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Mit Musik ist sie aufgewachsen, die Songwriterin und Sängerin Jhelisa Anderson: stets wurde in ihrer Umgebung gesungen, Klavier gespielt und vieles mehr. Unlängst nahm sie ihr neues, „Discovery of Amazing“ betiteltes Album auf – in New Orleans, mitten im Herzen des amerikanischen Jazz. Als die altehrwürdige Metropole dann in den Fluten versank, büßte Jhelisa im Lauf der Katastrophe auch einige ihrer dort gelagerten Masterbänder ein. Das alte New Orleans ging unter. Doch den lebendigen Puls dieser Stadt, sagt sie, trage sie weiter in sich. Jazzzeitung: Du wurdest in eine musikalische Familie
hineingeboren, standst bereits als kleines Kind auf der Bühne. Ist
Singen für dich etwas, das sozusagen natürlich und von selbst
kam? Jazzzeitung: Deine Songtexte sind oft extrem kritisch,
es gibt wenig Themen, die du nicht anschneiden würdest. Kritik äußern,
dem Hörer mitteilen, was sich hinter den verschlossenen Türen
von Massenmedien und politischer Korrektheit abspielt, ist das die Pflicht
jedes Songwriters? Wenn ich über das amerikanische Schulsystem rede, spreche ich immer von Gehirnwäsche. Du erfährst ja rein nichts, wenn du nicht das Glück hast, dass deine Eltern dir noch eine andere Sicht der Dinge beibringen. Und dann ist da noch deine Umgebung, dein Kulturkreis, der deinen Blickwinkel bestimmt und einengt … wie eine Falle, der man schwer entrinnt. Was mich angeht, eine zweifache: zunächst, geschlechtsspezifisch bestimmt, die Perspektive einer jungen Frau. Dann, durch meine Hautfarbe, die einer jungen schwarzen Frau. Man ist vorwiegend gefangen in der Rolle seines Geschlechts, dann der seiner Rasse. Und dann ist man Teil einer bestimmten Schicht. Was zu stark zurücktritt, ist die Erkenntnis, einfach Mensch zu sein. Und was es bedeutet, ein menschliches Wesen auf dieser Erde zu sein, darüber sagt einem keiner was. Mir gefällt aber genau diese Sicht auf die Dinge, es ist die offenste von allen. Jazzzeitung: Ist das schon Philosophie oder noch Kulturkritik? Was macht den Menschen aus? Dahin bewege ich mich, reise, interessiere mich für die kleinen Dinge. Elementares erfahren … die Biologie meines Körpers, seine Verbindung zur Physik des Tisches, an dem wir sitzen. Zur Luft, zum Himmel. Die Kultur ist in meinen Augen nur eine Hülle, ein Überwurf, wie Kleidung, die man trägt – es ist nichts, was fest und stetig wäre. Ist ja in Ordnung so; kleide ich mich eben in diese meine Haut, in diese meine Umgebung! Joe Sample sagte zu mir in einem Interview – er sprach von den Musikern in New Orleans: „Ich war beeindruckt, wie die jungen Leute ihre Instrumente beherrschten. Das waren 16-, 17-Jährige, die nicht nur aus Spaß und Freude spielten, sondern für das nackte Überleben!“ Wow! Das ist großartig beschrieben von Joe Sample „… fürs nackte Überleben!“. Sehr wahr. Das ist ihr Rettungsanker. Ihre einzige Sicherheit. Ihre Art von musikalischem Ausdruck, ihre individuelle Methode, sich selbst zu finden. Jazzzeitung: Im New Orleans vor der großen Flut
zu bestehen, hieß das also für die jungen Musiker, jeweils
der beste sein zu wollen? Das steht für diese ganze Stadt; Ähnliches habe ich nur in Brasilien gesehen. Mir erschien es, als ob New Orleans auf sehr gesunde Weise funktioniere, weil sich jeder in der Gemeinschaft seinen persönlichen Platz schafft – nicht wie anderenorts, wo die Leute dem Rudel folgen und nur vor der Glotze hängen. Es gehört zu den echt gefährlichen Dingen in Amerika, dass die Leute im Wesentlichen ihre Persönlichkeit übers Fernsehen bilden. Mit Melodien und Rhythmus aufwachsen bedeutet so viel mehr als diese vorgekauten Konserven: Der Puls des Lebens. Du berührst die Welt auf eine ganz unmittelbare Weise, die seit Jahrmillionen existiert. Wie ein Tier, sei es ein Löwe oder ein Insekt, das sich definiert, dadurch dass es sich bewegt, lebt, überlebt: Musik ist ein Ausdruck des Überlebens, wie Joe Sample sagt. Das trifft es auf den Punkt. Interview: Carina Prange |
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