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Als ich einst den Jazz entdeckte, war Arthur da, um ihn mir zu erklären. „Dixieland muss schnell sein“, sagte er, oder: „Die Schlüsselfigur des 60er-Jahre-Jazz war Frank Wright.“ Arthur hatte den Durchblick. Seine Sätze habe ich wie heilige Mantras verehrt und fühlte mich dabei unsäglich dumm, aber reich beschenkt. Noch dümmer fühlte ich mich, als er mir eines Tages mitteilte, er habe den Jazz transzendiert: „Die industrielle Konstruktion von Jazz indiziert eine konträre Resignifizierung“, erläuterte er leichthin. „Wer die Widersprüche des Lebens aushalten will, muss über den Jazz hinausgehen. Ich will nicht nur das Gras nachwachsen hören, sondern in die Dissonanzen der gemähten Wiese eintauchen. Jazz ist da wie ein Güterzug, der nie ankommt. Er bringt kein Licht in die Welt. Wer das versteht, muss sich davon emanzipieren.“ Mit diesen Worten nahm er damals Abschied vom Jazz und seinem bisherigen Leben. Ich hatte Arthur schon fast vergessen, als er plötzlich auf der letzten jazzahead! in Bremen auftauchte. Schwarze Lederjacke, weißer Pferdeschwanz, ein 17-Tage-Bart: Vielleicht haben Sie ihn ja auch gesehen? Wo Arthur war, stand immer ein Grüppchen Jazzkritiker um ihn herum und lauschte amüsiert seinen Einschätzungen neuester Jazzalben. „Als hätte man die Neo-Psychedelik-Folker Fleet Foxes mit einer 4AD-Band gekreuzt und ihnen bisher unbekannte Velvet-Underground-Kompositionen zu spielen gegeben“, schnappte ich mal im Vorübergehen auf. Oder: „Wie eine Begegnung von Steve Reich und dem Miles Davis der frühen 70-er, die sich bei den Indios des brasilianischen Hinterlandes über Lee Scratch Perry austauschen.“ Da war es wieder: mein fast vergessenes Gefühl, unsäglich dumm zu sein, aber reich beschenkt zu werden. Arthur erinnerte sich übrigens nicht mehr an mich. Aber er sagte, er wolle wiederkommen zur jazzahead! 2012. Schau’n wir mal. Rainer Wein (rainer.wein@gmx.net) |
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