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Hat Stoiber doch recht? Bayern sind klüger? Die helleren Leuchten, die leistungsfähigeren Sportler, besseren Musiker? Pisa-verwöhnt und jeder ein Original? Hört man den Trompeter Matthias Schriefl, könnte man dieser Betrachtungsweise durchaus etwas abgewinnen. Agil, aktiv und ganz schön emsig, spielt er nicht nur prima Trompete, Flügel- und manchmal auch Baritonhorn. Gleichermaßen organisiert er, managt eine Livemusikreihe und Jamsessions, komponiert nächtens und keineswegs zuletzt redet er auch noch gern. Natürlich spielt der gebürtige Allgäuer aus Kempten auch viel, mit seinen Bands „Shreefpunk“, „Mutantenstadl“ oder dem Anette von Eichel-Matthias Schriefl-Quintett, im Duo mit Matthias Erlewein (ts) oder dem österreichischen Trompeter Andy Haderer, bei Studio- und kommerziellen Gigs. Ziemlich geschäftig und vital also, der 24 Jahre junge Musiker. Im Keller des Artheater, im Kölner Szenestadtteil Ehrenfeld, hat Schriefl seit fast zwei Jahren eine Jamsession aufgezogen. Immer dienstags ist in der duster-nostalgischen Kellerbühne ein anderes junges Ensemble zu Gast, bei dem nach einem konzertanten Einstieg andere Musiker einsteigen können. „Die meisten Musiker jammern ganz gern“, beschreibt Schriefl die Situation, „deshalb stelle ich lieber selbst etwas auf die Beine“. Jazz-O-Rama nennt er dieses Forum, mit dem er neben den wöchentlichen Sessions an zwei Sonntagen im Monat auch im Studio-672 (Venloer Str. 40) präsent ist. In den letzten Jahren habe sich die Lage für junge Jazzmusiker in Köln etwas gebessert. „Jahrelang hat es für nachwachsende Spieler kaum Möglichkeiten für Auftritte oder Sessions gegeben!“ Üppig ist das Angebot an Bühnen auch heute längst nicht. Aber „es ist einfach super für die Jazzszene, dass wir als Kölner auch in Köln spielen können“. Gewaltigen Nachholbedarf sieht der Trompeter, der im April sein 1,0-Diplomkonzert im ausverkauften Stadtgarten absolviert hat, bei den Kölner Medien. „Außerhalb des Stadtgarten und der Philharmonie existiert für die Presse nichts“, zieht er lakonisch Fazit. „Hier im Keller“, begrüßt er freudig und ein wenig ungläubig den Musikjournalist aus der ehemaligen bayerischen Heimat, „war noch nie ein Journalist aus Köln“. Dabei würde sich das Angebot, das inzwischen respektable 30 bis über 100 Besucher – darunter viele junge Leute – jede Woche aufweisen kann, noch aus einem anderen Grund durchaus lohnen. Neben Livemusik gibt es nämlich auch Vorträge, genauer gesagt einen Erzähler. Einen, der von seinen Erfahrungen, jahrzehntealten Erlebnissen, seinem reichen Jazzwissen erzählt und es weitergibt. Franz Rabl ist Koch, 76, lebt alleine und liebt den Jazz – in allen Variationen und Formen. Sein besonderes Faible aber gilt Liveaufnahmen. Mit großen Augen erzählt Schriefl von Rabls immenser Sammlung an Livemitschnitten vom Radio und auf Platte, die er sauber archiviert und katalogisiert hat. Aus diesem reichen Fundus untermauert er jeden seiner Vorträge im Artheater, wenn er erzählt, wie er als Amateur und Jazzliebhaber Jazzgeschichte erlebt hat. Die Resonanz, gerade auch von jüngerem Publikum, „ist größer als wir gerechnet haben“, verkündet Schriefl stolz. Mit „Shreefpunk“, dem zwischen kurzen heftigen Eruptionen, Blues, holprigem New Orleans und Bopattitüden unbekümmert schürfenden Quartett mit Hanno Busch (g), Robert Lanfermann (b) und Jens Düppe an der Schießbude, bringt Matthias Schriefl an diesem Abend Stimmung in den Clubkeller. Dabei growlt er auf seinem Instrument wie ein alter Sünder, spielt in einem klagenden Ton, der an Tomasz Stanko erinnert, ein düster-flächiges Stück „Für einen Obdachlosen“. Gerade ist er mit den Aufnahmen zu einer neuen CD beschäftigt – brasilianisch inspirierte Eigenkompositionen für Streichquartett, die Combo und eine brasilianische Sängerin. Im kommenden Jahr will er das Album mit „Cosmo-Brasilian Motions“ auf einer kleinen Tour promoten. Für 2006 hat er auch noch einen anderen Pfeil im Köcher: Eine Produktion mit der WDR Big Band mit ihm als Gastsolist, bei der ausschließlich Kompositionen aus seiner Feder gespielt werden sollen. Wir drücken Matthias Schriefl die Daumen und sind gespannt, was dann herauskommt. In der Zwischenzeit heißt es einfach Augen und Ohren aufsperren: Schriefl kann mit „Spacelab“, einem Nu Jazz Trio, unterwegs sein, mit dem Cologne Contemporary Jazz Orchestra (ccjo), mit „Biobop“ oder „Das junge sympathische Trio von nebenan“, Standards spielend mit dem Rick Kiefer-Matthias Schriefl-Quintett oder sogar bei Peter Herbolzheimer auftauchen, mit dessen Rhythm Combination & Brass er schon 2002 auf Tour war. Wie gesagt – ein agiler, vielbeschäftigter junger Musiker aus Bayern, von dem man garantiert noch oft hören wird. Text/Foto: Michael Scheiner
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