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Michelle Mercer: Footprints – the life and work of Wayne Shorter, Jeremy P. Tarcher/Penguin Group, New York, 303 Seiten Wayne Shorter (geb. 25.8.33) wuchs in Newark auf (20 km von Manhattan entfernt). Die erste Musik, die ihn interessierte, war Filmmusik (mit Kirchenmusik konnte er nicht viel anfangen). Er begann 15-jährig mit Klarinette und wechselte ein Jahr später zum Tenorsaxophon (sein um ein Jahr älterer Bruder Alan spielte erst Altsaxophon, dann Trompete). In Newark besuchte er die Art High School; er zeichnete und malte viel und war von Filmen fasziniert. Von 1952 bis 1956 studierte er an der New York University. 1959 war er für kurze Zeit bei Maynard Ferguson; am Klavier saß Joe Zawinul, mit dem er sich bald sehr gut verstand. Sein Credo drückte er damals so aus: „What it comes to is seriousness. Nothing comes to anything unless you’re serious about it.“ (S. 63) Während seiner Zeit bei Art Blake’s Jazz Messengers (1959-64) zeigten sich dann nicht nur seine Qualitäten als Musiker, sondern auch als Themenkomponist, wie später auf Platten unter eigenem Namen. So prägte er auch das Miles Davis Quintet stark (1964–70). Den Unterschied zu Coltrane formuliert die Autorin so: „It was his nature to paint with his horn rather than preach, as Coltrane did.“ (S. 72) Diese Doppelrolle konnte er bei Weather Report nicht in dem Maß spielen, obgleich ihn mit Joe Zawinul eine tiefe Freundschaft verband, und er inzwischen mit dem Sopransaxophon eine zweite Stimme gefunden hatte. Die „elektronische Übermacht“ von Synthesizer + E-Bass, dazu viel Schlagzeug/Perkussion war oft einfach zu stark. Nach Weather Report war es für ihn dann nicht einfach, die richtigen Musiker für eine eigene Band zu finden. Die Besetzung mit Danilo Perez, John Patitucci und Brian Blade auf der Live-CD „Footprints“ (2001) war wohl, was er lange gesucht hatte; jedenfalls knüpft er hier an seine beste Zeit an. Ein Charakteristikum seiner Persönlichkeit ist seine Zurückhaltung. Mehrere schwere Schicksalsschläge und sein buddhistischer Glaube (seit seinem 40. Lebensjahr) dürften diese noch verstärkt haben. Miroslav Vitous sagte über ihn: „Wayne was a thinker… He… wanted to wait to see what happens… I have never seen a musician who could wait more than Wayne Shorter.“ (S. 143). Leider enthält dieses empfehlenswerte Buch, in dem zahlreiche Interviews verarbeitet wurden, keine Diskografie, dafür aber rätselhafterweise ein in Noten mehrstimmig ausgesetztes unvollständiges Stück namans „Flagships“ ohne jede Erklärung. Als gute Ergänzung zum Buch sei eine neu herausgekommene Doppel-CD unter dem gleichen Titel empfohlen mit 22 Aufnahmen aus der Zeit zwischen 1960 und 2001 (Columbia/Legacy COL 518696 2). Del Courtney: Hey! The Band’s Too Loud, AuthorHouse, USA/90+237 Seiten mit vielen Fotos Die relaxed erzählte Lebensgeschichte eines amerikanischen Musikers und Bandleaders, der zwar nicht zu den Großen gehörte und auch nie in einer ihrer Bands spielte, aber doch auf ein erfülltes Leben zurückblicken kann. Geboren 1910 in Oakland (Kalifornien) begann er 1927 als Pianist in einer Band, die er nach dem Ausscheiden des Schlagzeugers und Bandleaders auf Wunsch der übrigen Bandmitglieder selbst übernahm, obwohl er der Jüngste war. Neuer Drummer wurde übrigens Henry „Dutch“ Brubeck, ein älterer