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Zur Eröffnung der 19. Ingolstädter Jazztage war bei einer ausgedehnten Kneipentour „Jazz in Town“ zu erleben. Sharon Martin sang im „Lemon“ vom „Fever“, Doc Houlind überquerte derweil im „Daniel“ in routiniertem Shuffleboat-Dixi den Atlantik von Dänemark ins Mississippi-Delta. Die „Neue Welt“ erlebte Olaf Küblers musikalische Wiederauferstehung vom Leben an der Breitseite. Im Hotel Rappensberger verbreitete der transparent swingende Cool Jazz von Helmut Nieberle, Bob Rückerl, Wolfgang Kriener und Stephan Holstein blau schimmernden Glanz. Lyambiko erfreute das Publikum im „Diagonal“ mit Jazz-Standards, der libanesische Sitargitarrist Abaji im „Ölbaum“ mit orientalisch inspirierten Improvisationen, Vince Weber trotz Handicap im „Babalu“ mit erdigem Boogie’n’Blues-Piano und – vorangetrieben von den Jungs seiner Passport RMX Band – im Hotel Ambassador der ewig jugendliche Klaus Doldinger. Tags darauf Highlight Nr. 1: Jan Garbarek, immer auf der Kante zwischen Ambition und Esoterik, Kitsch und Kult, weltmusikalischem Allerlei und authentischen ethnischen Elementen. Sein charakteristisches Ineinander von klassisch geschulter Klangarchitektur und popmusikalischem Sound, karger Phrasierung und elegisch modulierendem Timbre kam in Ingolstadt routiniert zur Geltung im Quartett mit Marilyn Mazur, Rainer Brüninghaus und Eberhard Weber. Garbarek präsentierte sich wie der fliegende Holländer vor stilisierten Segeln, die von weiter Reise künden. Da faucht auch mal der Sturm übers Eismeer, aber am Ende steht die glückliche Heimkehr über wohlige Wogen zur Fata Morgana einer schönen heilen Welt, in der sich die Zerbrechlichkeit der Realität im Nebelhain verbirgt. Die Jazzpartys im Ambassador boten den gewohnten Spagat zwischen Jazz und Spaß. Die Kreativität von Altmeister Pharoah Sanders ging fast unter in der angestrengten Kraftmeierei seiner reichlich rockigen Band. Verfeinert aktualisierte Folklore gab’s dagegen bei Rebekka Bakken & Wolfgang Muthspiel. Im Quartett Tuba-Tuba tänzelten die beiden tieftönenden Schwergewichte Dave Bargeron und Michel Godard mit leichtfüßigen „Giant Steps“ durch komplexes Geläuf, während wiederum Cornelius Claudio Kreusch & Fo Doumbé einer leicht verquasten Ethno-Trance huldigten. Zur anschließenden Late Night Party hatte man eigens Wes Anderson eingeflogen, den Saxophonisten der Wynton Marsalis Band, der sich sichtlich wohl gelaunt auf der Bühne tummelte. Tags darauf ließ Robben Ford seine Gitarre Feuer spucken, verwandelten danach die Jazz Crusaders das Restaurant in eine brodelnde Masse aus tanzenden Leibern. Auf der New Orleans Stage präsentierte sich gleichzeitig der kurzfristig verpflichtete Nachwuchsklarinettist Evan Christopher mit dem traditionsbewussten Sound des Marsalisepigonen um sodann die Bühne zu räumen für Donald Harrison Jr, der zeigte, was abgeht beim Mardi Grass am Congo Square. Als 2. und 3. Highlight fungierten in einem Doppelkonzert zwei astreine Pop-Acts. Kool & the Gang brachten zunächst mal „Party, Party, Party“ für die Spaßkids mit. Was die neun Disco-Funk-Protagonisten zu einem Highlight auf Jazztagen prädestiniert, bleibt offen. Intelligenter wurde es bei Dave Stewarts neuem Projekt Da Universal Playaz, die – zuweilen etwas verkrampft – verschiedenste Einflüsse amalgamieren: Funk, New Wave, Rock, HipHop, Reggae, Smooth-Jazz, Soul und Blues. Auch hier rangierte jedoch der Mitklatscheffekt vor der Differenzierung. Bemerkenswertes bot allerdings die junge Gitarristin Joanne Shaw-Taylor. Die Ingolstädter Jazztage fanden heuer einen deutlich geringeren Zuspruch als in den Jahren zuvor. Ob der allgemeine Trend dafür verantwortlich ist oder die Programmgestaltung, darüber mag intern gestritten werden. Die Versuche neue Impulse zu setzen mit einem Turntableabend in der Diskothek „L’evento“ und dem Special „Jazz im Bonschabzelt“ fanden nicht den erhofften Widerhall. Man wird vielleicht mehr in der Tiefe schürfen müssen als in die Breite zu schielen. Tobias Böcker |
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