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Jazzzeitung

2011/01  ::: seite 23

farewell

 

Inhalt 2011/01

Inhaltsverzeichnis

STANDARDS

Editorial / break / Nachrichten aus der Jazzszene / kurz, aber wichtig Jazzlexikon: Stan Levey Farewell: James Moody // Richard Wiedamann


TITEL -
Marie Laveaus Vermächtnis
Versuch über Voodoo und Jazz – von Hans-Jürgen Schaal


Berichte

Jazzfest Berlin 2010 // 41. Deutsches Jazzfestival Frankfurt // Berliner Festival präsentiert Musiker-Vereinigungen aus ganz Europa // Festival der Jazzmusiker-Initiative München // Zur „Europäischen Jazzakademie Birdland Neuburg“ // Bass und Cello im Jazzclub Unterfahrt // 17. Thüringer Jazzmeile


Portraits

Lajos Dudas // Die Sängerin Maria Farantouri // Jessica Pilnäs // Der Saxophonist Karl Seglem


Jazz heute und Education
Thomas Muderlak, Leiter BMW Welt, im Gespräch // Steffi Denk und ihr Education-Projekt „Swing for Kids“ // Musikhochschule Nürnberg: Steffen Schorn im Interview Abgehört: Letzte Nächte in Kopenhagen: Stan Getz‘ Solo über Night and Day

Rezensionen und mehr im Inhaltsverzeichnis

Erfinder des Bayernjazz

Jazzmentor und Pianist Richard Wiedamann 78-jährig in Regensburg gestorben

„Warum tue ich mir das bloß an?“, klagte er manchmal in komischer Verzweiflung, wenn Verwaltungshürden, menschliche Uneinsichtigkeit oder politischer Unverstand ein wichtiges Vorhaben für den Jazz (wieder einmal) blockierten. „Ich sollte am Klavier sitzen und spielen“, grummelte Richard Wiedamann hinterher. Die „graue Eminenz“ der Regensburger Kulturpolitik ist tot, mit 78 Jahren an Heiligdreikönig einer schweren Erkrankung erlegen.

Foto: Bayerisches Jazzinstitut

Bild vergrößernFoto: Bayerisches Jazzinstitut

Titulierungen wie „ Jazz-Papst“ oder „Vater des Jazz“ liebte er gar nicht, auch wenn er sich insgeheim geschmeichelt fühlte. „Ich hoffe“, schrieb er in seinem Blog „Ratisbömbchen“, „ich bin genauso wenig unfehlbar wie unbelehrbar.“ Richard Wiedamann liebte den Jazz, überhaupt die Musik, und war ein leidenschaftlicher Verfechter der Demokratie. Die in unterschiedlichen Sphären angesiedelten Begriffe „Jazz“ und „Demokratie“ gehörten für den Regensburger Festival-Intendanten, Musikschulleiter, Bandleader, Gründer und ehrenamtlichen Leiter des Bayerischen Jazzinstituts zusammen. Das hat mit der Zeit zu tun, in die er hineingeboren wurde. Kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten geboren, war für Wiedamann das Kriegsende gleichbedeutend mit Befreiung, Beginn der Demokratie und verheißenem Import der von den Nazis verbotenen Jazzmusik. Er dachte den von „Amis“ importierten Jazz und Demokratie als feste Einheit. Die Entwicklung der 50er- und 60er-Jahre im Bebop und Freejazz bestärkte ihn in seiner Haltung. Jede Band eine kleine demokratische Einheit.

In den 50er-Jahren hat Wiedamann unter dem Label „Jeneusses Musicales“, deren deutsche Sektion er mitbegründet hatte, zeitgenössische und Jazzkonzerte organisiert, heute legendäre Stadtpark-Konzerte. Er komponierte und spielte beim ersten Regensburger Nachkriegskabarett mit, später komponierte er auch für das Stadttheater und schrieb eine Filmmusik. Von 1960 an war er einige Zeit Jazzreferent der Musikalischen Jugend Deutschlands. 1975 wurde er Leiter der Regensburger Musikschule e.V., die er restrukturierte und bei der Zusammenlegung mit der Singschule zur Städtischen Sing- und Musikschule auch deren Gesamtleitung bis 1993 übernahm. Auf Wunsch des Kulturamtes rief er 1982 das jährliche Festival „Bayerisches Jazz-Weekend“ für Amateurmusiker und angehende Profis ins Leben, das heuer im Sommer zum 30. Mal stattfindet und inzwischen weit über die Landesgrenzen hinaus in angrenzende Regionen ausstrahlt.

Das Jazzgeschehen in Bayern hat Richard Wiedamann noch auf weiteren Ebenen erheblich beeinflusst und wie kein anderer nach vorne gebracht. Seiner Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, dass 1987 die „Landjugend“, das Landes-Jugendjazzorchester mit Dusko Gojkovich als künstlerischem Leiter durchstarten kann. Wiedamann selbst fungiert zehn Jahre als dessen organisatorischer Leiter. Mit Jazzfreunden aus allen Bezirken gründete er 1991 die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Jazz in Bayern e.V., die bei der Gründung des Bayerischen Jazzinstituts ein Jahr später dessen Träger wurde. Dazwischen lagen Ehrungen im Plural: Kulturförderpreis der Stadt Regensburg, Carl-Orff-Medaille durch den Verband der Bayerischen Sing- und Musikschulen e.V., Pro Meritis Medaille, Bundesverdienstkreuz am Bande und zuletzt, wenige Wochen vor seinem Tod, der Kulturpreis der Stadt Regensburg.

Er nutzte die Verleihung, um in einer Videobotschaft auf das Versagen der Kulturpolitik hinzuweisen, welche keinen Kulturförderpreis vergeben hat. Dabei zitierte er, mit vertraut verschmitztem Lächeln, Wilhelm Busch: „Wenn man es nur versucht, so geht‘s. Das heißt mitunter, doch nicht stets.“ Überhaupt zitierte er gern, um menschliche Werte und demokratische Standpunkte zu untermauern. Ohne ihn stünden Bayerns und Regensburgs Kulturleben ungleich viel ärmer da.
Am Haus in der Regensburger Brückstrasse, Sitz des Bayerischen Jazzinstituts, ist ein Zitat Franz von Assisis zu lesen: „Gegen die Nacht können wir nicht ankämpfen, aber wir können ein Licht anzünden“. Richard Wiedamann hat viele Lichter angezündet.

Michael Scheiner

Info und Kondolenzbuch

www.bayernjazz.de
www.ratisbömbchen.de
www.richard-wiedamann.de

 

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