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John Coltrane Als 1960 Norman Granz sein tourendes Konzertunternehmen nach Europa
schickte, waren neben dem Miles Davis Quintet auch Stan Getz und seine
Gruppe und
das Oscar Peterson Trio im Paket. Pläne einer Fernsehaufzeichnung
des Quintetts scheiterten an der Unlust des Trompeters. Da filmte man
dessen Tenoristen John Coltrane, der ohnehin dabei war, das Quintett
zu verlassen, kurzerhand mit Wynton Kelly (p), Paul Chambers (b) und
Jimmy Cobb (b). Obwohl Trane erst Monate später ein festes, das
legendäre Quartett leitete, ist auf dem Album ein altbewährtes
Team zu hören: das schon 1959 in „Coltrane Jazz“ verewigte
Quartett aus Davis-Kollegen. Die Chance ihre ohne Miles erarbeiteten
Stücke wie „Like Sonny“ oder „Harmonique“ aufzugreifen,
wurde nicht ergriffen; man spielte wie jeden Abend bei Miles „On
Green Dolphin Street“ und „Walkin’“, freilich
hervorragend. Im Ballad-Medley tritt Stan Getz hinzu (der nicht, wie
der Begleittext will, schon 1953, sondern erst 1957 mit Kelly aufgenommen
hatte). In „Rifftide“, als Spitzentreffen mit Getz ein Unikat
wie „Tenor Madness“ mit Rollins, löst Oscar Peterson
Kelly ab. Bud Powell „The Cologne Broadcasts“ nennt sich eine Reihe historischer Jazzaufnahmen des WDR. Im Gegensatz zur Düsseldorfer Coltrane-Archivalie wurde das vorliegende Konzert seit Jahrzehnten unter Titeln wie „The Essen Jazz Festival Concert“ oder „Hawk in Germany“ oft veröffentlicht. Nur bei dieser einen Sternstunde der Jazzgeschichte kam es zu gemeinsamen Aufnahmen der vier Musiker: Bud Powell, der König des Bebop-Pianos, war diesmal in vorzüglicher spielerischer Verfassung und saß (damals auch ein Glücksfall) vor einem guten Instrument. Der Bassist Oscar Pettiford, nominell der Leader, und der Drummer Kenny Clarke hatten zwei Jahrzehnte zuvor auf ihren Instrumenten die Wende vom Swing zur Jazzmoderne eingeleitet. Die drei Wahleuropäer passten vorzüglich zu Coleman Hawkins. Der Vater des Tenorsaxophons, auf vier Stücken Stargast des Trios, hatte mehr als jeder „Alte“ die jungen Bebopper gefördert. Zur Zeit des Konzertes hatte er, wie Joachim Ernst Berendt treffend ansagt, eine „Vitalität entwickelt, mit der er viele seiner jüngeren Nachfahren und Schüler an die Wand bläst“. Was mag Jazzline bewogen haben, groß „Unreleased“ auf die Vorderseite zu drucken und die Applause mit Tracknummern zu versehen, womit flüchtig der Eindruck entsteht, es seien 17 und nicht die bekannten 9 Aufnahmen? Neu ist nur die klangliche Verbesserung und das Herausschneiden der Ansagen Berendts. Jo Jones Der Schlagzeuger „Papa“ Jo Jones wäre heuer 100 Jahre alt geworden. Als er 1985 starb, vier Tage nach Bop-Schlagzeuger „Philly“ Joe Jones, war er zuletzt allzu oft mit diesem verwechselt worden. Heute dürfte das noch häufiger passieren. Grund genug, sich seiner wegweisenden Bedeutung zu entsinnen und seine eigenen Alben kennenzulernen. Aufnahmen als Sideman sind ja fast so häufig wie Sand am Meer, wirkte er mit seiner neuartigen, relaxten und ökonomischen Spielweise von 1933 bis 1948 bei Count Basie stilbildend: Von „Papa“ übernahmen die Drummer einen leichten federnden Beat, da vor allem er das Markieren des Grundmetrums von der Basstrommel auf die Hi Hat verlegte. Die Basstrommel wurde nun frei für Akzente. Außerdem hatte keiner vor ihm Besen eleganter und musikalisch sinnvoller eingesetzt. Max Roach: „Von drei Schlägen eines Drummers