Bruder Dave Brubecks. So kam es später dazu, dass die Gruppe im Haus der Brüder probte und der damals 10-jährige Dave den ersten Live-Jazz seines Lebens hörte (er bestätigt dies ausdrücklich in einem Vorwort zu diesem Buch). Von da an leitete Del Courtney jahrzehntelang ein eigenes Orchester, das Swing-nahe Musik bot, zwar nie in irgendwelchen Bestenlisten auftauchte, aber doch eine Reihe von Platten aufnahm (Diskografie am Ende des Buches) und für vier Präsidenten spielte (Truman, Eisenhower, Nixon, Reagan). Dazu fand Courtney Zeit zu Radio- und Fernsehshows, zu einigen Nebenrollen in Hollywoodfilmen, und er war 18 Jahre im Leitungsteam der zeitweilig sehr prominenten Footballmannschaft Oakland Riders. Noch zum Erscheinungsdatum seiner Lebensgeschichte (2005) trat er 95-jährig hin und wieder als Leiter eines Orchesters auf. Wir sehen: wer lange Musik macht, wird alt. Richard Ingham (Herausgeber): The Cambridge Companion to the Saxophone, Cambridge University Press, United Kingdom, 228 Seiten Dem Saxophon wird in der Musikliteratur immer noch viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Da nimmt man gerne diesen Band zur Hand, der eine Zusammenfassung wesentlicher Aspekte von Klassik, Jazz, Rock und Neuer Musik zu bieten verspricht. 16 Aufsätze verschiedener Autoren decken ein breites Spektrum von Themen ab, historische, instrumentaltechnische und musikalische. Dabei wird zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beherrschung des Instruments durch große Musiker im Laufe des 20. Jahrhunderts eine ständige Steigerung erfahren hat. Das geringe Interesse der Komponisten im 19. Jahrhundert am Saxophon erklärt sich zum Teil auch daraus, dass oft keine geeigneten Spieler zur Verfügung standen; die Ausbildungsstätten zögerten sehr lange, das Instrument in ihr Programm aufzunehmen. Ich sollte besser sagen „die Instrumente“, denn Sopran-, Alt-, Tenor- und Baritonsaxophon sind spieltechnisch heutzutage nicht weniger verschieden voneinander als Geige, Bratsche, Cello und Kontrabass. In diesem Zusammenhang ist es auch seltsam, dass von einem Saxophonisten immer noch häufig die Beherrschung von „Nebeninstrumenten“ erwartet wird. Niemand verlangt doch von einem Geiger, dass er noch ein anderes Streichinstrument spielt, von einem Trompeter, dass er zusätzlich noch Posaune spielt… Hier zeigt sich die Unterschätzung der Schwierigkeiten und des Übepensums, dass eine wirklich meisterhafte Beherrschung eines der Saxophontypen verlangt. Leider lässt der Jazzteil des Buches zu wünschen übrig. Bei den großen Saxophonisten fehlen zumindest solche Stilisten wie Adrian Rollini, Eddie „Lockjaw“ Davis, Hank Mobley, Charlie Rouse und Paul Gonsalves, bei den Saxophonensembles ROVA und die Kölner Saxophon Mafia (überhaupt ist, was Europa betrifft, diese Arbeit zu englandlastig). Über die enorme Vielfalt an Klangfarben, die im Jazz entstanden sind, erfährt der Leser nur wenig, über die Spezifika der Saxophonsätze großer Big Bands fast gar nichts. Im Instrumentalteil vermisst man einen Abschnitt über Blattbearbeitung. Der Anhang sollte bei der nächsten Auflage um eine Auflistung gedruckter Werke (Trio, Quartett, Quintett) aus dem Jazzbereich sowie um eine komprimierte Diskografie aller Musikformen ergänzt werden. Sonst recht empfehlenswert. Joe Viera |
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