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Jazzzeitung
2011/01 ::: seite 9
portrait
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Sie ist Schwedin und sie hat eine ausdrucksstarke Stimme – das
allein mag Jessica Pilnäs noch nicht von der Masse der Sängerinnen
aus nordischen Ländern abheben. Ihr unprätentiöser Stimmklang,
ihr melancholisch-entspannter Gesang, die Gelassenheit, die Instrumentalisten
und Sängerin ausstrahlen, lassen hingegen aufhorchen. Mit „Bitter & Sweet“ legt
Pilnäs nun ihr Debüt bei ACT Music vor, und der Name ist Programm…
JazzZeitung: Was bedeutet der Albumtitel für dich, der ja auch
ein Songtitel ist – warum war er für dich einfach DER CD-Titel?
Jessica Pilnäs: Der Titel „Bitter & Sweet“ schien
einfach passend für das Album, weil das in der Sache das ganze Auf
und Ab im Leben und in der Liebe beschreibt. Manchmal süß und
manchmal bitter… Und die Songs beschreiben ja das ganze Spektrum,
ab dem ersten „Sichverlieben“ wie in „The More I See“.
Das stammt übrigens von meinem Mann Johan und die Aufnahme ist aus
der Zeit vor unserer Heirat.
Das hört sich nach einer Geschichte an (lacht) Das stimmt. Johan
bat mich ins Studio, um für, so sagte er,„einen neuen Song“ ein
paar Gesangsspuren zu machen. Während des ersten Takes erkannte
ich, dass der Text nur von uns beiden handeln konnte! Ein unglaublich
romantischer Moment! Ja, und inzwischen sind wir verheiratet und haben
drei Kinder. Ich kann’s jedem Mann nur empfehlen, der möchte,
dass sich eine Frau in ihn verliebt: Schreib ihr einen Song und sie ist
hin und weg! Aber natürlich sind auch die bitteren Seiten der Liebe
vertreten, wie in „The Winner Takes It All“ oder in „Just
Not Today“, wo das Ende einer Liebesgeschichte beschrieben wird.
Irgendwo dazwischen halten sich die anderen Songs auf. Beispielsweise „Man
In A Ballon“ oder „There Must Be An Angel“ spiegeln
die glückliche Seite der Liebe wider, „Bridge Over Troubled
Water“ das Gefühl der Verlässlichkeit in einer funktionierenden
Beziehung… Aber so glatt läuft es nicht immer, es kann sogar
recht kompliziert werden, wie Billie Holiday in ihrem Song „Don’t
Explain“ beschreibt, oder wie es in „So I Fell“ gezeigt
wird.
JazzZeitung: Die Songs stammen aus dem Jahr
2004 bis heute – das
hört sich nach einer langen Reise einiger Songs an und nach einer
Sammlung. Wann war genug für ein Album zusammen, beziehungsweise,
was gab den Ausschlag dafür, dass es soweit war?
Pilnäs: Es war ein recht langer Zeitraum, während dessen die
Stücke aufgenommen wurden. In der Zeit studierte ich nicht nur Medizin,
sondern brachte auch zwei Kinder auf die Welt. Das war eine sehr erfüllte
Zeit, es blieb einfach nie der Raum, um ein Album aufzunehmen. Jetzt,
wo ich meinen Abschluss in der Tasche habe, jetzt war der Moment dafür!
Ich hatte mich so danach gesehnt, wieder Musik zu machen. Nils Landgren
hat mich in allem unterstützt und mich überzeugt, es doch wieder
mit Singen zu versuchen. Und plötzlich passte alles zusammen wie
bei einem Puzzlespiel.
JazzZeitung: Du hast, wie du eben erwähnt hast, in diesem Jahr dein
Medizinstudium beendet. Was wird nun aus deiner Karriere als Ärztin?
Oder versuchst du den Spagat, Ärztin und Sängerin zu sein?
Pilnäs: Das wird sich erweisen. Im Augenblick ist
für mich
natürlich das Album das Wichtigste und deshalb konzentriere ich
mich auf die Musik. Aber mir bleibt natürlich immer dieser Abschluss
und ich könnte jederzeit anfangen, als Ärztin zu arbeiten.
JazzZeitung: Gibt es Eigenschaften, die man
für beide Berufe gleichermaßen
braucht? Hilft dir dieses Studium vielleicht sogar in der Musikbranche?
Pilnäs: Einen Einfluss hat das Medizinstudium sicher – aber
hauptsächlich bin ich froh, dass ich die Möglichkeit hatte,
beides zu machen! Viele Ärzte werden zu schnell „wissenschaftlich“ und
verlieren den Draht zur Realität. Das merkt man, wenn sie mit Patienten
sprechen, die selbst weniger wissen, als sie. Wenn ich dagegen jemanden
behandle, möchte ich eine Beziehung zu ihm oder ihr aufbauen können.
Nun, ich könnte mich ja die „singende Ärztin“ nennen
und in die Sprechstunden kleine Showeinlagen einbeziehen… (lacht).
Nein, im Ernst – ich möchte immer den Kontakt zum wirklichen
Leben behalten, damit ich besser mit Leuten umgehen kann. Und die Musik
hilft hierbei. Carina Prange
CD-Tipp
Jessica Pilnäs: Bitter & Sweet
ACT Music |