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Dass sich Publikumsgeschmack und Kritikerverständnis selten treffen, wurde erneut bei der Verleihung des neuen Deutschen Jazzpreises (NDJ) Mitte März deutlich. Um den einzigen durch Publikumsvotum entschiedenen Preis, der zum siebten Mal in Mannheim verliehen und von der örtlichen IG Jazz durchgeführt wurde, hat es immer Diskussionen gegeben. Wie kann man Jazz messen? Schneeweiß und Rosenrot. Foto: Manfred Rinderspacher Ungeachtet dieser Tatsache hatten sich über 200 Gruppen beworben, von unbekannten Nobodies bis zu den besten professionellen Bands Deutschlands. Eine Jury kürte zunächst im Vorfeld einer anonymen Audition ein gutes Dutzend, das – ebenfalls anonym – Django Bates präsentiert wurde. Der jährlich wechselnde Kurator wählte daraus drei Bands aus, die dem Publikum in einem öffentlichen Konzert vorgestellt wurden. Am Abend vorher machte die im Rhein-Neckar-Raum mehr und mehr hervortretende Alexandra Lehmler mit dem Jazzlabor bekannt. Das erstmals in Mannheim ins Leben gerufene Projekt soll mit anderen Regionen kooperieren, in diesem Jahr mit dem Ruhrgebiet und dem „jazzwerk-ruhr“. Das Ruhrgebiet war 2010 Kulturhauptstadt Europas, ein Titel, den Mannheim für 2020 anstrebt. Die badische Arbeiterstadt wandelt sich zunehmend zur Kunstmetropole. Die Vernetzung mit dem Ruhrgebiet ist inzwischen so weit gediehen, dass vergangenes Jahr das „jazzwerkruhr“ nach dem Vorbild des NDJ der „1. Jazzpreis Ruhr“ verliehen wurde. Musikalisch freilich kam das Projekt der umtriebigen Saxophonistin nicht richtig in die Gänge, zu gestelzt gaben sich die Kompositionen. Kurator Django Bates dagegen ging anschließend richtig zur Sache. Mit Humor und einem untrüglichen Gespür für spannende Collagen vermischte der britische Pianist Versatzstücke verschiedener Traditionen. Sein neuestes Piano-Trio-Projekt brachte eine höchst eigenwillige Hommage an Charlie Parker. Man rieb sich wiederholt die Ohren, um „Scrapple from the Apple“, „Confirmation“ oder „Hot House“ herauszuhören, um nur ein paar wenige Stücke zu nennen. Mit Django Bates’ „Beloved Bird“ – da waren sich alle einig – konnte Charlie Parker neu entdeckt werden. Neue Entdeckungen waren an besagtem Wettbewerbsabend mit den drei nominierten Finalisten nicht auszumachen. Mit „Schneeweiß und Rosenrot“ und „center“ stellten sich zwei Newcomer-Bands vor, während „DRA“ recht bekannt ist. Das seit über einem Jahrzehnt bestehende Trio des Vibraphonisten Christopher Dell gab dann auch den geschlossensten und kompaktesten, wenn nicht überzeugendsten Beitrag des Abends ab. Zusammen mit Christian Ramond (b) und Felix Astor (dr) lieferte Christopher Dell perfekt getimten, eng verzahnten wie rhythmisch raffinierten Jazz. Dessen minimale Überlagerungen und Verschiebungen ließen stets neue Perspektiven sprießen. Selbstredend war der Beifall in der ausverkauften Alten Feuerwache ebenso tobend wie bei den anderen beiden Bands des Wettbewerbs, sodass man über den Sieger nur spekulieren konnte. Den mit 10.000 Euro dotierten Preis erhielt schließlich in einer knappen Entscheidung, wie es hieß, „Schneeweiß und Rosenrot“. Das Berliner Quartett ist sicherlich mit seinem Potpourri populärer Ingredienzien näher am Pop als am Jazz, aber, was wahrscheinlich entscheidend war, am Zeitgeist. Imponierend, wie die Pfade des Pop immer wieder verlassen wurden, wie freie Räume aufgestoßen wurden. Bassist Peter Eldh und Schlagzeuger Marc Lohr gaben die Richtung vor, die Johanna Borchert mit manchen Klavier-Avantgardismen fütterte. Die Songs, durchweg prägnant und akzeptabel, wurden nicht in krudem Deutsch vorgetragen, sondern in poppigem Englisch. Lucia Cadotsch, notierte der „Mannheimer Morgen“, „ist eine Sängerin mit glasklarer Stimme, die gleichwohl in somnambule Tiefen abzutauchen weiß, und manchmal innerhalb des Songs das Mikrofon wechselt, um klangfarblich noch einen neuen Dreh zu finden“. Reiner Kobe |
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