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Gansch & Roses Ja, ja, Thomas Gansch und seine Rosen. Auf der bereits
vierten CD dieser 2001 gegründeten Gruppe um den begnadeten Trompeter, Komponisten
und Arrangeur Thomas Gansch bleibt wie immer kein Auge trocken! Da wird
mit viel Lust und Spaß gegroovt, gespielt und sogar gejohlt
(„Yeehaw“), bis sich die Balken biegen! Francis Drake Hinter dem Bandnamen „Francis Drake“ stecken der Gitarrist
Max Frankl, Max von Mosch am Saxophon und der Bassist Henning Sieverts.
Mit ihrem Album „Stories“ begeben sie sich, wie einst der
schillernde Admiral aus dem 16. Jahrhundert, auf eine abenteuerliche
musikalische Reise und navigieren dabei kompetent in Gefilden von Melodien,
Polyrhythmen und Klängen. Durch die an sich ungewöhnliche Besetzung
finden sich immer wieder leichte Anklänge an das klassische Jimmy
Giuffre Trio oder auch entfernt anmutende Oregon-Sounds, ohne vordergründig
zu kopieren. Im Gegenteil – da die Musiker nicht erst seit gestern
kompetent in ihrer Klasse aufwarten, bringen sie die bisher gesammelten
Erfahrungen ein und kombinieren diese zu einem spannenden musikalischen
Abenteuer. Jazz, Groove, Kammermusik – bei „Francis Drake“ gibt
es weder Schubladen noch tonale Grenzen. Gleich der Opener „North
End“ startet mit Mosch-typischen Grooves. Frankls von Rilke inspirierte
Suite „Der Panther“ spannt einen Bogen von eingängigen
Melodielinien bis hin zu zeitgenössischer Kammermusik, und Sieverts „Sum
sumus mus“ bietet klassischen Modern Jazz mit herrlichen Klarinettenexkursen.
Melancholische Themen wechseln mit Reflexionen erlebter Begebenheiten
und Erfahrungen. Dabei stehen konsequent swingende Kompositionen und
der homogene Sound der Gruppe im Vordergrund. Man darf gespannt sein,
wohin die Reise mit „Francis Drake“ weiter geht. Auf jeden
Fall ist diese Produktion ein absoluter musikalischer Volltreffer. Caecilie Norby Mit ihrer aktuellen CD „Arabesque“ debutiert die großartige
skandinavische Sängerin Caecilie Norby beim ACT-Label. Als Tochter
klassischer Musiker reflektiert sie mit diesem Projekt zum einen frühe
Einflüsse ihrer Kindheit und verbindet diese gleichzeitig mit Jazz-
und Pop-Elementen. Für inspiriert eingespielte Kompositionen
von Ravel, Satie oder Debussy hat sie eigene Texte verfasst! Eine große
Herausforderung, mutig umgesetzt und souverän gelungen. Es überwiegen
klassisch impressionistische Stücke, die Norby mit ihrer lyrischen
Stimme vorträgt, sowie eine bewusste Verneigung vor Michel Legrand
in zwei Originals. Die Bandbreite begeistert und verzaubert den Hörer
von Anfang an mit Melodien. Gemeinsam mit ihrem Ehemann und Bassisten
Lars Danielsson produziert und eingespielt, hat Norby ein who is who
der nordischen Musikszene um sich versammelt. Dazu gehört neben
der klassischen Pianistin Katrine Gislinge auch Ulf Wakenius, Hans Ulrik,
Anders Engen, Xavier Desandre-Navarre, Palle Mikkelborg und Bugge Wesseltoft,
der mit filigranem elektronischen Fingerspitzengefühl aus dem Standard „Bei
mir bist du schön“ eine mitreißende Funknummer aus dem
Hut zaubert. Beeindruckend auch „Women of Santiago“, ein
zeitloser Popsong, kammermusikalisch instrumentiert. Alles in allem ist „Arabesque“ ein
wegweisendes abwechslungsreiches Album, das, fernab von Genregrenzen,
facettenreich vielseitig aufwartet und damit viele Hörer begeistern
wird, egal ob aus der Jazz-, Pop- oder Klassikecke. Till Brönner Wer den Jazztrompeter Till Brönner mag und sich über dessen
abgeblasene Quotenshow im Kommerz-TV wunderte, wird die CD „At
The End Of The Day“ mit wachsendem Befremden anhören. Geneigte
Ohren attestieren dem einstigen Shootingstar womöglich chamäleoneske
Wandlung. Puristen sorgen sich um unersetzliche Hörorgane. Und sowieso
um den guten Geschmack. Till Brönner ist nicht nur der energiegeladene
Jazztrompeter, sondern auch ein Virtuose leiser Töne mit dem Vermögen,
sich singend einem Quotenpublikum einzuschmeicheln. Der smarte Viersener
entfaltet sich kreativ in viele, in zu viele Richtungen. Auf dem Album „At
The End Of The Day“ sind Popsongs aller Epochen vereint, mit denen
ein in die siebziger Jahre Hineingeborener aufwuchs und scheint passabel
als Ersteinrichtung jeder profillos liberalen Villa Kunterbunt. Jugenderinnerungen
stolpern durch die Charts der Vergangenheit und schlittern über
Sound-Teppiche, denen lediglich Tischfeuerwerk und Glitzersternchen fehlen.
