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Zur Zeit würgt man es dem armen Sebastian wieder von allen Seiten rein: Erst kommt mir Tina mit dem Jovialitätsvorwurf (siehe die letzte Ausgabe vom „Jäzzle“), dann sagt mir ein Kommilitone, man bekomme bei meinen Kolumnen immer den Eindruck, Jazzer seien furchtbar. Und überhaupt, sagte ein anderer, was soll denn das mit der Einordnung in die Schublade der Iatzer. Das sei doch überholt. Meine Rede, kann ich da nur entgegnen und mich nach diesen Tiefschlägen wieder aufrappeln. Es geht um die nicht zu unterdrückende Lust an der Musik, sonst um nichts. Nur sind all die Klischees einfach zu verlockend, um nicht darauf herumzureiten. Leider auch zu abgeritten, um weiterhin Spaß beim Reitsport zu haben. Und ganz ehrlich: Stimmen tut’s mittlerweile in den wenigsten Fällen. Im Grunde muss man sich mittlerweile bei der Jazzschublade mit all ihren zeitgenössischen Vertretern entschuldigen, dass man jahrelang den cognacschwenkerschwangeren Notaren und Zahnärzten ungefragt einen Platz neben Hipstern wie Molvaer und begnadeten Nerds wie Johannes Enders angeboten und Silje Nergaard und Konsorten deren geifernden Blicken ausgesetzt hat. Aber wie bin ich eigentlich in der Schublade gelandet? Bin ich denn
überhaupt in der Schublade? Vielleicht ist es am einfachsten, das
Klischee zu korrigieren, indem ich mir (und Ihnen/Euch – sind wir
schon beim Du?) meine „Jazzkarriere“ vor Augen führe. Der Reihe nach. Herr Nicolaescu war mein Musiklehrer. Herr Nicolaescu kam aus Rumänien und liebte drei Dinge ganz besonders: Meinen Namen mit einem langen „u“ und unter Zuhilfenahme eines geschlechtssignierenden Beiwortes zu „Klugmann“ erweitert laut in den Unterricht hinein zu brullen (als Mischung aus „brummen“ und „brüllen“), seinen kugelrunden Bauch in kreisenden Bewegungen zu streicheln und Jazz. „Nico“ selbst war in jungen Jahren (ohne den Bauch) Nationalspieler im rumänischen Basketballteam und darüber hinaus ein begabter Trompeter gewesen (was er uns leider im Unterricht nie bewiesen hatte), in späten Jahren wurde er dann in seiner Eigenschaft als Leiter der schulischen Bigband zu einem didaktisch begnadeten Botschafter des Jazz. Nirgends gab es so viele jazzbegeisterte Pubertierende wie am Gymnasium Geretsried. In der siebten Klasse durften wir eigene Platten mitbringen, und ich hatte eine Single (duftendes Vinyl!) von B.B. King dabei, was ich besonders aufgrund des bauchigen Parallelismus zwischen Musiker und Musiklehrer passend fand. Der Spaß, den Nico beim Hören der Platte hatte, sprang sofort auf mich über, auch wenn ich das nicht als Jazz erkannte – wie auch, es handelte sich ja um Blues. Der Jazz daran war die Freude am Hören, die ich erst wieder einige Zeit später spürte, als ich zum ersten Mal ein Live-Album von Jimi Hendrix zu hören bekam („Jimi Plays Monterey“). Genau da war sie plötzlich wieder, die Spielfreude, die man beinahe in einer erotischen Dimension spüren konnte. Auch hier hatte ich noch keine Ahnung, dass hier vielleicht der Faktor Jazz hineinspielen könnte, vielleicht aber auch einfach Angst vor dem ehrwürdigen, mit zahllosen Klischees beladenen Begriff. Den letzten Schritt des Herantastens hat dann der Bene erledigt. Der Bene war einer der eifrigsten Bewunderer Nicos, ein begnadeter Pianist und vor allem ein Grenzgänger, der bereits recht früh für sich entdeckt hatte, dass die Freiheit des Jazz das Einzige ist, was ihn wirklich an der Musik halten kann. Er war da nie engstirnig, zum Beispiel haben wir in seinem Zimmer mal eine Hommage an unseren jagdbegeisterten Biologielehrer, den Herrn Fladerer aufgenommen und „Janie’s got a gun“ von Aerosmith einfach gut bayerisch in „Fladi hod a G’wehr“ umgedichtet. Der Bene ist nie mit der drückenden Schwere, die vor allem der Bigbandsound an sich hat, an die Musik herangegangen, sondern immer mit einer Leichtigkeit und einer begeisternden Leidenschaft, die uns alle – ganz uneigennützig – zu Fans des Jazz und – etwas weniger uneigennützig – zu Fans seines Spiels machte. Ja mei, der Bene. Wie das dann weiterging, wie wir zusammen Jazz unters Volk zu streuen begannen, wie ich mit dem dreimal so alten Gerd die Grenzen seiner Lautsprecher austesten durfte und so weiter, all das kommt erst im zweiten Teil. Weil ich nämlich jetzt grad wieder eine ziemliche Lust auf die Musik bekomme. Und die sollte man wie gesagt nicht unterdrücken! Sebastian Klug |
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