung überleben? Der Tango? Die Frankfurter Rundschau sieht die Rettung nahen, wenn man den Jazz „aus der Box lässt“. Der Beitrag, der dem JazzFest Berlin 2002 gewidmet war, teilt uns leider nicht mit, in welcher Box der Jazz denn eingesperrt ist. Denn er ist auch in Berlin längst in viele Teilszenen zerfallen. In New Orleans waren die Einflüsse noch überschaubar, heute wird die Kategorisierung komplizierter. Trotzdem bleibt Gumbo, die würzig gemischte Suppe der Kreolen, ein schönes Bild für einen Jazz der sich durch viele Einflüsse verändert und doch Jazz bleibt.
Eric St.Laurent kommt aus Kanada und ist in seinem Herzen ein Rocker.
Das Holz in seiner Hand nennt sich Telecaster, seine Haare föhnt
sich der Gitarrist mit einem VOX AC 30. Berlin ist für ihn ein Traum.
„Kennen Sie Robin Draganic? Er ist wie ich Kanadier und spielte
im letzten Jahr 340 Gigs hier in der Stadt.“ Weil Eric St.Laurent
schon in der Welt herum gekommen ist, weiß er die Situation zu schätzen.
„Ich bin wegen der Liebe nach Berlin gegangen“, begründet
er seine Ansicht. „Schon nach drei Monaten konnte ich hier von meinen
Gigs leben“. Und Platten machen, so wie jetzt gemeinsam mit Thomas
Alkier, Thomy Jordi und Helge Schneider. „Wir sind die Band, die
mit Helge die Firefuckers-Tour gespielt hat.“ Weil alle Beteiligten
vom Ursprung her Jazz lieben, wollte man nicht nur eine Rockplatte, sondern
auch eine Jazz-CD aufnehmen. Das Jazzverständnis von Eric St.Laurent
ist– wie nicht anders zu erwarten – laut und unfertig, eine
Kreuzung aus Jazz und Rock, aber nie das, was wir als Jazzrock kennen.
Darüber hinaus hat St.Laurent wie viele Zeitgenossen aus HipHop und
Pop ein Faible für Hörspiele entwickelt. Die Aufnahme-Session
hat er für die CD „Laut!“ im Bit-Verlag mit Off-Kommentaren
Helge Schneiders gemixt. (siehe auch JZ 12-02/1-03, S. 27). Unter der großen Auswahl Berliner Jazzmusiker hat sich Jacobien Vlasman ein gut balanciertes Team für ihre Band gesucht. Das Repertoire, das unter Mithilfe des SFB für eine CD aufgenommen wurde, setzt sowohl auf traditionelles holländisches Liedgut aus dem vorletzten Jahrhundert, wie auch auf Popsongs der 80er Jahre, die außerhalb Hollands nahezu unbekannt sind. Paul Brody legte im vergangenen Jahr von Berlin aus eine solch verwegene Klezmer-Tour hin, dass John Zorn auf die Band bestehend aus Paul Brody (Trompete), Jan Hermerschmidt (Klarinette), Brandon Seabrook (Gitarre, Banjo), Martin Lillich (Bass) und Eric Rosenthal (Schlagzeug) aufmerksam wurde. Soeben ist die CD Kabbalah Dream auf dem renommierten Label Tzadik erschienen. Paul Brody befielen nach dem Lesen der Kabbalah abartige Träume, in denen er wie in der Schrift versteckte Wahrheiten erkennt. Aus der Vertonung dieser Eindrücke strich Zorn die eher traditionellen Kompositionen. Der zunächst klassisch ausgebildete Orchestermusiker Paul Brody ist glücklich, einen Produzenten gefunden zu haben, der der „radical jewish culture“ ihren hohen Kunstfaktor und ihm seinen Weg in kreative Abenteuer lässt. Die Kabbalah-Tour bleibt auch wegen des auffälligen Verhaltens Brandon Seabrooks in Erinnerung. Der Gitarrist benahm sich in etwa so, wie man es von einem jungen New Yorker Musiker im positivsten Fall erwarten darf: exzentrisch und inspiriert. Al Weckert
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