Aufnahmequalität und Abmischung sind so perfekt, dass die Songs
unterschiedlicher Handschrift weitgehend homogen klingen. Böse Zungen
nennen das weichgespült. Geruchsneutral. Oder geschmacklos. Wer
das in Fahrstühlen hört, steigt lieber Treppen. Haben die einstigen
Hits von Beatles, Bowie und Bach das verdient? Mit flirrendem Streicherklang
schmelzen sie unter dem singenden Trompeter dahin. Am Ende mancher Tage
wird nicht auf Feinheiten geachtet. Soll dies die Ansage sein? Wer das
für sich akzeptiert, den kann das Scheibchen erfreuen. Ring-Ensemble Barockmusik und Jazz sollte mehr sein als launiges
Besenwischen, ab und an gepaart mit dräuendem Septakkord zum wimmernden Bass. Alte Musik
kann im Jazz sogar vollkommen neu sein! Das beweisen drei junge Musikanten
aus Dresden, die dort als Ring-Trio fungieren und nun als Ring-Ensemble
aufspielen. Für dieses Experiment gingen die Instrumentalisten – Pianist
und Keyboarder Simon Slowik, Bassist Felix Otto Jacobi und Schlagzeuger
Demian Kappenstein – einen gewagten Schritt nach vorn zurück
in musikalische Vergangenheit. Zusammen mit einem auf Alte Musik spezialisierten
Streichquartett – Musiker renommierter Ensembles wie La Risonanza,
Freiburger Barockorchester und Chapelle Rhenane – schlagen die
Jazzer einen Bogen quer durch die Zeiten. Violine, Viola, Gambe und Laute
bereichern das Klangspektrum des Trios und führen mit Simon Slowiks
zu diesem Projekt entstandenen Kompositionen in ganz neue Welten. Raffinessen
klassischer Musikentwicklung verschmelzen meditativ mit den Offenheiten
von Improvisation, um in stilistisch einzigartigen Resultaten zu köcheln.
Im Spiel mit der Geigerin Ulrike Slowik, dem Bratscher Raquel Massadas,
Diethard Krause an Cello und Viola da Gamba sowie dem Instrumentalisten
und Komponisten Andreas Arend an Laute und Theorbe gelingt den Jazzern
originäre Klangwelt. Endlich mal ein Verschmelzen von Genre und
Stil, das sich nicht auf merkantilen Schmusesound zu Barockoriginal beschränkt. Christian Weidner Ein Fest der leisen Töne, auch in den Momenten, in denen Wohlklang
und Harmonie im temperamentvoll freieren Spiel der Kräfte hintanstehen.
