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Jazzzeitung
2006/12 ::: seite 1
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10 Jahre Quadro Nuevo, das bedeutet in Zahlen 6 CDs, die wochenlang
auf Platz 1 der World Music Charts standen, 1 DVD, 12 Jazz-Awards, 3 Europäische
Impala in Silber und 1.500 Konzerte auf der ganzen Welt. Beeindruckend.
Zum Jubiläum gehen Mulo Francel (sax, cl), Robert Wolf (git), D.D.
Lowka (bass, perc) und Andreas Hinterseher (akk, p) auf ihrer neuesten
Produktion zurück zu ihren Wurzeln: „tango bitter sweet“
(Fine Music/Soulfood) ist eine Sammlung von europäischen Klassikern
wie „Petite Fleur“, „Tango Jalousie“, aber auch
von ungewöhnlich Vertontem wie Dalidas „Paroles, Paroles“
oder dem Filmmusikklassiker „Windmills of my mind“, und stieg
Mitte Oktober auf Position 47 in die deutschen Pop-Charts (!) ein. Ursula
Gaisa sprach mit Mulo Francel.
Jazzzeitung: Zehn Jahre Quadro Nuevo – Zeit zurückzuschauen.
Wie habt ihr vier eigentlich zusammengefunden damals?
Mulo Francel: Wir haben zusammen Filmmusik gemacht für
den ORF in Salzburg, einige kannten sich bereits, den Bassisten D.D. Lowka
kenne ich zum Beispiel schon seit 20 Jahren, habe schon bei Mind Games
mit ihm zusammengespielt. Das allererste Mal trafen wir vier uns aber
auf einem Parkplatz in der Nähe von Salzburg und sollten dann Musik
für eine Serie über einen fahrenden Handwerksgesellen machen.
Ob das jemals gesendet wurde, keine Ahnung. Aber wir haben den akustischen
Sound unserer Instrumente sehr genossen, hatten viel Spaß. Das wenige
verdiente Geld haben wir anschließend im Casino verspielt. Um das
wieder in die Kasse zu bekommen, haben wir beschlossen, zusammen als Band
daheim in einem kleinen Club in Rosenheim aufzutreten, das Konzert war
schön, seitdem sind wir beieinander.
Jazzzeitung: Seitdem hat sich ja sehr viel getan …
Stichwort: von der Straßenmusik zur Welttournee. 2005 wart ihr unter
anderem in Singapur, Korea, Kanada und Australien auf Konzertreise. Wie
hat das die Formation verändert?
Francel: Reisen finden wir generell inspirierend, auch
ist das Publikum in jedem neuen Land wieder ganz verschieden. Es war zum
Beispiel eine ganz andere Erfahrung, in Singapur zu spielen als in Kanada.
Die Kanadier spüren in unserer Musik ihre eigenen europäischen
Wurzeln, vielleicht unbewusst, sie fühlen sich aber auf jeden Fall
sehr angezogen von unserer Musik. In Singapur ist das etwas ganz Anderes:
Da sind wir einfach Musiker aus Europa, einer fremden Kultur. Das ist
alles sehr spannend, man lernt immer wieder andere Musiker und fremdartige
Musik kennen. Außerdem sind wir Instrumentenfreaks, kaufen die ganze
Zeit neue interessante Instrumente. Uns macht es einfach Spaß, Klänge
zu suchen, aufzuspüren und vorzustellen – rein akustisch versteht
sich.
Jazzzeitung: Zehn Jahre ohne personelle Veränderung,
das ist selten im Musikbusiness. Seid ihr auch privat noch befreundet
oder geht ihr da eigene Wege?
Francel: Manchmal sind wir sogar mit allen unseren Familien
zusammen auf Tour, nicht immer, aber wenn wir zum Beispiel in Italien
auftreten, nehmen wir auch mal alle unsere Kinder mit. Wir sind vier Freunde,
gleichberechtigt, ohne Chef, demokratisch strukturiert. Natürlich
hat jeder andere Aufgaben und gelegentlich gibt es schon Diskussionen,
aber das Wichtigste ist es, die menschliche Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten.
Das funktioniert, wenn man die Stärken und Schwächen des anderen
gut kennt. Das ist beinahe so wie in einer Ehe, in einer Viererehe eben.
Jazzzeitung: Wie habt ihr die Lieder für das Album
„tango bitter sweet“ ausgewählt, mir scheint, ihr habt
alle eure Lieblingssongs herausgekramt?
Francel: Das stimmt, da gibt es die berühmte Kiste
mit Liedern, die „ich schon immer einmal spielen wollte“.
Die einzigen Vorgaben waren, dass es europäische Songs oder Eigenkompositionen
sein sollten, keine südamerikanischen, argentinischen Tangos. Wir
wollten unserer Sichtweise des Tangos nachspüren, unsere europäische
Perspektive des Tangos weiterentwickeln, den Tango weiter in Europa etablieren.
Jazzzeitung: Vorausblick, was macht Ihr die kommenden
zehn Jahre, werden die Ideen, die Lust nicht aus-, beziehungsweise vergehen?
Francel: Keinesfalls – für die nächste
CD werden wir ein paar Wochen rund um’s Schwarze Meer reisen. Arbeitstitel:
„Die Reise nach Batumi“, das ist eine Hafenstadt in Georgien.
Wir werden an verschiedenen Orten jeweils ein Lied aufnehmen, zum Beispiel
in einem türkischen Hamam, in Länder fahren, die von der westlichen
Musikindustrie noch nicht so überfahren sind. Dabei haben wir kein
finanzielles, sondern ein rein künstlerisch inspiratives Interesse.
In Rumänien oder Georgien gibt es einfach sehr interessante Musikkulturen.
Das zweite Projekt ist Filmmusik für einen türkischen Regisseur,
der seine zwei Identitäten, als in Deutschland aufgewachsener Türke
verarbeitet, das ehrt uns sehr. „Zwei halbe Leben sind kein Ganzes“
soll der Kinofilm heißen.
Ursula Gaisa sprach mit Mulo Francel
Tourtermine:
1.12. Hockenheim, Jazzfest,
2.12. Straubing, Theater am Hagen,
4.–6.12. Traunstein, Nuts,
9./10.12. (A) Braunau, Theater am Gugg,
11.12. Dießen am Ammersee, KIK, 15.12. Weimar, Mon Ami,
16.12. Hamburg, Laeisz-Musikhalle, 17.12. Peißenberg, Tiefstollenhalle,
20.12. Berlin, Kammermusiksaal der Philharmonie,
22.12. Dachau, Ludwig-Thoma-Haus
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