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Ein Besuch beim Workshop der „Europäischen Jazzakademie Birdland Neuburg“ macht deutlich: Hier geht es mit allem Ernst zur Sache, ohne dabei den Spaß am Spiel zu vernachlässigen. Lachen erfüllt den Raum, Spontaneität kommt bei aller Aufmerksamkeit nicht zu kurz, der Umgangston ist locker und kameradschaftlich, dabei immer konzentriert. Wie Musik klingt das allerdings zunächst mal nicht! Eher wie ein
kollektiver Aufschrei! Blasübungen nur mit dem Mundstück lässt
Peter Weniger ein ganzes Dutzend lernbegieriger Saxophon-Eleven absolvieren.
Aber nur so kann Musik entstehen. Wer die Techniken nicht beherrscht,
dem wird das Spiel nicht gelingen. Das Gleiche gilt für die Vibraphonisten,
die im Nebenraum von David Friedman gecoacht werden. Allein schon die
richtige Haltung der Schlegel und die Bewegung beim Anschlag wollen sorgfältig
eingeübt sein. Bei aller Erfahrung der Lehrenden keine Routineangelegenheit: „Es ist immer etwas Besonderes“, betont David Friedman, auch er ein Musikpädagoge mit langjähriger Lehrerfahrung und Professor an der Berliner Universität. Seine „Vibraphone Technique, Dampening and Pedaling“ gilt weltweit als Bibel des modernen Vibraphonspiels. „Es ist immer wieder eine Herausforderung, und ich lerne selbst jedesmal was Neues dazu. Was ich diesmal interessant finde, ist die Arbeit mit einer gemischten Gruppe, verschiedene Instrumente, unterschiedliche Reifegrade in der Beherrschung des Instruments. Man muss einen Weg finden, die alle unter einen Hut zu bringen. Aber dabei lernen eben auch alle was, tauschen sich aus, sind in Bewegung.“ Zur Teilnahme an den Workshops gehört selbstverständlich auch das Live-Erlebnis in einem der unbestritten schönsten Jazzclubs des Landes. Jüngstes Beispiel eben das Duo Weniger – Friedman, in dem neben der individuellen Klasse der beiden die hohe Kunst des Duospiels in höchster Dichte erlebbar wird: Da sind zwei Persönlichkeiten am Werk, die beide etwas zu sagen haben, die zugleich so intensiv aufeinander eingehen, dass zwei Künstler zu wahrhaft gemeinsamer Musik finden. Nachdenklichkeit, leichtes Melos und blau gefärbter Swing gehören ebenso dazu wie leiser Humor. David Friedmans Vibraphon webt aus glockenhellen Klangperlenschnüren einen feinen fliegenden Teppich, melodisch eloquent, rhythmisch präzise und harmonisch von Esprit erfüllt, subtil zugleich und unüberhörbar präsent. Peter Wenigers Saxophon spielt dazu mal sanft, mal saftig, weich und kraftvoll, mit zartem Hauch und mächtigem Volumen, mal völlig ohne Vibrato, mal mit honky Biss oder exaltierten Überblasungen, das alles eher leise, ohne Aggression oder brüskierende Offensive, jedoch nie unverbindlich oder ohne Biss. „Wir spielen schon sehr lang als Duo“, meint Weniger dazu, „wir können uns sehr viel Risiko im Zusammenspiel erlauben. Dadurch ist jedes Konzert wirklich wie neu.“ Friedman ergänzt: „Die Kunst des Duos besteht ja darin, mit dem zu spielen, was wir haben, nicht zu versuchen, irgendwas zu kompensieren, zum Beispiel ein Schlagzeug. Das ist das Besondere an diesem Duo: Es ist komplett.“ Nachzuhören auch auf der jüngst bei Skip erschienenen CD „Retro“ (SKP 9097-2). Ein wesentliches Ziel der Europäischen Jazzakademie Birdland Neuburg ist neben der Nachwuchsförderung nicht zuletzt die Heranführung junger Menschen an die Welt des Jazz: Dazu dienen unter anderem Konzerte für Schülerinnen und Schüler. In einem dieser Konzerte ermittelte bereits das Panama Jazz Ensemble von Franz-David Baumann gemeinsam mit dem legendären Inspektor Maus. Die Kids waren begeistert, was für Manfred Rehm ein gutes Zeichen ist: „Die sind noch nicht verbildet, sind offen für gute Musik. Das muss man vermitteln.“ Nach Weniger und Friedman stehen im Frühjahr Workshops mit Kenny Drew jr, p, Thomas Dobler, vib, Don Friedman, p, Martin Wind, b, Hans Braber, dr, Scott Robinson, sax, Bill Cunliffe, p, Joe LaBarbera, dr, und noch einmal Martin Wind, b, auf dem Programm. Wo sonst gibt es die Möglichkeit, bei einer solchen Fülle an Koryphäen zu lernen und sie dabei auch noch unmittelbar und hautnah im Konzert zu erleben? Tobias Böcker |
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