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Jazzzeitung

2011/01  ::: seite 18

rezensionen

 

Inhalt 2011/01

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig Jazzlexikon: Stan Levey Farewell: James Moody // Richard Wiedamann


TITEL -
Marie Laveaus Vermächtnis
Versuch über Voodoo und Jazz – von Hans-Jürgen Schaal


Berichte

Jazzfest Berlin 2010 // 41. Deutsches Jazzfestival Frankfurt // Berliner Festival präsentiert Musiker-Vereinigungen aus ganz Europa // Festival der Jazzmusiker-Initiative München // Zur „Europäischen Jazzakademie Birdland Neuburg“ // Bass und Cello im Jazzclub Unterfahrt // 17. Thüringer Jazzmeile


Portraits

Lajos Dudas // Die Sängerin Maria Farantouri // Jessica Pilnäs // Der Saxophonist Karl Seglem


Jazz heute und Education
Thomas Muderlak, Leiter BMW Welt, im Gespräch // Steffi Denk und ihr Education-Projekt „Swing for Kids“ // Musikhochschule Nürnberg: Steffen Schorn im Interview Abgehört: Letzte Nächte in Kopenhagen: Stan Getz‘ Solo über Night and Day

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Freunde fürs Leben

Neue englischsprachige Bücher zu Robert Palmer, Kay Swift und George Russell

Anthony DeCurtis (Hg.): Blues & Chaos – The Music Writing of Robert Palmer, Scribner, New York, 452 Seiten

Robert Palmer (1945–97) war einer der bedeutendsten amerikanischen Musikkritiker des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Er arbeitete als Musiker (Klarinette, Saxophon) und Plattenproduzent, schrieb mit großer Sachkenntnis und mit spürbarer Leidenschaft über Blues, Rock’n‘Roll, Soul, Jazz, Neue Musik und anderes für Zeitschriften wie „Rolling Stone”, „Guitar World” und „Down Beat”, aber auch für die „New York Times”, verfasste Plattentexte und lehrte an verschiedenen Universitäten. Von seinen Büchern ist vor allem „Deep Blues” zu nennen. Jetzt hat Anthony DeCurtis 60 Arbeiten Robert Palmers aus der Zeit zwischen 1971 und 1997 herausgebracht. Alle sind lesenswert, manches im Besonderen, etwa die Darstellung des frühen Rock’n‘Roll und der Artikel über Sam Phillips. Nicht zuzustimmen ist seiner kritiklosen Einstellung zu Drogen, die ihm schließlich mit 52 das Leben kostete. Aber was er über Musik und Musiker schrieb, verdient Beachtung und Würdigung. Wir hoffen auf einen zweiten Band.

Versch. Autoren: DownBeat – The
Great Jazz Interviews, A 75th Anniversary Anthology, Hal Leonard Books, New York, 340 Seiten

1934 gegründet, konnte das „DownBeat“ schon Ende der 40er-Jahre eine führende Rolle unter den Jazz-Zeitschriften aller Länder beanspruchen, die es bis heute beibehalten hat. Dazu wird auch immer wieder über andere Musikformen berichtet („Jazz, Blues and Beyond” steht seit April 1990 auf der Vorderseite jedes Heftes – vorher hieß es eine Zeit lang „For Contemporary Musicians”). Zum Jubiläum ist nun ein großformatiger Band mit sehr sorgfältig gestalteten Reproduktionen von 128 Interviews und Aufsätzen zwischen 1935 und 2008 erschienen – ein Gang der besonderen Art durch die Jazzgeschichte.

Hier eine kleine Auswahl: Jelly Roll Morton 1938, W. C. Handy 1938, King Oliver 1940, Artie Shaw 1951, Duke Ellington 1952, Lennie Tristano 1956, Mahalia Jackson 1958, Oscar Peterson 1959, Marian McPartland über Paul Desmond 1960, Dizzy Gilespie über Charlie Parker 1961, John Coltrane + Eric Dolphy 1962, Bill Evans 1962, Thelonious Monk 1965, Ella Fitzgerald 1965, Sun Ra 1968, Cannonball Adderly 1970, Art Ensemble of Chicago 1972, Charles Mingus 1975, Dexter Gordon 1977, Ray Charles 1977, Frank Zappa 1978, Milt Hinton 1979, Clark Terry 1981, Brian Eno 1983, Keith Jarrett 1984, Joe Henderson 1992, Stephane Grappelli 1992, Betty Carter 1994, Dr. John 1995, Steve Lacy 1997, Sonny Rollins 1997, Louis Bellson + Roy Haynes + Elvin Jones + Max Roach 1998, Lincoln Center Jazz Orchestra 2000, Tony Bennett 2002, Hank Jones 2005.
Dazu zahlreiche Fotos. Sehr empfehlenswert.

Vicki Ohl: Fine and Dandy – The Life and Work of Kay Swift, Yale University Press, New Haven and London, 294 Seiten

Nur wenige Frauen haben zum Great American Songbook beigetragen. Zu ihnen gehört neben Ann Ronell („Willow Weep for Me“), Mabel Wayne („In a Little Spanish Town“), Dana Suesse („My Silent Love“) und Ruth Lowe („I‘ll Never Smile Again“) vor allem Kay Swift. Ihr verdanken wir „Can’t we be Friends” und „Fine and Dandy”, Letzteres auch der Titelsong ihres Musicals;des ersten, dessen Musik ausschließlieh von einer Frau komponiert wurde.
Kay Swift wurde am 19. April 1897 in New York geboren. Ihr Vater war Musikkritiker und nahm sie schon sehr früh zu Opernaufführungen mit. Sie erhielt ausgiebigen Klavier- und Kompositionsunterricht und trat als Pianistin auf. 1918 heiratete sie James Warburg, Sohn des aus Hamburg stammenden Bankiers Paul Warburg, der 1902 in die USA emigriert war. Ab den 20er-Jahren schrieb sie – wie dann ihr ganzes Leben hindurch – klassische Stücke für verschiedene Besetzungen und daneben viele Songs, zu denen zum Teil ihr Mann unter dem Pseudonym „Paul James” Texte verfasste.