gehören zwei Jo. Er ist der größte Drummer aller Zeiten.” Für seine erste Langspielplatte kam 1955 mit Count Basie, Walter Page und Jones wieder die berühmte All American Rhythm Section zusammen. Unter den zwölf zu unterschiedlichen Septetten kombinierten Basie- und Ellington-Musikern sind Emmett Berry (tp), Lucky Thompson (ts) und Bennie Green (tb). Als Bonus-Album enthält der Silberling auch Jones’ Sextett-Album „Vamp Till Ready“ von 1960, mit „Sweet“ Edison, Tommy Flanagan (p) und wiederum Green. Ungetrübtes swingendes Vergnügen. Dave Brubeck Dass Brubeck 1959, in dem er nicht nur so erfolgreich, sondern auf durchweg hohem Niveau auch über die Maßen fleißig war, kurz nach „Time Out“ auch die zwei hier auf einer CD vereinten Alben aufnahm, entging wohl auch aufmerksamen Sammlern, die hier zugreifen sollten. „The Riddle“, hier erstmals (!) auf CD erhältlich entstand im gleichen Sommer, „Southern Scene“ (bislang nur einmal auf einer vergriffenen japanischen CD veröffentlicht) im frühen Herbst. Mit „Southern Scene“ versuchte das Dave Brubeck Quartet in seiner berühmtesten Besetzung – Paul Desmond (as), Dave Brubeck (p), Eugene Wright (b) und Joe Morello (dr) – an einen großen Erfolg anzuknüpfen: Nein, nicht an „Time Out“, sondern an das mit fünf Sternen im Down Beat ausgezeichnete „Gone with The Wind“, eine Sammlung von Stücken, die mit dem amerikanischen Süden verbunden sind. Das unerwartete Material zeitigt inspirierte Momente, doch weniges, etwa das inspirierte Titelstück „Southern Scene“, hält einem Vergleich mit dem Vorgänger aus. Witzig ist die ohne Brubecks Wissen eingespielte, im Geist alter Entertainer gebotene Warmspielnummer „At The Darktown Strutters Ball“. Das faszinierendere Album ist „The Riddle“, in dem der Klarinettist Bill Smith, schon in den 40er-Jahren ein wichtiger Weggefährte Brubecks, Desmond ersetzt. Alle Stücke stammen von Smith und basieren ausgerechnet auf dem englischen Volkslied „Hey, Ho, Anybody Home?“. Vienna Art Orchestra Viele haben versucht, den bisweilen gar nicht so kurzen Miniaturen Eric Saties („Vexations“, hier Grundlage dreier Duo-Versionen, wird im Original 840 mal wiederholt) ein Jazzgewand anzupassen. Niemand tat dies überzeugender als VAO-Leiter Mathias Rüegg 1983 und 1984 in seiner bewundernswerten Balance aus Respekt vor den Originalen und eigener Erfindungsgabe. Schon seine ausgeklügelten Arrangements sind Klangfarbenzauberei: Das Instrumentarium einer Big Band (aber ohne den gängigen Rhythmusgruppen-Instrumenten Schlagzeug, Bass, Gitarre und dem mit Satie assozierten Klavier) wird erweitert um die im Satz mitsingende Lauren Newton, Woody Schabatas delikaten, sehr präsenten Vibraphon, sowie Weltmusik-Instrumentarium, das wie Kalimba, Tambura oder Tarabuka mit Fingerspitzengefühl und nur punktuell eingesetzt wird und die orientalisierende Komponente der Vorlagen (z.B. der „Gnossienes“) akzentuiert. Die Solisten, darunter die Saxophonisten Roman Schwaller, Harry Sokal, Wolfgang Puschnig und der früh verstorbene Trompeter Bumi Fian reagieren nicht nur inspiriert auf die ungewöhnlichen Vorlagen, sie spielten mit der Beseeltheit von Menschen, die gerade mit etwas Kostbaren, Heiligen oder Bedeutenden beschäftigt sind. Schade, dass die Outtakes unveröffentlicht bleiben: Art Farmer mit Satie hätte man schon mal gerne gehört. Ein Klassiker von fast jenseitiger Schönheit! |
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