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Jazzzeitung

2012/02  ::: seite 4

berichte

 

Inhalt 2012/02

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig Jazz-ABC: Alvin Queen no chaser: Der Auskenner Farewell: Abschied vom Multiinstrumentalisten Sam Rivers

TITELSTORY: Schüler der Musik
Branford Marsalis im Gespräch

GESCHICHTE -
Basies Weggefährten (4)
Mehr als „April In Paris“ – Benny Powells Posaune
Der Charme des Skizzenhaften
Eine Ehrenrettung für Duke Ellingtons Suiten

Berichte
Das Dan Tepfer Trio beim BMW Welt Jazz Award // Louis Moutin im Esslinger Jazzkeller // Zum Neuen Deutschen Jazzpreis 2012 // Preview: 41. Moers-Festival

Portraits
Monty Alexander // Bassklarinettist Ulrich Drechsler // Schlagzeuger Jens Düppe // Neues von e.s.t. // Hugo Siegmeth

Jazz heute und Education
„Jazz it!“ Germering // jazzahead! verleiht erstmals Preis für deutschen Jazzjournalismus // „Women in Jazz“ // Zur Frühjahrsarbeitsphase des Bundesjazzorchesters // Fortbildungskalender 2012 (pdf) // Abgehört: Der Song des Vizepräsidenten
Keith Jarretts Version einer alten Melodie

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Die wollen nur spielen

Louis Moutin im Esslinger Jazzkeller

Vom Lego zum Legato war es für Fran çois und Louis Moutin nur ein kleiner Schritt. Das gemeinsame Spiel wurde den beiden Zwillingsbrüdern in die Wiege gelegt – besser gesagt: die beiden an Heiligabend 1961 geborenen Franzosen wurden als gemeinsam Spielende in die Wiege gelegt.

Louis Moutin im Esslinger Jazzkeller. Foto: Markus Klohr

Louis Moutin im Esslinger Jazzkeller. Foto: Markus Klohr

Wir haben schon immer gerne zusammen gespielt, erst Lego und solche Sachen, später dann Musik“, sagt François Moutin im voll besetzten Esslinger Jazzkeller. Hier, in der schwäbischen Semi-Provinz, beginnen die beiden mit ihrem Moutin Reunion Quartet ihre Europatour – ein großer Verdienst der Esslinger Programmgestalter, immerhin sind dieses Jahr keine weiteren Auftritte in Deutschland geplant. Louis hat inzwischen das Schlagzeug zu seinem Spielzeug erkoren, François vergnügt sich derweil am Kontrabass. Vier, fünf Minuten und ein kleines Thelonious-Monk-Medley genügen, um das Publikum vollends zu überzeugen: diese beiden Herrschaften wollen noch immer nur das Eine: einfach nur spielen. In Louis’ Schlagzeugspiel sind Spiel- und Wahnwitz geschwisterlich vereint. Wie ein Berserker drischt er auf Trommeln und Becken ein, um sie kurz darauf wieder zart zu streicheln. Seine Technik ist unorthodox. Mal hält er einen Schlagstock verkehrt herum, mal schlägt er nur auf die Ränder seiner Trommeln oder spielt nur mit den Händen. François beugt sich über seinen Bass wie über eine Geliebte. Bei ihm ist das Instrument von der bloßen Begleitung emanzipiert. Seine Solo- und Melodielinien lässt er seinen Bass bevorzugt in höheren Lagen singen. Trotz ihrer verschiedenen Temperamente – Louis, der Wilde mit Hang zum Alleinunterhalter; François, der nachdenklicher Wirkende promovierte Physiker, der sein längeres Haar meist meditativ über dem Bass kreisen lässt – haben die Brüder eines gemeinsam: ihre Musik ist eine Direktübersetzung von Bauchgefühl in Klang. Komplettiert wird das Quartett an diesem Abend vom Pianisten Jean-Michel Pilc und Rick Margitza am Tenorsax. Pilc wirkt in Esslingen angespannt, konzentriert bis in die Bartspitzen, aber auch leicht gereizt. Die Intimität des Jazzkellers scheint ihm Schwierigkeiten zu bereiten. Dennoch, oder gerade deshalb, entlockt er dem Flügel Erstaunliches.

Ein bestrickendes, in seiner klanglichen Zartheit und Schönheit fast schon verstörendes Intro bringt den kompletten Keller zum Schweigen. Schlagartig können solche beinahe romantischen Klangkleinodien bei ihm in unwirschen, hysterisch atonalen Stakkatoschlägen auf die Klaviatur münden. Obwohl Pilc eigentlich nicht zur Stammbesetzung des Quartetts zählt, besticht sein Spiel durch eine ungemeine Interaktionsdichte mit seinen Mitspielern. Lediglich Rick Margitza tut sich zunächst schwer.

Das Spiel des brillanten Technikers auf dem Tenorsaxofon wirkt zunächst gehemmt und etwas spröde. Er braucht eine Weile, um auf Betriebstemperatur zu kommen. Dann findet auch er seinen musikalischen Platz zwischen den hemmungslos energetisch aufspielenden Moutin-Brüdern und dem intellektuellen Hypervirtuosen Pilc. Anklänge an Coltrane lassen sich kaum vermeiden, insbesondere in Passagen, wo sein Sax nur vom Schlagzeug begleitet wird. Darüber hinaus besticht Margitzas Horn durch ungemeine Klarheit, sein Ton ist sauber und transparent, nichts wirkt dem Zufall überlassen.

Das Quartett spielt an diesem Abend überwiegend Eigenkompositionen. Die Combo changiert mühelos zwischen klassischem Hardbop, Jazzrock und Latin, touchiert dabei immer wieder den Funk. Freiere Elemente mit exzessiven Soli haben genauso Platz wie durchkomponierte Ensemblepassagen, bei denen das Leitthema gerne auf drei oder gleich auf alle vier Instrumente verteilt wird. Niemand soll behaupten, die Moutin-Zwillinge ließen andere nicht mitspielen...

Text/Foto: Markus Klohr

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