Seit seinem Debüt „Choral“ (PIT3009) hat sich Christian
Weidner konsequent fort entwickelt. Im Quartett mit Colin Vallon, p,
Henning Sieverts, b, und Samuel Rohrer, dr, bleibt viel Raum für
das gemeinsam zu entdeckende, sperrig und kantig zuweilen auf der einen
Seite in „St. Paul“, „Lyra“ oder dem Groove betonten „Drawn
Ones“, in einfacher, sanglich einprägsamer Melodiosität
auf der anderen im „Abendlied“, „Psalm“, „Ave“ oder
im Titelstück „The Inward Song“. Komposition und Interaktion,
Geschriebenes und Gespieltes, Durchdachtes und Spontanes stehen in überzeugender
Balance zueinander, ergeben in transparent strukturierter Klarheit und
atmosphärischer Dichte ein zart verästeltes, ungemein ästhetisches
Ganzes mit Luft zum Atmen in wohldosierter Intensität. Beliebigkeit
ist der Musik des 34-jährigen Weidner fremd, die Lehrjahre nicht
zuletzt im BuJazzO und bei Kenny Werner sowie die Zusammenarbeit mit
Albert Mangelsdorff und Gunter Hampel verpflichten. Was in besonderer
Weise fasziniert, ist das traumwandlerische Miteinander, in dem das Quartett
jenen farbenprächtigen „Abenteuerraum“ durchmisst, in
dem – wie Weidner sagt – „die Musiker sich begegnen,
während sie alle den Moment erfinden, improvisieren, sich zeigen:
nackt, beseelt, kreativ“. Renaud García-Fons Seit Jahrtausenden ist der Mittelmeerraum ein Schmelztiegel
der Kulturen, bis heute nun wirklich nicht immer und überall in friedfertigem
Miteinander. Um so wichtiger, wenn einer sich auf die Reise macht, Bindeglieder
zu suchen zwischen Ost und West, Nord und Süd. Renaud García-Fons,
französischer Paganini des 5(!)-saitigen Kontrabasses mit spanischen
und italienischen Wurzeln, setzt auf die Macht der Melodie als des wesentlichen
verbindenden Elements der Völker. Emotionen, Düfte, Stimmungen,
Rhythmen, Instrumentierungen, Klangfarben, Bilder, Sprachen, nicht zuletzt
jene vergessene Sprache Aljamiado, arabisch geschrieben und spanisch
gesprochen, welche dereinst islamische und christliche Kulturgrenzen
zumindest im Ansatz zu überbrücken vermochte, das sind die
Eindrücke, die er uns mitgibt auf seinem Trip. Der führt von
Spanien die nördliche Küste entlang an den Bosporus, über
den Libanon, Ägypten und Nordafrika nach Gibraltar. Eine Traumreise,
sonnendurchflutet, von Licht erfüllt, tänzerisch, schwärmerisch, üppig
und von neugieriger Offenheit geprägt. Mitreisende sind Claire Antonini
an Laute, Theorbe, Zither und Bouzouki, David Venitucci am Akkordeon,
Kiko Ruiz an der Flamencogitarre, Adel Shams el-Din an Rik und Derbouka,
Bruno Sansalone an der Klarinette, Henri Tournier an Flöten, Bass
und dem überdimensionalen Octobass, sowie García-Fons‘ Tochter
Solea in der wunderbaren Ballade „Los Secretos“. Der Rote Bereich Sich nach 17 Jahren noch so viel zu sagen zu haben – nicht alltäglich
ist sowas! Bassklarinettist Rudi Mahall, Gitarrist Frank Möbus und
Schlagzeuger Oliver Steidle improvisieren sich auch auf ihrem siebten
Album kompromisslos in den „Roten Bereich“ hinein. Der Bandname
des heute in Berlin lebenden Dreigestirns ist Manifest für praktizierte
geistig-kreative Freiheit jenseits irgendwelcher Schubladen, ebenso die
ungewöhnliche Besetzung, die allen drei Musikern so viel Luftigkeit
und Entfaltungsraum bietet. Da sondern nicht etwa irgendwelche Freejazzer
narzisstische Egotrips ab – vielmehr steht die hohe Kunst des Zuhörens
und Ausredenlassens im Raum! Denn erst dadurch entfalten sich Ideen,
entsteht Nähe, werden große Momente geboren. Und diese drei
ernsthaften Spaßvögel lassen auch mal die Spielweise etwas
unaufgeräumt zurück. Hingetupfte Signale der Bassklarinette
markieren zaghaftes Suchen, während die elektrische Gitarre Signale
