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Was in den letzten Wochen als „Jazzdebatte“ durch die Feuilletons stromerte, ist eigentlich keine Jazzdebatte, sondern eine um Forderungen, Förderungen und deren Berechtigungen, also auch um die gesellschaftliche Anerkennung einer Musik, die ihre eigene Randständigkeit chronisch, aber neuerdings endlich nicht mehr billigend in Kauf nimmt. Im letzteren Debattenzweig führen beredte Vertreter der Musik gewichtige Argumente für ihre Qualität ins Feld, bitten sich mehr Respekt für ihre Arbeit aus und beleben eine alte Organisation der Interessenvertretung, die UDJ, wieder. Sie tun das mit einem Selbstbewusstsein, das man „neu“ nennen könnte, aber auch angemessen und überfällig. Gegen Ende Januar wurde in einem umstrittenen Text in einem großen Tageszeitungs-Feuilleton die Auffassung vertreten, der Jazz besitze keine gesellschaftliche Relevanz (mehr). Wo er künstlerisch anspruchsvoll zu sein sich bemühe, trockne er ästhetisch aus und habe den Kontakt zum Publikum verloren, und überhaupt könnten nur ein paar Funktionäre, Institute und Professoren vom Jazz leben, während der gemeine Musiker in einem überlaufenen Markt nahezu chancenlos sei. Die halben Wahrheiten und trüben Schlüsse in dem Text wären in einem wirklich debattierenden Umfeld kein großes Problem, allenfalls Anlässe für eine Richtigstellung gewesen. Aber es gab kein Debattenumfeld, nirgends, und so hatte man eher den Eindruck, dass der Text mit seinen merkwürdigen Verschobenheiten weniger die Situation des Jazz beschrieb, als vielmehr ein Bild von ihm, das sich in den Feuilletons der deutschen Tages- und Wochenpresse in den letzten Jahren ausgebreitet hat. Dort haben in der Regel Redakteure die Deutungshoheit über den Jazz zugeschoben bekommen, zu deren ureigenem Interessengebiet weder die aktuelle E-Musik noch der zeitgenössische Jazz zählt, sondern eher die weite Welt des Rock und Pop. Von hier aus urteilen sie über die Relevanz des Jazz und lassen sich deren Fehlen gern von jemandem bestätigen, den sie für einen Insider halten: Das liefert eine Rechtfertigung dafür, Jazz zu einer nicht mehr feuilletonrelevanten, allenfalls ehrenwerten Beschäftigung intransigenter Greise und uneinsichtiger Musiker zu erklären und jeden Anspruch auf öffentliche Förderung als lächerlich abzutun. Natürlich gibt es Ausnahmen, gar nicht mal ganz wenige, aber vor allem in regionalen Feuilletons sowie in einigen wenigen Jazz-Kolumnen und kleinen Lichtblicken vor allem in den Online-Auftritten der einschlägigen Medien. Die annähernde Gleichzeitigkeit des (hier selbstredend nur verzerrt wiedergegeben) Textes und des neuerlichen selbstbewussten Auftretens einiger Musiker führte dann doch zu einer kleinen Debatte. Debatten sind heilige Handlungen deutscher Feuilletons. Sie beweisen nicht die Relevanz von Themen, sondern die der Feuilletons selbst: Ein paar Tage Ende Januar brachten also einen der rar gewordenen Glücksmomente, wo das Feuilleton und der Jazz einen gemeinsamen öffentlichen Erfolg verbuchen konnten. Um ungefähr die gleiche Zeit begab sich in Köln, von den Feuilletons weitgehend unbemerkt, der mit einem Teil der Debatte nur schwer in Einklang zu bringende Publikumserfolg des WinterJazz-Festivals im Stadtgarten: Ein großes und keineswegs stromlinienförmiges Musikangebot der Kölner Szene, das eigentlich dazu gedacht war, das Publikum zu überfordern und so vielleicht einen Nachfrage-Überdruck zu erzeugen, wurde von der örtlichen Relevanz gnadenlos als viel zu klein befunden. Das Publikum wollte so viel Musik wie möglich erleben, mitten im kalten Winter, und überraschte mit seinem massenhaften und beharrlichen Zuspruch selbst die optimistischsten Musiker. Sie fragen sich allerlei seitdem. Eigentlich wäre es ja ihre Aufgabe, das Publikum zu überraschen. Hans-Jürgen Linke |
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