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Olaf Kübler: Sax oder nie! – Die Bekenntnisse des Johnny
Controlletti „Bekenntnisse“. Möglich, dass das den einen oder anderen Leser in irgendeiner Richtung wild vermuten lässt. Es ist nicht spekuliert, sondern klarer Fakt: In der zweiten Auflage des ursprünglich 1996 erschienenen Büchleins des gefragten Musikers Olaf Kübler, Jahrgang 1937, (damals unter dem Titel „Klartext/Voll daneben“ mit Gerd Augustin) dreht sich der kurzweilige Inhalt um mehr als 40 Jahre „selbst erlebten Wahnsinn im internationalen Jazz und im deutschen Rock’n’Roll Business“. Und zwar chronologisch in 25 knapp gehaltenen Kapiteln gezähmt. Also: Nein, dies ist kein Buch, bei dem nur Nostalgiker aufhorchen. Nein, dies ist kein Resultat flächendeckender wissenschaftlicher, jedes Detail ausleuchtender Abhandlung aller Bereiche wie Bühnenleben, Kieze, Gastronomie im Wandel der Zeit, deutsche Zeitgeschichte in Nachkriegsdeutschland und Wirtschaftswunder et cetera. Vielmehr passiert Folgendes: Man schlägt das Werk auf, liest eben noch von der Kindheit der Saxophon-Legende, findet sich unversehens auf der Bühne der Casanova-Bar in „Shanghai an der Lahn“, von wo einen der Autor dann sogartig auf eine mehr als rasante Achterbahnfahrt durch den Zeitraffer der Jahrzehnte mitnimmt. Er verliert sich dabei nicht in weitschweifenden Erklärungen, manches Detail bleibt unverfolgt – das spielt in dem Kontext und bei dieser Menge an Informationen und Geschichten allerdings auch keine Rolle, denn Einzelnes herauspicken heißt gewichten, auch unvollständig bleiben. Bleibend sind die authentischen Eindrücke von einem Musikerleben zwischen Bühnengigs und Werbespots, zwischen Haschischqualm, diversen Trips und ihren Folgen, zwischen knappem Budget (Dauervertröstung: „Put it against the royalties“), Bühne & Studio. Das Ganze im musikalischen Spannungsfeld zwischen Jazz, Jump, Bebop, Boogie Woogie, R&B, Krautrock, Rock ’n’ Roll und Pop. Im emotionalen Spannungsfeld zwischen: hervorragende Musik abliefern, auf die Schnauze fallen, abgekocht werden. Mit geographischen Pfeilern wie Gießen, Köln, die Schweiz, München und die Welt. Und vor allem: vor dem Hintergrund von Begegnungen und teils langjährigem Miteinander mit Kurt Edelhagen, Amon Düül II (als Manager und Produzent), Klaus Doldinger, Ike Turner, Udo Lindenberg, Sting, Willy Michl, Peter Maffay, Marius Müller-Westernhagen. Diese Vollgas-Bilanz in Kübler-Sprache (teils im Slang für Eingeweihte: „Blasenkopfkonkies“) liest sich unterhaltsam und informativ. Nebenbei tun sich Einblicke in die Münchner Clubhistorie auf: Domicile, Die Säge, Tabarin, PN-Hithouse und Café Capri in Schwabing. Außerdem blitzen kurz Läden wie der Keks in Köln oder Onkel Pö in Hamburg auf. Von der einstündigen Version des Klassikers „Night in Tunesia“ („Als Bohemiens in Köln, 1960–65“) bis zur Erleuchtung in Sri Lanka („Die Beleuchtung“) lässt sich Kübler in seiner Erzählung vom Leser durch vier Jahrzehnte begleiten. Stellenweise schonungs-, atem- und gnadenlos. So sind einige sehr persönliche Definitionen Küblers auch nicht weiter überraschend: „Eins haben Popstars auf jeden Fall gemeinsam: den absoluten Größenwahn!“ Oder für leidensfähige Angestellte der Branche: „…all diese Pappnasen in den Plattenfirmen, die nie zu erreichen sind, weil sie ständig in irgendwelchen blöden, wichtigen ‚meetings’ sitzen.“ Subjektive Zeitgeschichte auf der Beschleunigungsspur aus nächster Nähe, zu der Wolf Wondratschek sein freundschaftliches Vorwort beisteuert. Monika Krämer |
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