aus dem Äther sendet. Und schon kommen aufgeweckte Geister miteinander
in Fahrt, fragen, antworten, kommentieren – und provozieren einander
auch. Mahall lässt sein Horn gurren und glucksen, jubeln, sphärisch
umspielt Gitarrist Möbus die verwinkelten Linien – Schlagzeuger
Oliver Steidle moderiert nicht nur zwischen diesen Gegenpolen, sondern
funkt auch mit wildem Synkopenstakkato dazwischen. Jazz? Punkrock? Neue
Musik? Einfach „Roter Bereich!“ Dominik Glöbl Quintett feat. Caroline von Brünken:
Halteverbot Passend zur stillen Jahreszeit hat das Dominik Glöbl Quintett, bestehend
aus Absolventen der Hochschule für Musik und Theater München,
seine erste CD „Halteverbot“ veröffentlicht. Glöbl
unterrichtet am Music College in Regensburg Jazz-Trompete und ist Mitglied
der Bayerischen Löwen. Hört man ihn live, so weiß man,
dass er sein Instrument beherrscht, es facettenreich und kontrastierend
spielen kann. Die CD fällt dahingehend ruhiger und spärlicher
aus. Poppiger Jazz mit eingängigen Melodien, festen Schemata, leisen
und einfachen Motiven und einem zurückhaltenden Glöbl an Trompete
und Flügelhorn. Das Album enthält zehn Songs mit Texten des
Lyrikers Manfred Peringer und es ist interessant zu hören, wie Sängerin
Caroline von Brünken Wörter wie „Sprechstunde“, „Brummschädel“ und „Armaturenbrett“ mit
ihrer glasklaren und glatten Stimme vertont. Der erste Titel heißt „Verschiebebahnhof“.
Genau wie der Titelsong „Halteverbot“ beginnt er mit einem
kleinen Intro, gefolgt von einem Motiv, das vom Saxophon durchgeführt
wird, schlicht und schnörkellos. Gerade bei so geradlinigem Jazz,
wäre ein dazu kontrastierender Gesang sicher provokanter gewesen.
Musikalisch interessant, weil anders, verrauchter, düsterer mit
brummendem Cello ist „Und leise fällt der Schnee“. Das
Quintett mag es ruhig und melancholisch, dennoch scheint das erste Album
noch nicht das Ende einer Stilfindung gewesen zu sein. Das Kapital Hanns Eisler wurde von den Nazis verfolgt, von
amerikanischen Antikommunisten vertrieben und später vom DDR-Kulturbetrieb in der eigenen Kreativität
so weit zurechtgestutzt, so dass er heute den meisten nur als Urheber
der relativ einfältigen DDR-Hymne bekannt ist. Dabei gehörte
der Schönberg-Schüler zu den zentralen Gestalten einer musikalischen
Moderne, in der sich gesellschaftlicher Idealismus als zentrale Triebkraft
widerspiegelte. George Russell Diese Aufnahmen von 1956 stellen einen ersten Höhepunkt der Combo-Arbeit
George Russells dar: komplexe Melodien, hochspannend arrangiert und den
Musikern, vor allem Art Farmer (Trompete), Hal McKusick (Altsaxophon,
Flügelhorn), und Barry Galbraith (Gitarre), viel abverlangend, die
mit präzisem Zusammenspiel und eindrucksvollen Soli glänzen. Slagr „Straum, Stille“, das zweite Album des norwegischen Kammerfolk-Trios „Slagr“,
ist in der Sofienberg-Kirche in Oslo mit feinem Hall und schönem
Raumklang aufgenommen worden. Es verbindet spröde,
zerbrechlich-poetische Themen aus der heimatlichen Tradition der Musiker
mit der Subtilität des Jazz und einem rhythmischen Pulsieren, wie
wir es von den Minimalisten her kennen. Waren es vor über dreißig
Jahren Terje Rydal und Co., die mit neuartigen, elektrischen Klängen
bei ECM die Weite und ruhige Erhabenheit ihres Landes musikalisch erfahrbar
gemacht haben, gehen Anne Hytta (hardanger fiddle), Sigrun Eng (cello)
und Amund Sjolie Sveen (vib) mit akustischen Instrumenten diesen Weg
noch eine ganze Ecke weiter. Das gesamte Album ist von einer getragenen,
dunklen Stimmung geprägt, die sich fast im Zeitlupentempo aus meist
einfachen Themen und rauhen Klängen entwickelt. Langsam, beinahe
unmerklich entfalten sich die Stücke, bis auf eines, alle von Geigerin
