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Den Moment, in dem Lutz Krajenski eigentlich nicht so wirklich weiß, wie ihm gerade geschieht, den durchlebt er derzeit immer wieder. Dann sitzt er an seinem Flügel, strahlt von der West- bis zur Ostseite seines von Koteletten gerahmten Gesichts und die Gänsehäute jagen ihm die Arme hinauf und den Rücken hinunter wie der Wind durch ein Weizenfeld. Der Chor, der dafür sorgt, dass sich ihm sämtliche Körperhaare aufstellen, besteht im Regelfall aus vielen hundert Kehlen und singt Zeile für Zeile die Texte eines Albums mit, für die der Keyboarder aus Hannover den Großteil der Arrangements sowie eine Komposition geschrieben und seine Big Band zur Verfügung gestellt hat.
Es heißt „Männersachen“ (Starwatch/ Warner) und ist vielleicht der musikalische Überraschungserfolg des vergangenen Jahres. Eingesungen wurde er vom stimmgewaltigen Charismatiker Roger Cicero, der mit seinem deutschsprachigen Swing-Longplayer seit Monaten in den vorderen Regionen der Pop-Album-Charts herumlungert (bei der Entstehung dieses Texts lag sein mittlerweile vergoldetes Werk auf Platz 20). Cicero und Krajenski, der als Pianist und Organist ein sensibler und stilvoller Begleiter sowie ein sehr selbstbewusster Solist ist, arbeiten schon ein paar Jahre zusammen. Als sich der Tastenspezialist 2001 einen Lebenstraum erfüllte und eine Big Band, nämlich das nach einem Stadtteil Hannovers benannte Salonorchester Linden Mitte gründete, wusste er bald schon, dass er den Hamburger Roger Cicero unbedingt ans Mikrofon stellen wollte. Auch im Quintett After Hours gehen die beiden Männer seither ihren gemeinsamen musikalischen Neigungen nach. „Ich war ganz verliebt in Rogers Stimme und seine Art des Singens“, erzählt Krajenski in seinem Studio in Hannover. Heute teilt er sich diese Liebe mit Hunderttausenden. Und er kann ganz unmittelbar sehen, dass die Musik, die er mit Eugen Ciceros nun sehr populärem Sohn macht, Glückshormone auslöst. Er beobachtet im Konzert ständig Pärchen, die sich mit glänzenden Augen anschauen und das Knutschen nicht unterdrücken können. Lutz Krajenskis größter Moment im Konzert kommt stets, wenn seine Komposition „Wenn Sie Dich Fragt“ ertönt. Die hat er während einer Tour mit dem englischen Soulrocker Roachford zu Papier gebracht (der Text stammt allerdings von Frank Ramond). „Es ist eigentlich ein kompliziertes Stück, eine Bossa, die mit jedem Teil in eine andere Tonart wechselt. Und die Leute singen das trotzdem völlig korrekt mit. Ich kriege jedes Mal eine Gänsehaut, wenn der erste Chorus um ist und dieser Bläserzwischenteil mit den Flügelhörnern kommt. Da gibt es regelmäßig Szenenapplaus.“ So was hat Lutz Krajenski noch nicht erlebt, obwohl er regelmäßig mit einer Partyband spielt und weiß, wie man die Menschen in jede erdenkliche Stimmung bringt. Vier oder fünf war er, als er versuchte, auf dem Akkordeon zu spielen, auf dem sonst sein Vater oder sein Großvater Tasten und Knöpfe drückten. „Mein Opa hat schließlich für mich eine Art Harmonium gebaut“, erinnert sich der heute 34-Jährige. Und später besorgte der Großvater auch noch den Bausatz für eine Heimorgel. Die wurde für lange Zeit Lutz Krajenskis Hauptinstrument. Heute zählt er für Eingeweihte übrigens zu den besten Organisten des Landes. Mit zwölf hat er damals das Klavier dazugenommen und bald das Glück gehabt, bei einer Professorin der Musikhochschule Unterricht zu bekommen. Die hat ihn auch während seines Studiums unter ihre Fittiche genommen. „Ich habe nur in Hannover eine Aufnahmeprüfung gemacht. Wenn ich an der Musikhochschule nicht genommen worden wäre, hätte ich vielleicht etwas anderes gemacht und die Musik nur als Hobby betrieben.“ Er hängt an der Stadt, die für ihn nicht nur eine grüne Oase und ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt ist („man ist blitzschnell in Berlin, in Hamburg oder im Ruhrpott“), sondern auch ein Ort, an dem wenige musikalische Wünsche unerfüllt bleiben müssen. „Ich konnte damals problemlos eine Mini-Big-Band aus lauter Hannoveranern zusammenstellen“, sagt Krajenski, darauf angesprochen, dass die Szene der niedersächsischen Landeshauptstadt nach außen nicht eben den Ruf besitzt, eine Jazz-Metropole zu sein. „Du hast hier richtig gute Musiker, drei, vier exzellente Bläser, die Weltklasse sind. Bei jemandem wie unserem Tenoristen Stephan Abel kann man froh sein, dass der nicht seine Sachen gepackt hat und in die Staaten gegangen ist.“ Krajenski selbst, der schon mit Simply Red, Mousse T., Tom Jones, Anastacia oder Randy Crawford gearbeitet hat, würde die Stadt an der Leine wohl nur verlassen, wenn ihn seine Lieblingsband „Tower Of Power“ engagiert. „Die spielen für mich Musik, die mich mitten ins Herz trifft, Musik, wie man sie nicht besser machen kann. Wenn die mich anrufen würden und nachfragen, ob ich eine Saison lang bei denen einsteigen kann, würde ich einen Privatlehrer für meinen Sohn engagieren, damit er mitreisen kann, und sofort alles liegen und stehen lassen.“ Jede Wette, dass Roger Cicero was dagegen hätte. Ssirus W. Pakzad |
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