Anzeige |
||
Anzeige |
|
Listig sitzt er hinter seinem Tischchen und blickt zwischen Stapeln von Partituren hervor. Heftig gestikulierend winkt der fast 60-jährige Weißhaarige mit Kugelbauch ins Orchester. „Come on, cats“ entspringt es einem Mund und das Bundesjazzorchester (BuJazzO) legt los. Immerhin sind zwei Drittel der Instrumentalisten neu dabei, muss ein Gesamtklang erst gefunden werden. Bei der 49. Arbeitsphase in der Bundesakademie Trossingen geriet dies dank den Bemühungen John Ruoccos grandios. Der amerikanische, längst in Belgien lebende Saxophonist war bereits in mehreren Arbeitsphasen unter Peter Herbolzheimer dabei und kennt dessen Musik in- und auswendig. Dem Gründervater und langjährigen künstlerischen Leiter des BuJazzO also ist diese Arbeitsphase gewidmet. Mit Stücken wie „Filibaster“, „Just like that“, „Maxilydian Highlander“ oder „Ballad for a friend“ kommen die jungen Musiker und Musikerinnen allmählich klar. Immerhin hat Herbolzheimer, einer der bekanntesten europäischen Orchesterchefs, in den 70er-Jahren einen neuen orchestralen Stil begründet und dem Jazz ein rockorientiertes Publikum erschlossen. Dem ist Ruocco auf der Spur, wenn er darauf dringt, nicht nur richtig zu spielen, sondern sich die Musik anzueignen, persönliches Profil durchdringen zu lassen. Mal fliegen beide Arme des Leiters in die Luft („Don´t play too soft“), mal warnt er mit blumigen Worten oder Anekdoten davor, „ugly“ zu spielen und empfiehlt, stete Blicke auf seine täglich wechselnden bunten Hawaiihemden zu werfen. Dozenten sind diesmal weniger dabei, weil der federführende Musikrat eingesparte Gelder an anderer Stelle einsetzen will. So kommen die beiden neuen künstlerischen Leiter des BuJazzO, Jiggs Whigham und Niels Klein, gleich zum Zug. Whigham, seines Zeichens Posaunist, kitzelt aus den 15 Blechbläsern den richtigen rhythmischen Drive. Metronomhaft schlägt er mit der rechten Hand den Takt auf einem Stuhl, mit der linken hält er sein Instrument. Whigham zählt ein, ergänzt, schlägt vor, korrigiert, gibt Hinweise. Nicht anders Niels Klein: der Saxophonist, dem Dynamik und Time wichtig sind, plaudert zunächst aus dem Nähkästchen, ehe er den acht Saxophonisten empfiehlt, die Stücke erst einmal zu singen. Dann soll „mit einer weichen Zunge“ gespielt werden. erbolzheimer-Schlagzeuger Bruno Castellucci und WDR-Jazzpreisträger Sebastian Sternal sind für die Rhythmusgruppe zuständig, von deren Kompetenz sich Ruocco begeistert zeigt. Nach einer längeren Pause war auch der Gesang wieder mit zwei fünfköpfigen Vokalensembles vertreten. Mit ihnen arbeitete Sänger Marc Secara, von 1996 bis 1998 Mitglied des BuJazzO, mehrere Tage intensiv, ehe sie mit den Tutti und Soli des BuJazzO konfrontiert wurden. Der Leiter des Berlin Jazz Orchestra verweist darauf, dass Herbolzheimer ein Faible für Sänger hatte und viel für sie arrangierte. Seine eigenwilligen Versionen von „Body and Soul“ und „My funny Valentine“ werden geprobt, „bis sie aus den Ohren rauskommen“, so Secara. Die Mühe machte sich schließlich bezahlt. Vom hohen Niveau des aktuellen Jahrgangs des BuJazzO waren alle Dozenten angetan. Die Erwartungen, ein Repertoire stimmig zum Klingen zu bringen, wurden erfüllt. Die jungen Musikerinnen und Musiker „werden alle ihren Platz finden“, ist Pianist Sternal, ebenfalls früherer BuJazzO, überzeugt. Das abschließende Konzert in der Trossinger Musikhochschule, das die Musik Peter Herbolzheimers lebendig werden ließ, lieferte erste beredte Belege. Reiner Kobe
|
|