Hytta komponiert. Gleich das erste, „Drifting out of sleep“,
ist ein passendes Bild für diesen konzentrierten, fast schon religiösen
Prozess mit lange angehaltenen Vibraphon-Klängen, perkussiven
Oberton-Schwingungen und meditativ wirkenden melodischen Motiven
und Harmonien auf Fiddle und Cello. Stilistisch bewegt sich das Trio,
das auch Werke zeitgenössischer norwegischer Komponisten interpretiert,
zwischen Folk – im weitesten Sinne – und zeitgenössischer
Klassik, am ehesten noch mit den Sounds eines Arvo Pärt verwandt. Trio Dolce Vita Ehrfurchtsvolles Aneignen bekannter Vorlagen lebt
vom Verfremden derselben. Kenner und Könner zerstören das Ursprungsmaterial nicht, sondern
stellen es mit aller gebotenen Vorsicht in neues Licht. So entsteht künstlerisch ästhetischer
Zugewinn. Wenn sich ein Trio um den Schweizer Klarinettisten Claudio
Puntin „Dolce Vita“ nennt und dessen CD mit „Amarcord“ betitelt
ist, so handelt es sich um eine sehr tiefe Verneigung vor Federico Fellini
und Nino Rota. Die beiden Ausnahmetalente haben sich gegenseitig berühmt
gemacht und waren bis zum Tod Rotas 1979 schier unzertrennlich. Dabei
sah der sich gar nicht als Filmkomponist, sondern wollte in Ballett,
Konzert und Oper punkten. Unsterblich wurden aber die emotionalen Melodie,
eben zu „Amarcord“, „Dolce Vita“, „8½“, „La
Strada“ und vielen anderen, gerade weil sie nie „gefühlig“ daherkamen.
Das ist auch der Aneignung durch Puntins Trio gelungen. Er schmaucht
in sein Instrument und zögert so manch Wiedererkennen hinaus, Pizzicati
vom Kontrabassisten Johannes Fink sorgen für weitere Ablenkung und
sind doch in Summa mit dem virtuosen Cellisten Jörg Brinkmann nur
eine Hinwendung zum Ziel. Tempoverschiebungen brechen und ironisieren
die Italianità-Reminiszenzen. Neun der brillanten Filmmelodien
hat das Trio für sich entdeckt, jedesmal so stimmungsvoll, dass
man Bilder zu hören vermeint. Die beiden Streicher leisten sich
absichtsvoll mancherlei Schrägen, der Klarinettist gerät in
geradezu intime Klangwelt – was fehlt, ist eigentlich nur ein Stück „8½“. The Tigers of Love Tiger gelten als kraftvoll und gleichzeitig elegant.
Mit ebendiesen Eigenschaften gehen „The Tigers of Love“ ihrer Liebe zum akustischen Jazz
nach, mit spannungsreichen Melodien, energiegeladenen Rhythmen und knackig
komponierten Intros. Das in Berlin ansässige klavierlose Quartett
um den Saxophonisten Alexander Beierbach und den Trompeter Steffen Faul
startet mit kraftvollem Bebop; in geschmeidigen Parallelen tänzeln
kantige Bläsermelodien über nervösen Rhythmen. Dann wieder
erinnern ruhige, abgeklärte Passagen an den Cool Jazz des Quartetts
von Gerry Mulligan und Chet Baker, das einst in derselben Besetzung wie
die „Tiger“ spielte. Aber das Stil-Karussell dreht sich weiter.
Mal werfen sich die Musiker hochvirtuos die Bälle zu; mal weben
sie einen schillernden Klangfarbenteppich à la Ellington. Mikrotonale
Nuancen werden ebenso ausprobiert wie experimentelle Klänge – ein
Kratzen, Scharren, oder Rascheln, bei dem man zuweilen nicht mehr die
Instrumente identifizieren kann. Die Bandmitglieder sind für solch
einen Rundumschlag technisch versiert und stilsicher genug. Alle vier
haben Kompositionen beigesteuert, in denen sie sich auch mal Ausflüge
zu Drum‘n‘Bass und Klezmer gestatten. Schlagzeuger Uli Jennessen
brilliert in seinem sich immer weiter verdichtenden Bravourstück „Pönk“.
Den Abschluss bilden eine Blues-Elegie mit dem lapidaren Titel „tot“ und
das karibisch tänzelnde Finale. Kurzum, die „Tiger“ sind
ebenso neugierig, frei und unberechenbar wie eine Raubkatze auf Pirsch. |
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