1925 lernte sie George Gershwin kennen. Sie bewunderte ihn – daraus entwickelte sich eine enge Freundschaft. Er beeinflusste sie musikalisch und sie ihn. Schließlich verliebte sie sich in ihn und kümmerte sich um seine Kompositionen mehr als um ihre (zwischen 1930 und 1934 komponierte sie daher auch nichts). Bei der Entstehung von „Porgy and Bess” (1934–35) war sie nicht nur ständig mit ihm in Kontakt und bei den meisten Proben dabei, sondern schrieb auch manche Passagen selbst nieder. 1934 ließ sie sich zudem scheiden, aber es kam zu keiner Ehe mit Gershwin, der 1937 starb. Trotz zweier weiterer Ehen blieb sie ihm ihr Leben lang verbunden. Und es war ein sehr langes Leben – sie starb am 28. Januar 1993 im Alter von 95 Jahren.

Es ist ein großes Verdienst von Vicki Ohl, uns diese bemerkenswerte Frau nähergebracht zu haben.

Duncan Heining: George Russell – The Story of an American Composer. The Scarecrow Press, Inc, Lanham, Toronto, Plymouth, 373 Seiten

Infolge einer nachgerade chronischen Unterbewertung der Arrangeure und Themenkomponisten im Jazz hat auch George­ Russell bisher nicht die Wertschätzung erfahren, die ihm gebührt – dieses Buch ist daher besonders zu begrüßen.
Ein gutes Thema als Initialzündung eines Stücks regt die Improvisation stark an, ein schwaches bewirkt eher das Gegenteil. Das gleiche gilt für ein gutes Arrangement. Wir müssen daher bei der Bewertung eines Stücks Thema und Arrangement immer voll mit einbeziehen.

Wer gut improvisieren kann, ist deshalb noch lange kein guter Arrangeur oder gar ein guter Themenkomponist. Deshalb ist deren Zahl viel kleiner als die der guten improvisierenden Musiker.

George Russell wurde am 1923 in Cincin­nati geboren. Ein halbes Jahr später wurde er von Joseph und Bessie Russell adoptiert. Erst mit 16 Jahren erfuhr er, dass sein leiblicher Vater ein Musikprofessor am Oberlin College und seine Mutter eine Musikstudentin war. Er spielte zunächst Schlagzeug. 1941 lag er sechs Monate mit TBC im Krankenhaus. Dort fing er an, sich mit Musiktheorie zu beschäftigen. 1943 war er für kurze Zeit bei Benny Carter. 1945 musste er nochmals wegen eines Rückfalls für 15 Monate in eine Klinik. Er konzentrierte sich dann ganz auf das Arrangieren. So schrieb er unter anderem „Cubano Be, Cubano Bop” (Dizzy Gillespie, 1947), „A Bird in Igor’s Yard” (Buddy DeFranco, 1949), „Ezz-thetic” und „Odjenar” (Lee Konitz mit Miles Davis, 1951) – voller Dramatik und weit in die Zukunft weisend. Er entwickelte die Idee, dass es zu jedem Akkord eine Skala geben müsse, die zu ihm passt und die als Basis für die Melodiebildung dienen kann. Für ihn war dabei die lydische Skala mit verschiedenen Modifikationen von besonderer Bedeutung. Er wurde so zum Pionier der heute im Jazz gebräuchlichen Akkordskalen-Theorie, die auch andere Musikbereiche inspiriert hat, und des Mo­dal Jazz. Dazu brachte er ein Buch mit dem leider sehr sperrigen Titel „Lydian Chromatic Concept of Tonal Organization” 1953 privat heraus, 1959 in einem Verlag.

1960 bis 1962 spielte er einige Platten ein (er selbst jetzt am Klavier), die zusammen mit Aufnahmen von 1956 (siehe CD-Besprechung im gleichen Heft) und „Jazz in the Space Age” (1959, 1960) zu seinen besten gehören: etwa „Stratusphunk”, „Ezz-thetics”, „The Stratus Seekers” und „The Outer View”: voller neuer Ideen, eigenständig, gleichermaßen überzeugend in Konzept wie Ausführung. Und die hervorragenden Themen – wie schade, dass kaum eines von ihnen ein Standard wurde!

1964 war er erstmals mit seinem Sextett in Europa. Er blieb bis 1969 in Skandinavien und arbeitete mit verschiedenen Gruppen, zu denen zeitweilig der junge Jan Garbarek gehörte. Nach seiner Rückkehr in die USA unterrichtete er bis 2004 am New England Konservatorium in Bos­ton. Daneben schrieb er neue Stücke, spielte sie auf Konzerten und nahm einen Teil davon auf. In Europa fühlte er sich mehr verstanden als in den USA.

Am 27. Juli 2009 starb George Russell –ein Großer des Jazz, obwohl er (wie beispielsweise auch Gil Evans) kein großer improvisierender Musiker war. Wir müssen die Jazzgeschichte auch unter diesem Aspekt betrachten, sonst werden wir ihr nicht gerecht. Dieses Buch leistet dazu einen wertvollen Beitrag.

Joe Viera

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